"dein Gott, ist drinnen bei dir" (Zefanja 3,17) Spirituelle Profile. Markus Roentgen
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Es lebte zu jener Zeit am Porphyrgebirge der heilige Piterum, treubewährt in tugendhaftem Wandel. Zu diesem trat ein Engel und sagte: ‚Was bist du stolz auf deine Frömmigkeit und dein weltfernes Leben? Willst du ein Weib sehen, das frömmer ist als du, so geh nach dem Frauenkloster der Mönche von Tabennese! Dort wirst du eine finden, die einen Lumpen um den Kopf gebunden hat: diese ist besser als du; denn obgleich sie von dieser Menge alle Unbill erfährt, hat sie niemals ihr Herz von Gott gewendet; du dagegen sitzest hier, deine Gedanken aber schweifen in den Städten umher.‘ Obgleich er niemals die Zelle verlassen hatte, begab er sich zum genannten Kloster und bat die Lehrer, ihm den Eintritt zu gestatten. Ob seines ausgezeichneten Rufes und hohen Alters trugen sie kein Bedenken, ihn einzuführen. Er ging also hinein und wünschte alle zu sehen. Doch jene war nicht dabei. Er sagte zuletzt: ‚Stellt mir alle vor; es fehlt noch eine.‘ Sie sagten: ‚Eine haben wir noch drinnen in der Küche; aber die ist närrisch (salé).‘ Er sagte: ‚Führt sie herein; ich möchte sie sehen.‘ Sie gingen hinaus und sagten es ihr; doch sie weigerte sich; sie ahnte wohl, dass ihr Geheimnis verraten werde. Die anderen aber zogen sie mit Gewalt und sagten:‘ Der heilige Piterum wünscht dich zu sehen.‘ Sein Name war nämlich überall bekannt. Als er sie nun mit dem Lumpen am Kopf eintreten sah, fiel er ihr zu Füßen und sagte: ‚Segne mich!‘ Ebenso fiel ihm jene zu Füßen und sagte: ‚Segne du mich, Herr!‘ Da gerieten alle außer sich und sprachen zu ihm: ‚Vater, lass dich doch nicht zum besten halten! Sie ist ja närrisch!‘ Da sagte Piterum zu allen: ‚Ihr seid närrisch; denn sie ist meine und eure Mutter – so nennt man jene, die ein Leben des Geistes führen -, und ich wünsche nur ihrer würdig befunden zu werden am Tag des Gerichtes.‘ Als sie das hörten, fielen sie jener zu Füßen, und jede gestand ein anderes Vergehen: die eine, sie habe sie mit Spülwasser begossen; die andere, sie habe sie geschlagen, so dass sie blaue Flecken bekam; wieder eine andere, sie habe ihr die Nase mit Senf bestrichen; kurz, jede hatte auf andere Weise tollen Übermut getrieben an ihr. Da betete Piterum für alle und ging. Weil aber jene nicht Ruhm und Ehre bei den Schwestern genießen wollte und die vielen Abbitten lästig fand, entwich sie nach wenigen Tagen aus dem Kloster. Wohin sie ging, wo sie sich verbarg und wo sie gestorben ist, hat niemand erfahren.“13
13 Michel de Certeau Zitiert nach: Palladius von Helenopolis (gestorben vor 413 n. Chr.), Leben der Väter (Historia lausiaca).
Michel der Certeau kommentiert: „Eine Frau also. Nie verlässt sie die Küche. Nie hört sie auf, etwas zu sein, was mit Nahrungszerkleinerung und –abfall zu tun hat. Davon ernährt sie ihren Körper. Sie lebt davon, dass sie nichts ist als dieser verächtliche Gegenstand, das ‚Nichts‘, das Abschaum ist.“ (Vgl. hierzu auch Paulus in
1 Kor 4, 12 f., wo „Kehricht der Welt, Ab-schaum“, der Schmutz aller zu werden Form der Nachfolge des Lebens Christi, göttliches In-Der-Welt kennzeichnet: „ Geschmäht werden wir und lobpreisen; gejagt werden wir und halten aus; verleumdet werden wir und ermutigen. Wie aus der Welt Ausgestoßene sind wir geworden; Abschaum für alle – bis jetzt.“ (1 Kor 4, 12 f. – Anm. Markus Roentgen).
Certeau kommentiert weiter: „das ist es, was sie ‚vorzieht‘: der Schwamm zu sein. Um den Kopf hat sie einen Lumpen gewickelt, zwischen ihr und dem Abfall besteht kaum ein Unterschied, sie ‚isst‘ nicht, nichts trennt ihren Körper vom Müll. Sie ist dieser Rest, endlos, unendlich. (…) ist die Verrückte ganz und gar in dem symbolunfähigen Ding, das der Sinngebung Widerstand leistet. Sie nimmt die bescheidensten Funktionen des Körpers auf sich und verliert sich im Unerträglichen, das noch unter aller Sagbarkeit ist.“14
14 Ebd., S. 57.
Umkehrung Gottes zur Welt (Weihnachten – Karfreitag, Karsamstag; Trog und Schandkreuz), Umkehrung von oben und unten auch hier im Text.
Der verehrte Mönch Piterum auf der Höhe, ein spiritueller Aufsteiger – sein Ort, das Porphyrgebirge; er muss aufs Geheiß des Engels absteigen zur namenlosen, diese Frau unten, Küchenexistenz, Abfallwesen.
Das Ver-rückte von Ostern kann nur erahnt werden aus solchen Umkehrungen der gewohnten religiös-spirituellen Sichtungen: „töricht werden, um Weise zu werden“ (Paulus 1 Kor 3, 18).
Und in nochmaliger Steigerung die nochmalige Weigerung der Närrin: Sie lässt sich nicht einbinden in ein „Aschenputtel-Happy -End“, nachdem Piterum sie erkennt, vor ihr kniet und sie als „Heilige“ enttarnt vor den Mitschwestern. Sie entzieht sich. Sie bleibt die namenlose nur Gottalleinbezogene; unbedingte Verweigerung jeglicher Anerkennung als Heilig mitten in Welt! Sie entzieht sich der österlichen Wendung in den Augen der Welt aus Kloster, Kirche und „heiligem Mann“!
Sie geht aus der Geschichte, aus dem Symbolzusammenhang, aus der Signifizierung heraus. Ihr Grab ist unbekannt!!!
Gänzlicher Ex-zess (Außer Sich) – Nicht-Ort!
„Diese Frau kann nicht da sein – da, wo sie der Diskurs der Gemeinschaft hinstellt.“15
15 Ebd., S. 65.
Die Torheit dieser Frau beharrt auf der Nichtinklusion ihrer ex-zessiven, ek-statischen Gottbindung zu den etablierten Konventionen, Ritualen, Symbolisationen, Kommunikationsformen von Kirche und Welt.
Sie ist die Irritation schlechthin zu jeglicher Gottgewissheit, sie ist das Gott offen nackt und bloß ohne Rückversicherung, Nachfolge der radikalen Selbstentblößung Gottes, Aussetzung Gottes im Wahnsinn des Liebens bis zum Ex-zess an das Weltganze: Krippe, Leiden, Kreuz – Torheit Gottes zum Tor für alle Welt: unverfügbar, unvermittelbar: Ostern –
Literatur:
Michel de Certeau, Mystische Fabel, Berlin 2010, S. 54-80.
Augustinus „Confessiones”
Unruhe als Sehnsucht nach Gott
Leben und Werk I
Am 13. November 354 wird Augustinus in Tagaste (im heutigen Algerien) geboren. Er ist ein Mann der Spätantike, der in einer Zeit von Bedrohung und Erschütterung lebt.
Vieles in seinem Denken und Lehren ist zeitbezogen und befremdet heute, vieles ist von bleibender Aktualität, bisweilen aufwühlend heutig, so dass 1650 Jahre Zeitdistanz wie aufgehoben erscheinen.
Menschen mit großer innerer Unruhe und mit dem Verlangen und der Sehnsucht nach Gott finden Widerhall im Kern und Keim dieses Nordafrikaners, Theologen, Bischofs und Heiligen der Kirche.
Er lebt in der Zerfallszeit eines Weltreiches. Als 410 die Eroberung Roms durch Alarichs Goten dieser Endzeit des römischen Reiches den Stempel aufdrückt, erschüttert dies ebenso auch die nordafrikanische römische Provinz – und als Augustinus im Jahr 430 etwa 100 Kilometer von seiner Geburtsstadt entfernt in Hippo Regius stirbt, da belagern gerade die Wandalen seine Bischofsstadt.
Dies muss immer mit bedacht werden, wenn Augustinus Denken und Werk in den Blick genommen werden. Er schrieb in einer äußerlich von Katastrophen heim gesuchten Welt.
So sind