Amsterdam. Uwe Hammer

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Amsterdam - Uwe Hammer

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er eigentlich überhaupt keine Gefühle bezüglich seiner Lebenssituation, die er im Stande gewesen wäre einzuordnen. Er lebte einfach so vor sich hin. Sein Leben hatte weder Höhepunkte noch Tiefpunkte. Es war weder heiß noch kalt, es war einfach lauwarm und hatte allenfalls kältere oder wärmer Strömungen, wie man sie vom Baden in einem See kannte. Sein Leben war eben sein Leben basta.

      Vor einiger Zeit hatte ihn Matthias einmal gefragt, was ihn an seinem Leben eigentlich gefiel und Dieter musste erschreckt feststellen, dass ihm nichts einfiel, nichts dass er aufführen konnte, weder spontan noch nach reiflicher Überlegung. Ausgerechnet Matthias stellte so bescheuerte Fragen dachte Dieter bei sich, der den ganzen Tag in seiner Werkstatt hängt und an irgendwelchen alten Autos herumbastelt, der nicht einmal verheiratet war, der so weit Dieter wusste auch niemals eine Beziehung zu einer Frau hatte, was wusste der schon vom Leben, ein Eremit, gefangen in einer Werkstatt umgeben von alten vor sich hin rostenden Autos.

      Und dennoch dachte Dieter bei sich, wenn es auch schwer vorstellbar war, Matthias machte eigentlich einen ausgeglichenen Eindruck, vielleicht war er sogar zufrieden so wie sein Leben war, vielleicht wollte er es genauso haben. Er hatte sein Dasein als Eremit selbst gewählt und schien sich damit arrangiert zu haben. Ob er wirklich glücklich damit war wusste Dieter nicht, genau genommen war er nicht einmal sicher ob er wusste was glücklich sein war. Gesprochen hatte er bisher mit Matthias nie über dessen Gefühle, über das was in ihn vorging. Er kannte Matthias schon so lange und wusste im Grunde nichts von ihm.

      Endlich erbarmte sich erneut der Schlaf und riss ihn aus seinen deprimierenden Gedanken. Lebensfreunde konnte so deprimierenden sein, vor allem wenn es die Lebensfreude anderer ist. Die raue Stimme seiner Beinahe-Freundin Schwester Sylvia riss ihn aus einem unruhigen Schlaf. Sie hatte endgültig die ihr eigene Robustheit wiedererlangt und die Vorkommnisse des gestrigen Abends wohl unbeschadet überstanden.

      „So Herr Frei, wie geht es uns denn heute?“

      „Wie es ihnen geht weiß ich nicht, mir geht es soweit ganz gut“, antwortete Dieter mit einem Grinsen auf dem Gesicht ob seines seiner Meinung nach recht gelungen Scherzes, insbesondere wenn man bedenkt, dass er gerade erst die Augen geöffnet hat.

      Schwester Sylvia teile die Begeisterung über seinen Scherz nicht und zog es vor, nicht näher darauf einzugehen. Stattdessen knallte Sie ihm das Tablett mit seinem Frühstück auf den neben dem Bett stehenden Tisch.

      „Ich nehme an sie können zum Essen aufstehen.“

      Ohne ein weiteres Wort, drehte sie sich um und verließ das Zimmer. Dieter musste an seine Begegnung am gestrigen Abend denken. War es möglich, dass sein Engel gar nicht existierte und gestern Abend auch Schwester Sylvia in sein Zimmer kam, um nach ihm zu sehen? Nein so sehr kann er nicht neben der Spur gewesen sein. Dieter stand auf und setze sich an den kleinen schmucklosen Tisch auf dem das Tablett mit seinem Frühstück stand, das aus zwei äußerst dünn geschnittenen Scheiben Brot bestand, die wohl nur so dünn geschnitten werden konnten da das Brot aufgrund seines bereits fortgeschrittenen Alters die erforderliche Schnittfestigkeit aufwies.

      Dazu wurde eine Scheibe Käse, und eine Scheibe Wurst gereicht, die ebenfalls eine erstaunliche Filigranität aufwiesen. Für Süßfrühstücker wurde noch ein kleines Schälchen Marmelade genau genommen Erdbeermarmelade dazugelegt. Der ebenfalls im Umfang des opulenten Frühstücks enthaltene Kaffee schaffte es geschickt, seine wahre Existenz zu verbergen und überließ es der Phantasie des Konsumenten einzuordnen um welche Art Heißgetränk es sich tatsächlich handelte.

      Der Anblick seines Frühstückes ließ in Dieter die Gewissheit reifen, dass die allgemeine Finanznot der Krankenkassen nicht durch die Verpflegung der Krankenhauspatienten verursacht wurde. Dieter nippte vorsichtig an der mit Heißgetränk gefüllten Tasse und war zumindest darüber erfreut, dass das servierte Getränk tatsächlich die Temperatur eines Kaffees aufwies, wobei sich hiermit die Übereinstimmungen mit einem ihn an Kaffee erinnerndes Getränk auch bereits erschöpft hatte, wie er nach dem ersten vorsichtigen Schluck angewidert feststellte. In diesem Augenblick betrat seine Frau Claudette bewusst, ohne anzuklopfen das Zimmer.

      „Was hast Du denn da?“ rief sie erschrocken aus, als sie das Tablett vor Dieter erblickte.

      „Soll wohl ein Frühstück sein“, gab Dieter zurück.

      „Das sehe ich auch, ich bin ja nicht blöd“

      „Ich dachte nur weil Du gefragt hast wäre es höflich zu antworten. Im Übrigen geht es mir ganz gut, nur um die Antwort auf deine zweite Frage vorweg zu nehmen“

      Claudette war indes mit weitaus wichtigeren Dingen befasst wie das Wohlergehen ihres Mannes

      „Das hat bestimmt Schwester Sylvia gebracht“, äußerte Claudette ihren Verdacht mit einem fast schon hasserfüllten Unterton. „Richtig“ „Das macht die doch mit Absicht! rühre das Zeug bloß nicht an“, ermahnte Claudette Dieter eindringlich, als bestünde Vergiftungsgefahr.

      „Zu spät, ich habe schon einen Schluck von diesem Zeug getrunken muss ich jetzt sterben?“ gab Dieter mit einem breitem Grinsen zurück.

      “Hast Du heute einen Clown gefrühstückt oder was? „fauchte Claudette ihn an während sie wutentbrannt das Tablett vom Tisch riss und dabei einen nicht unerhebliche Menge des Kaffeeersatzgetränkes vergoss.

      Es dauerte nicht lange und Claudette kam mit einem Frühstückstablett, genau genommen war es ein Frühstücksbuffet das auf einem kleinen aus drei Tabletts bestehenden Servierwagen drapiert war, mit einem nicht zu übersehenden Stolz zurück. Auf die Beschreibung der einzelnen Bestandteile des Privatpatientenfrühstückes wird hier bewusst verzichtet, da dies den Rahmen sprengen würde und den gemeinen Kassenpatient unter den Lesern zudem noch in eine tiefe Sinnkrise stürzen könnte.

      „Der Kaffee fehlt,“ stellte Dieter wenig beeindruckt fest.

      „Der wird frisch gebrüht und sollte jeden Moment kommen. Ich habe Dir einen Milchkaffee aus 100% Arabikabohnen bestellt, wenn es recht ist“

      „Ist es meine Liebe“ gab Dieter in der Manier eines englischen Adligen aus dem 19 Jahrhundert zurück.

      Kurz darauf klopfte es an der Tür und auf das eher unfreundliche

      „Herein“, von Claudette betrat völlig unerwartet Dieters ganz persönlicher Engel den Raum.

      Ihr Gang konnte wahrlich als elfenhaft bezeichnet werden und wurde von einer leichten fast schon tänzerischen Beckenbewegung sehr dezenten untermauert. Dieter verlor für einen kurzen Moment das Bewusstsein, und war nicht mehr in der Lage, seinen Blick bewusst zu steuern, so dass dieser sich völlig auf den Busen des Engels fokussierte.

      „Ihr Kaffee Herr Frei, ich hoffe er ist recht“.

      Hätte Dieter in diesem Augenblick von der hübschen jungen Krankenschwester vernehmen können, wäre er bei Bewusstsein gewesen. Auch die dazugehörige Lippenbewegung konnte er in diesem Moment nicht wahrnehmen, da sich diese knapp oberhalb seines Gesichtsfeldes befand. Claudette bemerkte den apathischen Zustand ihres Ehegatten und versuchte mit einem gezielt gesetzten Ellenbogenhieb ihren Mann wieder in die reale Welt zurückzuholen. Unter normalen Umständen hätte sie wohl auch Erfolg damit gehabt, wenn sich der Engel nicht genau in diesem Augenblick umgedreht hätte, um den Weg aus dem Zimmer in Angriff zu nehmen.

      Diese ebenfalls elfengleiche Bewegung versetzte Dieter erneut in eine tranceähnlichen Zustand in welchem er lediglich in der Lage war, sein Gesichtsfeld der Art zu justieren, das er den, den Busen in nichts nachstehenden, Hintern seines persönlichen Engels ins Zentrum seines Bewusstsein rücken konnte. Aus dieser

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