Amsterdam. Uwe Hammer
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Der Unfall
Regungslos lag Dieter im Dreck, noch immer hatte sich die Schockstarre nicht gelöst. Es spürte überhaupt nichts, er spürte noch nicht einmal den weiterhin unaufhörlich auf ihn einprasselnden Regen. Doch plötzlich schien der Regen aufzuhören, und Dieter fuhr im strahlenden Sonnenschein mit einem Fahrrad, fröhlich vor sich hin pfeifend eine wunderschöne Allee entlang, die dem Lauf eines friedlich dahinfließenden Flusses folgte. Aber es handelte sich nicht um ein gewöhnliches Fahrrad, es hatte auf der Hinterachse zwei Räder, war mit einem Aufbau versehen der einem Kofferraum glich, und fuhr ohne, dass er sich anstrengen musst, ohne dass ihm die Oberschenkel brannten.
Ein E-Bike dachte Dieter, es muss ein E-Bike sein. An einer besonders schönen Stelle, direkt unter einer großen Linde hielt er an. Im Hintergrund begann die Sonne langsam unterzugehen und verlieh den Himmel einen wunderschönen orangeroten Farbanstrich. Er stieg ab, ging um das Fahrrad herum und klappte einen Teil des hinteren Aufbaus um 180 Grad um, lies zwei Stützen herab, und stellte den umgeklappten Teil auf dem Boden ab, so dass dieser mit dem feststehenden Teil das Aufbaus in einer Linie stand. Dann entnahm er einige Kisten, und stellte diese unter den aufgeklappten Teil des Aufbaus. Aus einer der Kisten entnahm er eine Art Zelt, und baute dieses so auf, dass sein Fahrrad davon umschlossen war. Anschließend blies er eine Luftmatratze auf und legte diese auf die sich aus dem feststehenden und den klappbaren Teil des Aufbaus ergebende Liegefläche, packte einen Schlafsack aus und legte sich auf das gemütlich wirkende Bett. Genau in diesem Augenblick kam Dieter wieder zu sich.
Er wusste nicht ob er nur ein paar Sekunden zwischen den Bäumen im Dreck lag, oder ein paar Stunden. Langsam, aber unwiderstehlich kamen die Schmerzen und er spürte, dass er stark aus der Nase blutet. Sein Fahrrad lag immer noch halb auf ihm. Mit langsamen Bewegungen aus Angst er könne sich etwas gebrochen haben, packte er das Fahrrad und wuchtet es auf die Seite. Mühsam begab er sich zuerst auf die Knie, um sich dann ganz vorsichtig ganz aufzurichten, wobei er den Baum gegen den er geprallt war zur Hilfe nahm indem er sich an diesem hochzog. Zu seiner Erleichterung wurde der gesamte Bewegungsablauf nicht durch plötzlich auftretende Schmerzen begleitet, so dass er schloss sich zumindest an Armen und Beinen nicht ernsthaft verletzt zu haben.
Allerdings spürte er an seinem gesamten Körper ein Brennen. Als er sich genau betrachtet sah er, dass er unzählige mit Schlamm und kleinen Schottersteinen verzierte Schürfwunden aufwies. Wenigstens gebrochen scheint nichts zu sein, stellte er einigermaßen beruhigt fest. Seiner Nase entwich weiterhin eine nicht unerhebliche Menge Blut, überhaupt brannte sein Gesicht wie Feuer. Er war froh, dass er keinen Spiegel zur Hand hatte, und so wenigstens vom Anblick seines sicherlich schwer in Mitleidenschaft gezogenen Gesichtes verschont wurde. Er kramte in seinen Taschen nach einem Taschentuch, obwohl er wusste, dass er nie ein Taschentuch einstecken hatte. Normalerweise fragte der Claudette, wenn er ein Taschentuch benötigte, die hatte immer Taschentücher in ihrer Handtasche, die sie immer bei sich trug, außer beim Radfahren, da hatte sie selbstverständlich ein kleines Erste-Hilfe-Pack bei sich. Dieter hasste diese Besserwisserei. Aus Ermangelung eines Taschentuches oder gar Erste-Hilfe-Packs entschloss Dieter sich, seinen Schuh auszuziehen, um an seinen ohnehin völlig durchnässten Socken zu kommen, welchen er sich zur Eindämmung des Blutflusses vor die Nase hielt. Dieser etwas ungewöhnliche Lösungsansatz erfüllt ihn mit Stolz, zeigte er doch, dass auch er sich durchaus zu helfen weiß und nicht auf Claudettes Handtasche oder noch schlimmer auf ihr Erste-Hilfe-Set angewiesen war.
Allerdings erwies es sich als ratsam, den Socken nicht gegen die Nase zu drücken, da eine direkte Berührung einen nicht unerheblichen Schmerz hervorbrachte. Dieter lehnte sich an den Baum an, mit dem er bereits Bekanntschaft geschlossen hatte, und überlegte, was er nun machen sollte. Noch immer regnete es, aber wenigstens hatte der Regen soweit nachgelassen, dass er keine Luftbläschen in den Wasserpfützen mehr bildete. Dennoch konnte Dieter nicht damit rechnen, dass in absehbarer Zeit Passanten den Weg entlangkamen, die er um Hilfe bitten konnte. Sein Handy hatte er natürlich nicht mitgenommen. Warum denn auch, wenn bitte sollte er an einem Sonntagmorgen anrufen, und angerufen wurde er sowie so gut wie nie.
Bisher war er immer stolz, dass er nicht so von diesem elektronischen Zeug abhängig war, dass er recht gut ohne diese Bürde der modernen Menschheit zurechtkam. Es versetze ihn regelrecht in Angst und Schrecken, wenn er beobachtet, dass vor allem junge Menschen kaum eine Sekunde ohne ihr Handy auskamen. Er fragte sich immer was es denn bitteschön ständig an diesem Ding herumzudrücken oder hineinzuglotzen gab. Wie lange wird es wohl noch dauern, bis die Menschen überhaupt kein direktes Wort mehr miteinander sprachen, sondern nur noch E-Mails oder SMS oder sonst irgendein Zeug schrieben. In diesem Moment musste er allerdings zugeben, dass es durchaus hilfreich wäre ein Handy bei sich zu haben. Er tröstete sich damit, dass er bei seinem Glück ohnehin kein Netz gehabt hätte.
Mühsam krabbelte er auf allen Vieren die Böschung hoch, die er noch vor wenigen Minuten hilflos auf seinem sauteuren Fahrrad sitzend hinunter gedonnert war, vergaß allerdings, den Socken aus der Hand zu nehmen, wodurch dieser erheblich mit Schlamm beschmutzt wurde. Oben angekommen überlegte er sich kurz ob er den Socken wechseln sollte, entschied sich aber dagegen, da ihm dies zu mühsam erschien. Er richtet sich so gerade auf wie es ihm im Augenblick möglich war. Er überlegte kurz (er zählte noch nie zu der Sorte Mensch, die sich mit langen Überlegungen aufhielt) ob er lieber aufwärts oder abwärts gehen sollte, und entschloss sich, nach oben zu gehen, da dies der kürzere Weg sein musste.
Es tat ihm im Herzen weh, sein sauteures Fahrrad zurückzulassen, aber es war ihm klar, dass er es unmöglich schaffen konnte das Ding den Berg hoch zu zerren. Kürzer erwies sich jedoch recht schnell als relativ. Es kostet Dieter alle Kraft, dem immer noch recht steilen Weg Richtung Gindelalm zu folgen, und er fragte sich erneut, warum Menschen ihren Gastronomiebetrieb unbedingt auf einen Berg setzen mussten. Wahrscheinlich, weil die Menschen, wenn sie oben angekommen waren völlig ausgehungert und vor allem ausgetrocknet waren, und dadurch der Umsatz pro Gast stieg. Allerdings war die Anzahl der Gäste geringer, da es vielen Menschen sicherlich vermieden eine solche Strapaze auf sich zu nehmen. Dieter riss sich von seiner wirtschaftlichen Überlegungen los, da er einsah, dass das nicht bringen konnte, und konzentrierte sich wieder auf die Bewältigung des Aufstiegs, wobei er entschied ganz bestimmt nichts in diesem Etablissement zu bestellen sollte er jemals ankommen.
Er war inzwischen so erschöpft, dass er noch nicht einmal bemerkte, dass der Regen aufgehört hatte. Schritt für Schritt quälte er sich den Berg hoch. Sein Socken war inzwischen völlig durchgeblutet, sodass das Blut vermischte mit dem ebenfalls am Socken hafteten Schlamm bereits heraustropfte und auf seinem T- Shirt landete welches ohnehin schon völlig verdreckt war. Blut und Schlamm bildete auf seinem T- Shirt ein obskures Muster, dass man mit etwas gutem Willen als moderne Kunst betrachten konnte, dass, wäre es von einem berühmten Künstler kreiert worden, sicherlich bei irgendeiner Auktion viel Geld eingebracht hätte. Überhaupt gab er eine äußerst klägliche Figur ab, über und über mich Schlamm und Blut verschmiert, übersät mit kleineren und größeren Schürfwunden, welche in seinem Gesicht den Höhepunkt erreichten, eine Nase aus der das Blut wie aus einem Wasserfall sprudelte, und deren Ausrichtung in Bezug auf den Rest seines Gesichtes sich deutlich geändert hatte. Man konnte auch ohne genau hinzusehen eine deutliche Tendenz nach rechts erkennen. Endlich erreichte Dieter den Linksknick des Weges den er tatsächlich mochte, und den er sich im Laufe der Zeit eingeprägt hatte und von dem er wusste, dass es der letzte war, bevor diese verdammte Gindelalm endlich auftauchte. Aufgrund des schlechten Wetters saß kein Gast auf der Terrasse und Dieter konnte unbemerkt den Eingang erreichen.
Mit letzter Kraft stieg er die wenigen Stufen hoch und drückte die Türklinke nach unten. Mit einem leichten Quietschen öffnete die Tür. Der Gastraum sah aus, wie der Gastraum einer Bergalm aussehen muss. Klobige mit einer undefinierbaren Patina überzogene Tische und Stühle bildeten die Grundausstattung. An den Wänden standen Sitzbänke gleicher Machart und die Decke zierten aus Hirsch- oder Rehgeweihen hergestellte Lampen, die eine