Die Nadel im Heuhaufen. Rudi Kost

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Die Nadel im Heuhaufen - Rudi Kost

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Sie war ja noch neu in der Stadt und hatte sich eigens den Nachmittag freigenommen.

      Das Programm sah des Weiteren ein Abendessen im »Hotel Hohenlohe« vor, dem Haller Renommier-Lokal mit bester Aussicht auf die Stadt, was mich eine Stange Geld kosten würde, und danach … Deswegen nahm ich diese ganze Tortur überhaupt auf mich.

      Mit Frauen einkaufen zu gehen, ist an sich schon eine Zumutung. Damit hatte mich schon meine Ex in unserer kurzen Ehe genervt. Aber Helena war einsame Spitze.

      Sie hatte sich offensichtlich in den Kopf gesetzt, den gesamten Schotter durchzuprobieren, der in den einschlägigen Geschäften auf den Bügeln hing. Nicht bloß anzuschauen. Tatsächlich anzuziehen.

      Helena erwartete von mir nicht nur Geduld, sondern auch Kommentare. Und ich tappte doch immer wieder in die gleiche Falle.

      »Ein Rollkragenpulli mit kurzen Ärmeln? Das ist doch total unbrauchbar!«

      »Aber er voll megageil!«

      Nur die Farbe gefiel ihr nicht.

      Helena pendelte weiter zwischen Drehständern und Um­kleidekabine. Ich vertrieb mir derweil die Zeit mit intensi­vem Studium der aktuellen Mode. Bauchfrei finde ich gut. Tiefe Dekolletés finde ich auch gut. Ich starrte also den anderen jungen Mädchen auf die nackten Bäuche und in die Ausschnitte und stellte kritische Vergleiche an. War schon was dran, dass die Jugend immer dicker wurde, da wackelte und schwabbelte doch so einiges.

      Ich durfte nur nicht so auffällig starren. Nicht wegen der Mädchen. Wegen Helena. Von den jungen Schönheiten rings um mich erwiderte keine meine lüsternen Blicke. Ich war ein Nichts. Ein altes Nichts.

      Helena war inzwischen merklich angesäuert, weil ich an allem etwas auszusetzen hatte. Warum fragte sie dann überhaupt, wenn sie es gar nicht hören wollte?

      Ich begann ernsthaft, mir um den weiteren Verlauf des Abends Sorgen zu machen.

      Helena kam mit einem rosa Zopfmusterpulli aus der Kabine. Ich fand ihn grässlich. Sie fand ihn, natürlich, voll krass. Ihr Vokabular war in der Hinsicht etwas eingeschränkt. Ihr Geschmack auch.

      »Diese Farbe steht mir super«, sagte sie.

      Ich sagte nichts. Ich wurde vorsichtiger.

      »Aber findest du nicht auch, dass der meinen Busen zu sehr plattdrückt?«, fragte sie.

      Ich besann mich auf die bewährte Taktik.

      »Total platt«, sagte ich, obwohl ich das anders sah. Da­mit war dieser Pulli sofort erledigt.

      Bei der nächsten Hose machte ich den Test.

      »Die macht sehr breite Hüften«, gab ich zu bedenken.

      Die Hose wurde ausgesondert.

      So einfach war das also.

      Helena konnte sich natürlich für nichts entscheiden, wofür ich ausgesprochen dankbar war. Nicht eines dieser Stücke hätte ich geschenkt haben wollen. War das nur mein Geschmack, oder war das schon das Alter?

      Wir zogen weiter. Glücklicherweise ist das Schwäbisch Haller Geschäftsleben überschaubar, aber aus der Sicht eines zum Einkaufsbummel genötigten Mannes gibt es immer noch entschieden zu viele Kleiderläden. Von Schuh­geschäften ganz zu schweigen.

      Ich war erschöpft und sinnierte, ob das erwartete Ende dieses Tages in einem angemessenen Verhältnis zum Auf­wand stehen würde. Allerdings war ich mittlerweile Ex­perte, in welchen Geschäften die hübschesten Mädels ein­kaufen gingen.

      An den wirklich teuren Boutiquen lotste ich Helena erfolgreich vorbei, mit dem schlagenden Argument, das Angebot sei nur für die reifere Dame. Womöglich wäre sie sonst auf den Gedanken gekommen, sich von mir was schenken zu lassen.

      Begehrliche Blicke in die Schaufenster konnte ich nicht verhindern. Ich schaute pro forma mit, war angemessen beeindruckt und teilte aus vollem Herzen ihre Meinung, das sei doch arg viel Geld für solche Fummel.

      Als ich da so durchs Schaufenster ins »Il Senso« von Gra­zyna Bauer glotzte, das früher mal schlicht »Lädle« hieß, auf die Hosen von Joop, die Pullis von Armani, die Röcke von Versace, hatte ich eine Halluzina­tion, die nur eine Folge meiner modemäßigen Überreizt­heit sein konnte.

      Ich schaute nochmals. Die Halluzination blieb. In der Tat, in der Boutique tummelte sich Huber junior. Er schar­wenzelte um eine Frau herum, die ich nur von hinten sah. Schlank. Eng geschnittener, schwarzer Mantel. Lange, dunkle Haare.

      Was, um alles in der Welt, wollte der junge Huber­-Bauer in diesem teuren Laden? Kein Wunder, dass die Hubers auf eine schnelle Auszahlung der Lebensversicherung drängten.

      Ich überredete Helena zu einer Espresso-Pause im »Simonetti« gegenüber, mit direktem Blick auf das Modegeschäft.

      Natürlich war kein Fensterplatz frei. Deshalb erhaschte ich lediglich einen flüchtigen Blick auf die Frau, die gemeinsam mit Huber die Boutique verließ. Ich konnte sie nur undeutlich erkennen. Jedenfalls war sie viel zu alt für den jungen Kerl und viel zu hübsch. Gerd Huber stapfte neben ihr her und redete erregt auf sie ein.

      Ich warf das Geld für die zwei Espressi auf den Tisch, packte die verdatterte Helena und zog sie ohne weitere Erklärung auf die Schwatzbühlgasse hinaus.

      Dort allerdings fand meine süße Unschuld aus Heilbronn schnell ihre Sprache wieder und äußerte ihre Verwunderung über den überstürzten Aufbruch. Um die Wahrheit zu sagen: Sie beschimpfte mich fürchterlich.

      »Du Arsch!«, schrie sie. »Was fällt dir ein, mich so herumzuzerren!«

      Ganz so süß war Helena doch nicht immer.

      Ich murmelte etwas von einem alten Freund, den ich zu sehen geglaubt hatte. Das seltsame Paar war natürlich mittlerweile verschwunden. Schade. Ich hätte zu gerne gewusst, mit wem Gerd Huber sich die Zeit vertrieb.

      An eine planvolle Suche war nicht zu denken mit einer kaufwütigen und keifenden Helena im Schlepptau. Vielleicht liefen mir die zwei noch einmal über den Weg. Schwäbisch Hall ist ja klein.

      Aber so klein dann doch wieder nicht. Ich sah sie nicht mehr. Und Helena wunderte sich kein bisschen, dass ihr Begleiter plötzlich hellwach war und sie von Laden zu Laden drängte.

      Wir entschieden uns schließlich im »Da Vinci« für etliche farbenfrohe Pullis, die so kurz waren, dass mich schon bei ihrem Anblick fror, und woanders für eine hautenge graue Hose, nachdem ich mehrfach versichert hatte, dass die ihren Hintern äußerst vorteilhaft zur Geltung brächte. Was ja nun auch stimmte. Die passenden Schuhe dazu fanden wir nicht, trotz vieler heroischer Versuche.

      Der Rest des Abends entsprach dann aber durchaus meinen Erwartungen.

      Allerdings war er auch nicht ganz billig.

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