Amsterdam. Uwe Hammer
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„Du siehst richtig scheiße aus“ schleuderte Sie ihm die ganze Wahrheit unbarmherzig ins Gesicht
„Hoffentlich wächst die Nase wieder einigermaßen gerade zusammen, so ein Nasenbeinbruch kann eine ziemlich entstellende Sache werden“ ergänzte sie ihre Ermutigung.
„Danke, mir geht es gut“ antwortete Dieter, ohne auf das Gesagte einzugehen.
„Hast du dem behandelten Arzt gesagt, dass du unter lokaler Amnesie leidest?“
„Nein habe ich vergessen.“
„Vergessen? das ist wichtig, mit einer Gehirnerschütterung ist nicht zu spaßen“
Ohne ein weiteres Wort sprang sie auf, und ging zu Schwester Sylvia, die sie wohl in der Erwartung weiterer tadelnder Wort ängstlich ansah. Das Claudette nur wissen wollte wer der behandelte Arzt sei, hatte eine überaus beruhigende Wirkung auf Schwester Sylvia. Man konnte die sich in Schwester Sylvia ausbreitende Erleichterung fast greifen, welche fast freudig bereitwillig Auskunft gab. Claudette verließ nach einem kurzen Gespräch Schwester Sylvia und betrat ohne anzuklopfen eines der Behandlungszimmer in welchem sich der junge Arzt befand, dessen Namen Dieter immer noch nicht wusste, denn er aber unbedingt noch in Erfahrung bringen wollte, falls seine Nase tatsächlich nicht mehr ihre ursprüngliche Schönheit erlangen sollte. Nach kurzer Zeit kam Claudette wieder aus dem Behandlungszimmer, den jungen Arzt ohne Name im Schlepptau.
Dieser wirkte etwas aufgelöst und steuerte nervös auf Dieter zu.
„Herr Frei, Frau Dr. Karlmann Frei hat mich soeben informiert, dass sie unter einer lokalen Amnesie leiden“ wobei er ihn fast schon vorwurfsvoll ansah.
Dieter konnte sich nicht erinnern, den Begriff lokale Amnesie wobei es sich genau genommen um zwei Begriffe handelt, so oft in einem so kurzen Zeitraum gehört zu haben.
„Leiden kann man das eigentlich nicht nennen“ versuchte Dieter den jungen Arzt ohne Name zu beruhigen.
„Rede keinen Blödsinn“ ,blökte Claudette die sich direkt hinter dem jungen Arzt ohne Namen verschanzte, der wie Dieter soeben entdeckte doch einen Name hatte, welcher auf dem am Kragen seines weisen Kittels befestigten Namensschild zu lesen war und Müller lautete.
Dr. Müller fuhr erschreckt herum und starrt Claudette ungläubig ob deren durchaus vulgären Ausdrucksweise an. Es dauerte nur knapp eine Sekunde bis Dr. Müller realisierte, dass Claudette dieser entgeisterte Blick nun so überhaupt nicht behagen wollte, was Dr. Müller dazu veranlasste, jenen entgeisterten Blick wieder auf Dieter richtet
„Unter diesen Umständen sehe ich es als angemessen an, wenn wir sie zur Beobachtung ein oder zwei Tage hierbehalten.“
„Sehe ich genauso“, stimmte ihm Claudette zu, wodurch Dieters Schicksal endgültig besiegelt war.
Kurze Zeit später fand sich Dieter im Bett eines schlicht eingerichteten Krankenzimmers wieder. Natürlich ein Einzelzimmer wofür sicherlich Claudette gesorgt hat, dachte Dieter. Aber eigentlich war er ihr dankbar dafür, so hatte er jetzt wenigstens seine Ruhe. Schon nach kurzer Zeit schlief er ein, die Geschehnisse des Tages hatten ihn offensichtlich sehr mitgenommen. Während er schlief hatte er plötzlich wieder die gleiche Vision die er kurz nach seinem Unfall hatte.
Wieder schien die Sonne strahlenden hell und Dieter fuhr mit einem seltsam anmutenden Fahrrad fröhlich vor sich hin pfeifend eine wunderschöne Allee entlang, die dem Lauf eines friedlich dahinfließenden Flusses folgte. Dieses Fahrrad war wirklich seltsam dachte Dieter im Traum, falls man im Traum überhaupt denken kann. Es hatte auf der Hinterachse zwei Räder und war hinten mit einem Aufbau versehen der einem Kofferraum glich. Aber das Schönste war, dass es fast von allein fuhr. Wieder hielt er an einer besonders schönen Stelle an, und wieder unter einem großen Baum, eine Eiche oder war es doch eine Buche. Dieter kannte sich nicht besonders gut mit Bäumen aus. Ist doch wirklich absolut egal ärgert sich Dieter, dass er sich sogar im Traum mit solchen Belanglosigkeiten aufhielt. Und wieder klappte er den hinteren Aufbau auf, wodurch dieser zu einer Liegefläche wurde, baute das in Aufbau neben allen möglichen Utensilien verstaute Zelt auf, und legt sich Schlafen. Genau als er in seiner Vision oder war es nur ein Traum einschlief, wachte er in seinem realen Leben auf. Orientierungslos schaute er sich um.
Nein er lag nicht in einem Zelt unter einer Eiche oder Buche oder was auch immer für einen verdammten Baum, nein er lag in diesem schmucklosen Krankenzimmer und betrachtet das Kreuz, das direkt gegenüber seinem Bett an der Wand befestigt war. Lange starrte er vor sich hin und versuchte seine Gedanken zu sortieren. Erst jetzt erinnerte es sich daran, dass er genau diese Vision, allerdings lag er in dieser unter einer Linde, da war er sich ziemlich sicher, direkt nach seinen Fahrradunfall schon einmal hatte. Dieter war sichtlich verwirrt, er konnte das Erlebte nicht einordnen, versuchte dem Ganzen einen Sinn zuzuordnen, was ihm aber nicht gelang. Also beschloss er, dass es einfach nur Unsinn war, ein Traum und sonst nichts. Ein Seltsamer zwar, aber eben doch nur ein Traum. Dennoch spürte er, dass ihn dieser Traum mit einer nie gekannten Zufriedenheit, ja fast könnte er von einem Glücksgefühl sprechen, erfüllte. Immer noch starrte Dieter unbewusst das Kreuz an der Wand gegenüber an, ohne es wirklich wahrzunehmen.
„Jesus ist für Dich am Kreuz gestorben, aber er ist auch für Dich auferstanden“, riss ihn eine freundlich klingende Stimme aus seinen Gedanken.
Dieter zuckte etwas zusammen als er völlig unerwartet eine Stimme hörte.
„Oh entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken, mir ist nur aufgefallen, dass Sie das Kreuz so intensiv ansehen. Ich bin Schwester Margot und wollte nur kurz nach ihnen sehen“, erklang erneut die freundliche Stimme.
Als Dieter sein Gesichtsfeld nach dem Ausgangspunkt des soeben Gehörten ausrichtet, blickt er unversehens in das freundliche Gesicht einer jungen Frau. Sie war nicht wirklich eine Schönheit und wird sicher niemals auf dem Titelblatt einer Zeitschrift zu sehen sein, die sowieso niemand liest. Dennoch verschlug ihm ihr Anblick kurzfristig die Sprache. Es war eine besondere Art von Lebensfreude eine tiefe Zufriedenheit mit sich und der Welt, die von ihr ausging, die ihm aus ihren Augen entgegen strahlte, die ihn in ihren Bann zog, und die sie auf ihre Art doch zu einer Schönheit machte.
Eine Schönheit die eine Kamera nicht einzufangen vermochte, die nur in der Realität existierte, die man nur erkannte, wenn man in ihrer Nähe war und die sie wie eine Aura umgab. Wenn er an Engel glauben würde, dann wäre er wohl heute Einem begegnet. Dieter musst sich zwingen sie nicht anzustarren, er versuchte zwanghaft irgendetwas zu sagen, aber es fiel ihm nichts ein, dass es wert gewesen wäre einem Engel mitzuteilen. Und so kam es eher trotzig aus ihm heraus: „Ich habe nicht auf das Kreuz gestarrt. Es ist mir gar nicht aufgefallen, dass hier überhaupt eins hängt“. Gab es in einem jetzt fast verlegenen Ton von sich. Der eigentlich nicht existierende Engel sah ihn nur mit einem Lächeln welches die Freundlichkeit der ganzen Welt in sich zu vereinigen schien an. „Versuchen sie noch ein wenig zu Schlafen ich schaue später nochmal nach ihnen“ Dann verließ er das Zimmer. Dieter hatte das Gefühl, dass er etwas von seiner Aura zurückgelassen hatte, etwas dass ihn in eine innerer Unruhe versetze, dass ihn unweigerlich dazu zwang seine eigenes Leben reflektieren zu müssen. Lebensfreude war etwas das Dieter nicht kannte.
Klar gab es Augenblick in denen es sich wohlfühlte, die er als schön empfand, die er manchmal sogar genießen konnte Aber eine wirkliche Freude zu empfinden einfach nur weil man lebte, eine Freude auf den nächsten