Die Nadel im Heuhaufen. Rudi Kost

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Nadel im Heuhaufen - Rudi Kost страница 3

Автор:
Серия:
Издательство:
Die Nadel im Heuhaufen - Rudi Kost

Скачать книгу

war ich ihr selten begegnet. Alles Geschäftliche hatte der Huber-Bauer alleine geregelt, ganz, wie es die alte Rollenstruktur wollte. Die Gemahlin durfte nicht mal stumm dabeisitzen.

      Ich startete einen Versuchsballon.

      »Ihr Mann hatte mich für heute herbestellt. Wissen Sie, warum?«

      »Nein.«

      »Aber Sie wussten, dass ich kommen würde?«

      »Nein.«

      »Ihr Mann sagte was von der Lebensversicherung.«

      Sie zuckte mit den Schultern. Nicht gerade mitteilsam, die trauernde Witwe. Übertroffen nur von ihrem Sohn. Der machte den Mund nämlich überhaupt nicht auf. Saß nur da und starrte mich an. Apathisch. Auf eigenartige Weise entrückt. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen.

      Ich fuhr zurück nach Schwäbisch Hall. Fritz Huber ging mir nicht aus dem Kopf. Sollte das wirklich nur ein tra­gischer Unfall gewesen sein? Ich fragte mich, ob es auch nichttragische Unfälle gab.

      Huber hatte eine hohe Lebensversicherung. Ungewöhn­lich hoch für einen Bauern. Er wollte sie umschreiben las­sen. Auch ungewöhnlich. Und kurz zuvor war er tödlich verunglückt. Noch ungewöhnlicher.

      Ich war neugierig geworden. Und ein wenig misstrau­isch. Ich beschloss, vorerst einmal nicht zu glauben, dass er einfach so vom Heuboden gestürzt war. Bis zum Beweis des Gegenteils.

      Zur Entspannung joggte ich noch ein paar Runden durch den Park. Es half nicht viel. Huber joggte mit. Ich wollte es immer noch nicht glauben.

      Kochen bringt mich immer auf andere Gedanken. Ich schaute im Kühlschrank nach. Nichts davon machte mich an. Gehen wir also essen, Herr Huber.

      In der Innenstadt gibt es ungefähr sieben Restaurants, bei denen man sich nicht den Magen verrenkt. Schon von Berufs wegen sollte ich mich überall hin und wieder bli­cken lassen. Aber jeder hat so seine Vorlieben. Also ging ich auf einen Teller hausgemachte Kutteln in mein Stammlokal. Damals war das die »Sonne«, als die Familie Würtz noch Regie führte.

      Normalerweise plauderte ich mit der Wirtin so ausgiebig, wie es der Restaurantbetrieb zu ließ. Wir tauschten den neuesten Klatsch und ereiferten uns über die Eskapaden der Stadtverwaltung. Aber an diesem Abend war ich ein maulfauler Gast. Ich saß in Hall, war in Gedanke jedoch in Hohenberg. Warum wollte Huber die Versicherung umschreiben? Und auf wen? Hatte das etwas mit seinem Tod zu tun? Oder war doch alles nur Zufall?

      Ich würde keine Ruhe haben, bis ich die Antworten wusste. Und ich würde auch keine Ruhe geben, bis ich sie hatte.

      Nach dem Essen brauchte ich noch einen Absacker. Ich sah mich in den Kneipen um, fand jedoch niemanden, des­sen Gesellschaft mir nach so einem Tag genehm gewesen wäre. Bis ich schließlich auf meinen alten Kumpel Robert traf. Wir hatten fast alle Probleme der Menschheit gelöst, als man uns hinauswarf. Das ist die Tragik des Lebens. Es fehlt immer das letzte Bier zur end­gültigen Lösung.

      Ich machte mich auf den Heimweg. Die alte Stadt lag still und friedlich da. Es war eine klare, kalte Herbstnacht. Auf der Henkersbrücke schaute ich in die braunen Fluten des Kochers. Da jetzt hinunterfallen! Aber es war nur Was­ser, kein Betonboden. Ich würde es überleben.

      Außer mir war niemand in der Neuen Straße unterwegs. Für eine Stadt, die je nach Bedarf ihre erste Erwähnung auf das Jahr 1037, 1156 oder 1204 zurückführt, war die Straße tatsächlich noch neu.

      Beim großen Stadtbrand von 1728 war ein Großteil der Altstadt abgefackelt. Wo das Feuer haltgemacht hatte, kann man heute noch sehen. Erhalten geblieben waren die mittel­alterlichen Fachwerkbauten, den Rest hatte man barock neu erbaut.

      Damals war auch die Neue Straße angelegt worden, als Brandschneise und als gerader, schneller Weg zum Lösch­wasser des Kochers.

      Die Horde Jugendlicher, die sich vor der Disco am Hafenmarkt auf einen multikulturellen Dialog vorberei­tete, hatte davon garantiert keine Ahnung. Die hatten andere Sorgen. Gleich würde die Schlägerei losgehen. Rus­sen gegen Türken.

      Das war nichts Ungewöhnliches hier. Ich machte, dass ich weiterkam.

      Mittwoch

      Hauptkommissar Keller saß an seinem Schreibtisch und bemühte sich erfolgreich, einen miese­petrigen Eindruck zu machen. Es musste ihn ziemlich viel Mühe kosten, das Klischee vom griesgrämigen Kommissar zu kultivieren: schlecht gekleidet, schlecht rasiert, schlecht gelaunt. Jeder hat halt so seine Ticks.

      Keller war Mitte fünfzig, hager, mit scharf geschnittenen Gesichtszügen. Auf seine Art ein attraktiver Mann. Neuer­dings trug er sein dichtes, graues Haar ganz kurz. Wenn er wollte, konnte er durchaus charmant sein. Meistens wollte er nicht. Heute schon gar nicht.

      »Sie schon wieder«, brummte er.

      Mein Verhältnis zu Keller war nicht eindeutig. Wir waren uns berufsbedingt bei ein paar Fällen über den Weg gelau­fen und hatten uns halbwegs vertragen. Ich hatte sogar den leisen Verdacht, dass er mich ganz gut leiden konnte.

      »Ich habe Sie doch nicht etwa aus Ihrem Beamtenschlaf geweckt?«, fragte ich so munter, wie es mir um diese Zeit möglich war.

      »Sie haben mir einen schönen Mist eingebrockt«, knurrte Keller und linste über den Rand seiner Lesebrille zu mir.

      Er schaute noch zerknautschter aus als sonst und kaute schon am frühen Morgen auf einem Zigarillo herum. Kein gutes Zeichen.

      »Eine glasklare Geschichte. Aber ich muss meine Zeit verschwenden mit Vernehmungen und Protokollen«, schimpfte er. »Und warum?«

      »Weil ich Sie irritiert habe?«, schlug ich vor.

      »Weil Sie eine gottverdammte Eingebung hatten!«

      »Na, dann will ich euch doch gerne an meinen göttlichen Eingebungen teilhaben lassen«, grinste ich.

      Keller nahm mein Gequassel nicht ernst, aber sein Assis­tent sprang natürlich prompt an. Bergers Haltung zu mir war wenigstens klar. Er mochte mich ganz entschieden nicht. Das beruhte freilich auf Gegenseitigkeit.

      »Dillinger, Ihre Meinung interessiert hier überhaupt nicht!«, herrschte er mich an.

      So, so. Ein bloßes »Dillinger«, ohne ein »Herr« davor, wie das unter gebildeten und gesitteten Menschen üblich ist. Gut, Keller sprach mich auch so an. Aber Berger war nicht Keller.

      »Ein Kerl muss eine Meinung haben, Bergerchen«, sagte ich ganz freundlich. »Haben Sie auch eine Meinung?«

      »Von Ihnen schon!«, giftete er. »Sie sind nichts weiter als ein Klugscheißer.«

      Hm. Darüber könnte man diskutieren. Aber nicht jetzt. Und nicht mit Berger.

      Der Kerl war nur neidisch. Er war etwa so alt wie ich, sah aber lange nicht so gut aus. Klein und dick war er, mit strähnigen Haaren, seine Brille rutschte ihm ständig auf die Nase und das Hemd aus der Hose. Sie gaben ein göttliches Bild ab, er und Keller, wenn sie gemeinsam durch die Stadt trot­teten.

      »Und überhaupt, Chef«, sagte Berger zu Keller, »weiß ich nicht, was der Dillinger hier zu suchen hat.«

      »Schon

Скачать книгу