Die Nadel im Heuhaufen. Rudi Kost

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Die Nadel im Heuhaufen - Rudi Kost

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sagte ich.

      Vor allem nicht, wenn es meine Versicherung eine hüb­sche Stange Geld kostet. Hunderfünfzigtausend Euro, das Doppelte bei einem Unfalltod, sind kein Pappenstiel.

      Mittlerweile hatte der Arzt seine Untersuchungen abge­schlossen. Es war der Dorfarzt, den irgendwer aus dem Nachbarort geholt hatte, um das Offensichtliche festzu­stellen. Er fühlte sich sichtlich unwohl.

      »Todeszeitpunkt zwischen acht und zehn Uhr«, sagte er.

      »So genau legen Sie sich fest?«, fragte Keller verblüfft.

      »Ist ja noch nicht lange her. Man sieht’s an der Blut­gerinnung.«

      »Todesursache?«

      »Er hat sich eindeutig das Genick gebrochen. Aber ob das die Todesursache war …«

      »Anzeichen von Fremdeinwirkung?«

      »Hören Sie, ich bin kein Pathologe. Dass er eine stark blutende Wunde am Hinterkopf hat, sehen Sie selbst. Ob er sich beim Sturz irgendwo angeschlagen hat oder ob es was anderes war, muss die Obduktion klären.«

      »Kannten Sie ihn?«

      »Er war mein Patient.«

      »Hatte er irgendwelche Beschwerden?«

      Der Arzt schaute Keller an und brachte das Kunststück fertig, würdevoll und beleidigt zugleich auszusehen.

      »Haben Sie schon mal etwas von der ärztlichen Schweige­pflicht gehört?«

      Wenn ihm etwas gegen den Strich ging, konnte Keller ziemlich ruppig werden. »Die geht mir am Arsch vorbei. Ich habe hier einen nicht natürlichen Todesfall, wie das im Amtsdeutsch heißt, und ich will wissen, was die Ursachen sind und was ich ausschließen kann. Und ich will es sofort wissen. Also?«

      Der Arzt kämpfte mit sich und seiner Würde. Wir Um­stehenden verfolgten das Duell interessiert. Ich war amü­siert. Ich kannte den Kommissar und wusste, wer gewin­nen würde.

      Keller schaute den Arzt grimmig an, wie eine Bull­dogge vor dem Zuschnappen. Schließlich gab der Arzt seine Würde auf und war nur noch beleidigt.

      »Fritz Huber war kerngesund«, meinte er patzig.

      Man sah Keller an, was er dachte. Und dass er es am liebsten laut gesagt hätte.

      »Schwindelanfälle oder so was?«, fragte er stattdessen.

      »Nicht dass ich wüsste.«

      »Verbindlichsten Dank, Herr Doktor«, erwiderte Keller mit ätzender Liebenswürdigkeit und scheuchte den Arzt mit einer Handbewegung weg.

      Dann starrte er auf den toten Fritz Huber hinab, zog einen Zigarillo aus der Tasche und begann, darauf herum­zukauen. Seit ich ihn kannte, war er dabei, sich das Rau­chen abzugewöhnen. Den Zigarillo malträtierte er immer, wenn er wütend war oder nachdenken musste.

      Und jetzt musste er entscheiden, ob er den ganzen Appa­rat in Bewegung setzen sollte.

      Er starrte mich an.

      Ich starrte zurück.

      Er kaute heftig.

      Ich nickte ihm zu.

      »Manchmal irre ich mich auch«, sagte ich.

      Keller schaute mich böse an.

      »Übrigens hat er mir geflüstert, dass er auch sein Testa­ment ändern wollte«, sagte ich leise zu ihm. Das musste ja nicht jeder hören.

      Keller seufzte. »Also gut, das volle Programm.«

      Nun würde sich also die Gerichtsmedizin mit der Leiche befassen. Die Spurensicherung würde anrollen und jeden Zentimeter unter die Lupe nehmen – eine mühselige Ar­beit in einer Scheune, die staubig und dreckig und voller Spinnweben ist. Hier etwas Brauchbares zu finden, glich wahrhaft der Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

      »Wo bleibt eigentlich Ihr Gartenzwerg?«, fragte ich.

      Da kam er auch schon angewatschelt, der kleine, dicke Berger, Kellers Assistent. Als er mich sah, stöhnte er auf.

      »Was macht der denn hier, Chef?«, fragte er.

      »Auch wenn Sie’s nicht gern hören, Berger«, meinte ich. »Ich habe die Leiche entdeckt.«

      »Aha«, sagte er nur.

      Ich nickte Keller zu. »Morgen auf dem Revier fürs Protokoll?«

      »Sie können den doch jetzt nicht laufen lassen, Chef!«, protestierte Berger.

      »Der läuft von selber«, sagte ich. »Nicht wahr, Chef?«

      Keller knurrte. Er hasste es, Chef genannt zu werden.

      Und außerdem sah er viel Arbeit auf sich zukommen. Sei­nem Blick nach gab er mir die Schuld. Ich hatte ihm den Tag gründlich verdorben.

      Es gab für mich im Augenblick auf dem Bauernhof der Hubers nichts mehr zu tun. Ich tratschte noch ein wenig mit den Dorfbewohnern, ohne etwas Wesentliches zu er­fahren, dann trollte ich mich und setzte die Tour fort, die ich mir für diesen Tag vorgenommen hatte. Es stand ohne­hin nur Kundenpflege auf dem Programm.

      Normalerweise sind das für mich als Versicherungsver­treter erholsame und auch ergiebige Tage. Wir plaudern über dies und jenes, und die Bauern stecken mir zum Ab­schied eine Wurstbüchse zu oder was Frisches aus der Hausschlachtung.

      Doch heute war ich nicht recht bei der Sache, und den Besuch bei der Witwe Huber an diesem späten Dienstag­nachmittag hätte ich gerne vermieden. Ich hasse Kondo­lenzbesuche. Ich fühle mich immer so hilflos dabei.

      Bei den Hubers kam ich jedoch nicht in die Verlegenheit, mir irgendwelche hohle Phrasen abstottern zu müssen.

      Ich hatte verweinte Augen und nasse Taschentücher er­wartet. Anita Huber und ihr Sohn Gerd jedoch benahmen sich nicht im Mindesten, wie man es von trauernden Hin­terbliebenen erwartet hätte. Sie gaben ein Bild stoischer Gelassenheit. Und kamen gleich zur Sache.

      »Wann kriegen wir das Geld?«, fragte Anita Huber.

      »So schnell geht es leider nicht. In solchen Fällen müssen die Untersuchungen abgewartet werden.«

      »Welche Untersuchungen?«

      »Erst muss die genaue Todesursache geklärt werden, dann erst kann der Totenschein ausgestellt werden. Und den Totenschein brauchen wir, damit die Versicherung aus­bezahlt werden kann.«

      Ich hasse es, im Angesicht des Todes über diesen nüch­ternen Formalienkram zu reden.

      Aber bei Anita Huber musste ich mir keine Gedanken machen. Die Frau sah mich nur prüfend an.

      »Die Sache ist doch klar, oder? Der Fritz war halt unvor­sichtig«, sagte sie.

      »Eben das muss untersucht werden«, erwiderte ich.

      Ich

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