"dein Gott, ist drinnen bei dir" (Zefanja 3,17) Spirituelle Profile. Markus Roentgen
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„Denn bei Dir ist die Quelle des Lebens. Er ist zugleich Quelle und Leben, denn: ‚In Deinem Lichte schauen wir das Licht’ (Ps 35/36, 10). Sehne dich nach diesem Licht, einem Quell, einem Licht, wie es deine Augen nicht kennen, Licht, das zu schauen das innere Auge sich bereitet, Quell, den zu schlürfen der innere Durst entbrennt … Was heißt: wie ein Hirsch? Dass keine Trägheit im Laufe sei …
Es dürstet meine Seele zum lebendigen Gott. Was erdürstet sie? Wann komme ich und erscheine vor dem Antlitz Gottes? Das ist’s, wonach sie dürstet: Kommen und erscheinen… Wann? Was für Gott bald ist, das ist spät für die Sehnsucht …
Wo ist dein Gott? Ich sehe nämlich, was mein Gott gemacht, nicht aber sehe ich meinen Gott selbst, der es machte … groß ist die Schönheit der Erde, aber sie hat einen Bildner… Ich suche den Bildner, ich blicke zum Himmel und zur Schönheit der Gestirne, zum Glanz der Sonne, reich den Tag aufstrahlen zu lassen, zum Mond, Tröster nächtlicher Finsternisse. Wunderbar ist dies, lobwürdig ist dies, oder auch bestürzend … aber noch steht mein Durst nicht still … Ich kehre zu mir zurück und forsche, wer ich, der also Forschende, bin … Ich entdecke, dass die Seele ein Besseres ist als der Leib … Was es sei, muss ich innerlich sehen … Was weder Farbe ist, noch Klang, noch Duft, noch Geschmack. Man sage mir doch, welche Farbe die Weisheit hat … Und doch ist sie innen da, und ist schön, und ist lobwürdig, und ist sichtbar … Es ist also etwas, was die Seele sieht … nicht durch Augen des Leibes … sondern durch sich selbst … , ist durchaus, denn sie sieht sich selbst durch sich selbst … Aber ist nun Gott ein solches? … Wo ist dein Gott? Sie sucht eine gewisse unwandelbare Wahrheit, ein mangelloses Dasein. Nicht so der Geist selbst: er nimmt ab, nimmt zu, weiß und weiß nicht, erinnert, vergisst, will nun dies, nun das … Wo ist dein Gott?“18
18 Augustinus, Über die Psalmen. Ausgewählt und übertragen von Hans Urs von Balthasar. Leipzig 1936, S.66f.
Und nun vergegenwärtigen wir in Korrespondenz zu diesem Psalmenkommentar den berühmten Eingang seiner Confessiones (Buch I, I.1-II.2) und vernehmen den nämlichen Ton in diesem Zentralwerk der Menschheitsgeschichte im Sinne einer radikalen Introspektion, im Ruf nach Inwendigkeit als Suchbewegung nach dem alles tragenden Grund. Auf die Fragen hören! Auf die Frage in den Fragen, die Fragen nach wahrem Selbst und wahrem Gott und wahrem Leben.
Die Methode dazu hatte Augustinus bereits in „De vera religione 39, 72, 202 genannt: „Noli foras ire, in te ipsum redi; in interiore homine habitat veritas.“ (Geh nicht nach draußen, in dich selbst kehre zurück. Im inneren Menschen wohnt die Wahrheit.“; vgl. Geschichte der Philosophie in Text und Darstellung, Bd. 2: Mittelalter, hg. v. Kurt Flasch. Stuttgart 1982)
Ein Hymnus nun in den Confessiones, ein Hymnus aus Gebet und einer Fülle unabweisbarer Fragen, voll existentieller, bohrender Intensität, mit Psalmversen und Schriftworten im Hintergrund (allein in diesen ersten zwei Passagen finden sich Worte aus folgenden Werken der Heiligen Schrift integriert, ja einverleibt in seinen Text: Psalmen 145/ 147/22/139 nach neuer Zählung; 1 Petr 5,5 und Jak 4,6; Röm 10, 14 und Röm 11, 36; Jer 23, 24), mit Philosophie im Hintergrund – und doch Bekenntnis als Beten, ausgefaltete Spiritualität, in der große Fragen und kleinste Alltagsdetails dem Betenden zum Absprung ins je größere Du-in-über werden:
So hebt der Anfang der Confessiones (Erstes Buch, I.1-II.2) an:
I.1. „Groß bist du, Herr, und höchsten Lobes würdig. Groß ist deine Macht, und deine Weisheit, unermesslich, hat keine Grenzen. (Vgl. Psalmen 145,3 und 147, 5) Und dich will loben ein Mensch, irgend so ein Fragment deiner Schöpfung, ein Mensch, der seine Sterblichkeit mit sich herumschleppt, schwer trägt an seiner Sünde und daran, dass du den Hochmütigen widerstehst (Vgl. 1 Petr 5,5 und Jak 4,6). Und dennoch will dich loben der Mensch – irgend so ein Fragment deiner Schöpfung. Du treibst ihn an, dass er seine Freude daran finde, dich zu preisen, denn du hast uns geschaffen zu dir hin, und unruhig ist unser Herz, bis es ruhevoll ist in dir.
Gib mir, o Herr, dass ich verstehe und einsehe, was das erste ist – dich anrufen oder dich preisen, erst dich erkennen oder dich anrufen? Aber wer ruft dich, ohne dich zu erkennen? Wer dich nicht erkennt, kann dich beim Anrufen mit etwas anderem verwechseln. Oder ruft man dich nicht doch etwa an, um dich zu erkennen, um erkannt zu werden? Wie aber soll man den anrufen, an den man nicht glaubend geworden ist? Wie soll man an den glauben, ohne dass jemand dich kündet? (Vgl. Röm 10, 14) Die den Herrn suchen, die werden ihn preisen. (Vgl. Psalm 22, 27). Denn wer sucht, der findet ihn, und wer ihn findet, wird ihn preisen. Suchen will ich dich, o Herr, indem ich dich anrufe, und dich anrufen und darin an dich glauben. Denn du bist uns gekündet worden. Dich, o Herr, ruft mein Glaube an, den du selbst mir eingegeben hast, den du mir einhauchtest durch die Menschwerdung deines Sohnes und durch den Dienst dessen, der dich kündet.
II.2. Aber wie kann ich meinen Gott anrufen, meinen Gott und Herrn, da ich ihn doch in mich hineinrufe, wenn ich ihn anrufe? Und wo ist die Stätte in mir, wohin mein Gott kommen soll? Wohin in mir soll Gott denn kommen, Gott, der geschaffen hat Himmel und Erde? Gibt es denn wirklich, Herr, mein Gott, irgendetwas in mir, was dich fassen könnte? Fassen dich denn Himmel und Erde, die du geschaffen hast und in denen du mich, mit ihnen zusammen, geschaffen hast? Oder fasst dich alles, was ist, notwendig nur, weil es ohne dich nicht wäre? Ich bin doch auch – was begehre ich dann, dass du in mich kommst, der ich nicht wäre, wenn du nicht in mir wärst? Bin ich noch nicht in der Unterwelt, so bist du auch dort. Und stiege ich hinab zur Unterwelt, du bist da. (Vgl. Psalm 139, 8). Ich also wäre nicht, mein Gott, ich wäre überhaupt nicht, wenn du nicht in mir wärst. Oder wäre ich etwa, wenn ich nicht in dir wäre, aus dem alles, durch den alles, in dem alles, das Allsamt ist? (Vgl. Röm 11, 36) Ja, gewiss, auch das ist wahr, o Herr. Wohin aber soll ich Dich rufen, da ich in dir bin? Und von wo kämst du in mich? Wohin soll ich denn schwinden, über Himmel und Erde hinaus, damit von dort mein Gott zu mir, in mich käme, der da gesprochen hat: ‚Bin nicht ich es, der Himmel und Erde erfüllt’? (Vgl. Jer 23, 24)“
(Übersetzungsversuch: Markus Roentgen)
Literatur:
Augustinus, Bekenntnisse, eingeleitet und übersetzt von Kurt Flasch u.a. (=Reclam 2792). Stuttgart 1989. Aurelius Augustinus, Über die Psalmen, ausgewählt und übertragen von Hans Urs v. Balthasar. Leipzig 1936. Ernst Dassmann, Augustinus. Heiliger und Kirchenlehrer. Stuttgart u.a. 1993.
Leben und Werk II
Augustinus lebt zu einer Zeit,
da das Christentum Staatsreligion wird19
19 (unter Kaiser Theodosius 379/395).
Wichtiger jedoch als dieses äußere Ereignis ist für die geistige und geistliche Entwicklung die Präsenz und Bedeutung der geistlichen Theologie seiner Zeit. Mit Augustinus überschneiden sich die großen Klassiker des spätantiken Christentums (um nur einige zu nennen – Athanasius, Gregor von Nazianz, Johannes Chrysostomus im Osten; im Westen Ambrosius, Hieronymus, Leo der Große). In dieser Zeit also findet die Kirche ihre bleibende Gestalt der Theologie, sie ringt mit den Extremen (Arius, Nestorius, Pelagius u.a.) um ihre Gotteslehre und Christologie. Zudem fasziniert das neu sich begründende Mönchtum junge Menschen in der Suche nach einem Lebensweg im Ringen um Wesentliches!
Mit dieser Kirche nun kommt Augustinus in Mailand besonders tief in Berührung.
Das Lesen des Hortensius des Cicero hatte vorbereitet, in dem er nur den Namen Christi nicht finden kann (Confessiones 3,4,8). Diesen Namen jedoch hatte seine Mutter Monika ihm von Geburt an eingeprägt. Sie, deren sanftzäher Einfluss im Ringen um seine Lebensform und seine Entwicklung, durchaus auch in Ambivalenz (Vgl. Jostein Gaarder,