Amsterdam. Uwe Hammer
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„Hallo Frau Dr. Karlmann Frei“ hauchte die Resolute plötzlich deutlich leiser in den Hörer.
„Ihr Mann?“ gab die inzwischen weniger Resolute fast schon kleinlaut von sich und blickte fragend in die meist desillusionierten Gesichter der Patienten, deren gesundheitlicher Zustand nicht als lebensbedrohlich eingestuft wurde, und die daher Stunden damit verbrachten darauf zu warten, endlich aufgerufen zu werden.
Vermutlich lag der langen Wartezeit die Hoffnung zu Grunde, dass einige Verletzungen von allein heilen könnten, beziehungsweise, dass der Patient inzwischen versterben könnte und sich so eine Behandlung ohnehin erübrigt hatte. Als ihr Blick auf Dieter fiel, hob er den rechten Arm und zeigte schon fast provokativ mit dem Daumen in Richtung seines Körpers. Die ehemals Resolute riss erschrocken und zugleich fragend die Augen auf, was Dieter zu einem leichten Kopfnicken veranlasste.
Diese kaum wahrnehmbare Bewegung lieb bei der inzwischen eher Kleinlauten als Resoluten jeglichen Zweifel versiegen und stattdessen Angstschweiß auf deren Stirn auftauchen. Dieter bekam fast Mitleid mit der Kleinlauten, da er wusste, wie unangenehm seine Frau werden konnte, wenn ihr etwas gegen den Strich ging und die Kleinlaute inzwischen fast schon Ängstliche scheint dies auch zu wissen.
„Ist der potentielle Nasenbruch ihr Mann Frau Dr. Karlmann Frei?“ gab die Ängstliche mit nicht zu übersehender Panik in den Augen von sich.
Einige Sekunden war von der Ängstlichen nichts mehr zu hören. Wenn man genau hinhörte, konnte man Claudettes Stimme hören, und Dieter wusste, dass diese sehr laut schreien konnte. Was das Schreien angeht, war Claudette wie ein in Zorn geratenes Baby, trotz ihrer eher zierlichen Statur war sie in der Lage eine Lautstärke zu produzieren, die man nicht für möglich halten würde, würde sie einem nicht gerade fast das Trommelfell in Stücke reißen. „Natürlich Frau Dr. Karlmann Frei“; wir kümmern uns sofort, wenn ich gewusst hätte.
Die arme Ängstliche konnte immer nur mit halben Sätzen antworten bevor sie von Claudette erneut niedergeschrien wurde. Es rührte Dieter fast ein wenig, dass sich Claudette seinetwegen so ins Zeug legt. Aber wahrscheinlich ging es nicht um Ihn, sondern um ihren Ehemann, und der war zumindest aus Claudettes Sicht einfach auch der Tatsache heraus, dass er ihr Ehemann war, bevorzugt zu behandeln. Endlich hatte Claudette mit der inzwischen völlig Eingeschüchterten erbarmen und gab ihr die Möglichkeit aufzulegen. Schon während des Aufstehens und des sich auf ihn Zubewegens konnte Dieter die Rückverwandlung der gerade eben erlebten Metamorphose von der Resoluten zur Ängstlichen erleben, wobei sie die Resolute zu überspringen schien, um sich sofort in die Zornige zu verwandeln.
„Wieso haben Sie das nicht gleich gesagt“ herrschte sie Dieter an.
„Ich wusste nicht, dass das von Belang ist“, gab Dieter kleinlaut zurück.
Um die angespannte Situation etwas aufzulockern, schob er noch die als humoristisch geplante Einlage
„Unsere Kanzlerin sagt doch immer es gibt keine Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland“.
Die Zornige sah ihn noch zorniger an, als dies zuvor der Fall gewesen war, und antwortete ihm wieder in dem ihr eigenen Tonfall
„Sie glauben wohl auch dass die Renten sicher sind“
Dieter war erstaunt, dass die Resolute wohl über so etwas wie Humor verfügte, und konnte ein Grinsen nicht verhindern, was auch die Resolute dazu veranlasste ein kaum wahrnehmbares Lächeln über ihr Gesicht huschen zu lassen bevor sie Dieter mit einem kurzen
„Mitkommen“, aufforderte ihr zu folgen.
Von den Anwesenden traute sich keiner zu erwähnen, dass er bereits deutlich länger die angenehme Atmosphäre des Wartezimmers als der soeben Aufgerufene genießen durfte, was bei der augenblicklichen Laune der Resoluten wohl eine sofortige Herabstufung der Dringlichkeit und damit eine automatische Aufenthaltsverlängerung in besagtem Wartezimmers zu Folge gehabt hätte. Die Resolute führte Dieter in ein Behandlungszimmer, wies ihn an Platz zu nehmen und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum. Dieter blickte sich um, konnte aber nichts entdecken, dass es verdient hätte näher untersucht zu werden, und ließ sich erschöpft auf einen Stuhl sinken. Es dauerte noch etwas fünf Minuten, bis ein forscher junger Arzt den Raum betrat und ihm seine Hand entgegenstreckte.
„Sie sind der Mann von Frau Dr. Karlmann Frei“ gab der Arzt im gleichen Augenblick von sich und Dieter bildet sich ein, so etwas wie Mitleid im Blick des jungen Arztes zu erkennen.
„In erster Linie bin ich Dieter Frei, und erst in zweiter Linie der Ehemann von Frau Dr. Karlmann Frei“ gab Dieter etwas zu genervt zu Antwort.
Der junge Arzt der es vermied seinen Namen zu nennen, wahrscheinlich, dass es später erschwert wurde ihn aufgrund eines Behandlungsfehlers zur Rechenschaft zu ziehen, wie Dieter vermutet, ignorierte Dieters Aussage völlig.
„Ein ganz hervorragende Kollegin, wenn ich das einmal erwähnen darf“
Dieters Blutdruck begann merklich zu steigen, was einen erhöhten Blutfluss aus seiner Nase zur Folge hatte, wodurch der junge Arzt darauf aufmerksam wurde, dass Dieters Erscheinen im Krankenhaus seine Ursache nicht darin hatte ein Gespräch über seine Frau zu führen.
„Wie ich sehe haben sie sich an der Nase verletzt“, meldete sich der junge Arzt offensichtlich sachkundig zu Wort.
„Am besten wir machen eine Röntgenaufnahme, um zu sehen, ob die Nase gebrochen ist“.
Dieter wusste auch ohne Röntgenaufnahme, dass dies der Fall war, vermied es aber den jungen Arzt zu verunsichern.
„Schwester Sylvia wird sie zum Röntgen bringen“.
Der junge Arzt nahm das Telefon, um Schwester Sylvia über ihren neuen Auftrag zu informieren. Dieters Hoffnung auf eine junge, hübsche, mit einem etwas zu engen Oberteil bekleideten Krankenschwester wurde jäh zu Nichte gemacht, als die Resolute die Tür aufriss und diese dabei fast aus den Angeln gerissen hätte.
„Sind sie etwa Schwester Sylvia“ gab Dieter idiotischer Weise von sich, und konnte den enttäuschten Unterton nicht unterdrücken.
„Nein, ich bin der Engel der sie ins Paradies führen soll“ gab Schwester Sylvia zu Antwort.
„Humor hat sie“, dachte Dieter und vielleicht werden sie ja sogar noch Freunde, jetzt wo sie schon fast per Du waren, er und Sylvia. Auf die bereits bekannte prägnant formulierte Aufforderung
„Mitkommen“, lief Dieter ihr wie ein Ehemann seiner Frau auf Shoppingtour unbeteiligt, aber ängstliche hinterher.
Die Röntgenuntersuchung brachte das zu Tage was ohnehin Allen bekannt war. Die Nase war gebrochen und zwar zwei Mal. Dieter musste eine unangenehme und zeitweise durchaus schmerzhafte Behandlung über sich ergehen lassen, bei welcher seine Nase mehrfach ausgerichtet wurde, um schließlich mit einer Art Schiene fixiert zu werden, welche ihrerseits mit Hilfe eines überdimensionalen Pflasters mit seinem völlig verunstalteten Gesicht eine wahrscheinlich unlösbare Verbindung einging.
Das dieses hierbei über diverse höllische brennende Schürfwunden geklebt werden musste schien Schwester Sylvia nicht