Die Nadel im Heuhaufen. Rudi Kost

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Die Nadel im Heuhaufen - Rudi Kost

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und ich schauten uns an. Kellers Gesicht war un­durchdringlich, ich grinste.

      »Rein professionell, Berger«, sagte ich. »Schließlich geht es um meine Versicherung.«

      »Gudden Daach, de Härrn«, verabschiedete ich mich in meinem besten Sächsisch. Es war genauso grauenhaft wie Bergers Hochdeutsch.

      ***

      Im Büro duftete es nach Räucherstäbchen. Sonja legte die Handflächen aneinander und verbeugte sich.

      »Namaste«, sagte sie.

      Meine Partnerin sah umwerfend aus wie immer. Ich hätte mich jeden Morgen neu in sie verlieben können. Mit ihren zweiunddreißig Jahren hatte sie auch genau das richtige Alter dazu. Sie war einfach zum Anbeißen. Ein geschmeidiger, sportlicher Körper. Außerdem war sie blitz­gescheit, ungeheuer tüchtig, ausnehmend hübsch und lei­der unbelehrbar lesbisch.

      War vielleicht besser so fürs Betriebsklima.

      Sonja war derzeit auf dem Indientrip. Das war so, seit sie im hiesigen »Indian Forum« eine Ayurveda-Behandlung ausprobiert und dabei ein nettes Mädchen kennengelernt hatte. Tatsächlich, das gibt es in Schwäbisch Hall, ein »Indian Forum«. Sogar mit echten Indern, Restaurant, Yoga, Ayurveda und diesem ganzen Zeugs. Wir sind halt weltläufig, wir Hohenloher.

      Seitdem trug sie im Büro einen seidigen Hauch von Etwas. Türkisfarbene Pluderhosen, darüber eine Art ge­schlitzten Rock. Ein enges, kurzärmeliges Oberteil aus demselben Stoff, das den Bauch frei ließ, einen flachen, harten Bauch übrigens. Sie sah aus wie eine Tempeltän­zerin.

      Es stand ihr gut.

      Sie hatte schon die Zen-Phase hinter sich mit ausgiebi­gen Meditationen, einen Rückfall in die Hippie-Ära mit wallenden Gewändern und Zöpfchen im Haar und ebenso die vegane Periode, die mich allerdings zutiefst verstört hatte: Wie kann man von Gemüse allein glücklich werden?

      Irgendwie war das alles hormongesteuert und hing mit ihren jeweiligen Partnerinnen zusammen.

      Das war schon in Ordnung so. Nur hatte sie sich dies­mal die falsche Jahreszeit ausgesucht. Wir mussten die Hei­zung schon ganz schön hochdrehen. Hoffentlich legte sich dieser Fimmel wieder, bis der Winter kam.

      Ich erzählte ihr von Huber. Sie hatte schon die kurze Notiz in der Zeitung gelesen, ohne zu wissen, dass es uns betraf. Natürlich war kein Name genannt worden.

      Normalerweise hätte sich Sonja jetzt an den ganzen For­mularkrieg gemacht. Zuverlässig und schnell wie immer. Ich bat sie, damit noch zu warten.

      »Da ist etwas faul. Es war vielleicht wirklich nur ein Unfall. Es könnte aber auch ein Mord gewesen sein«, sagte ich.

      »Und wenn schon«, sagte Sonja. »Mord ist auch ein Unfall. Zahlen müssen wir so oder so, das weißt du ge­nau.«

      »Nicht wenn der Begünstigte der Mörder ist.«

      Sie sah mich überrascht an.

      »Mal wieder auf dem Kriegspfad?« Ich sah ein wohl­bekanntes Glitzern in ihren grünen Augen. »Nun erzähl schon«, sagte sie.

      Und ich erzählte, wie ich den Toten gefunden hatte, be­richtete von meinem Gespräch mit Keller und dem selt­samen Verhalten der beiden Hubers.

      »Hast du sie allen Ernstes im Verdacht?«, fragte Sonja.

      Ich zuckte mit den Achseln.

      »Ich will einfach wissen, was passiert ist. Irgendwo müssen wir ja anfangen.«

      »Was wissen wir über die Hubers?«, fragte Sonja.

      Ich fuhr meinen Computer hoch und öffnete unsere in­terne und höchst geheime Datenbank, in der wir alle Fak­ten, vor allem aber Klatsch und Tratsch über bestehende und potenzielle Kunden sammeln.

      Ich druckte den Datensatz in zwei Exemplaren aus und gab eines davon Sonja. Sie hatte mittlerweile einen Ayurveda-Tee aufgegossen. Er schmeckte furchtbar.

      ***

      Fritz Huber war siebenundfünfzig Jahre alt geworden. Er stammte aus dem Dorf. Sozusagen alter Adel. Seine Vor­väter waren seit Urzeiten hier ansässig und hatten sich im Laufe der Zeit zu den größeren Bauern emporgearbeitet. Zwei jüngere Schwestern waren ausbezahlt worden. Die eine war, wie praktisch, mit einem Landwirtschaftsmecha­niker verheiratet, von der anderen wusste ich nichts.

      Anita Huber war sechs Jahre jünger und die Tochter eines Kleinbauern aus dem Nachbardorf. Außer ein paar mageren Äckern hatte sie vermutlich nicht viel in die Ehe eingebracht.

      Sie hatten für dörfliche Verhältnisse spät geheiratet, er mit zweiunddreißig, sie mit sechsundzwanzig, und bei der Hochzeit musste Anita un­übersehbar im sechsten Monat gewesen sein. Ihr Sohn jedenfalls kam drei Monate nach der Hochzeit zur Welt.

      Das war keine Schande, und deshalb wurde auch kein Geheimnis daraus gemacht. Zu jenen Zeiten heiratete man aus genau diesem Grund oder weil auf einen Hof eben eine Bäuerin gehört. Möglichst eine, die was mitbrachte. Liebe stellte sich automatisch ein. Oder auch nicht.

      Manchmal wurde die Zukünftige vermutlich auch auf ihre Gebärfähigkeit getestet. Schließlich braucht ein Hof Nachfolger. Und Arbeitskräfte.

      Gerd, der Heiratsgrund, war jetzt fünfundzwanzig Jahre alt. Dann musste es im Hause Huber dieses Jahr ja eine Sil­berhochzeit gegeben haben, fiel mir auf. Ich hätte gratulie­ren sollen.

      Soweit ich es mitbekommen hatte, verstanden sich Vater und Sohn nicht besonders. Aber das war ja nun keine Sel­tenheit.

      So viel also wussten wir. Mehr würde ich bestimmt von den Nachbarn erfahren.

      Als Versicherungsvertreter ist man für seine Stamm­kunden auch so etwas wie ein Beichtvater. Nach dem Arzt. Und vor dem Pfarrer. Die Leute brauchen jemanden, dem sie von ihren Kümmernissen erzählen können. Und nach Hubers Todessturz würde die Gerüchteküche brodeln.

      »Na, dann schwing dich mal auf nach Hohenberg«, sagte Sonja.

      Ich schüttelte den Kopf und seufzte.

      »Das muss bis morgen warten. Ich habe heute Nachmit­tag einen anderen Termin.«

      Sie verstand. Ihr Grinsen hätte ich im günstigsten Fall als anzüglich bezeichnet. Vielleicht auch als hämisch. Mitlei­dig war es auf keinen Fall.

      Ich ging.

      Zur Stärkung genehmigte ich mir im Eiscafé gegen­über noch einen Sgropino.

      ***

      Mein Liebesleben lässt sich kurz und bündig mit einem Wort beschreiben: chaotisch. Das derzeitige Chaos hieß Helena, war zweiundzwanzig, sah süß aus, wenngleich die Eltern bei der Namenswahl doch etwas zu optimistisch gewesen waren, und hatte einen erfreulich üppigen Busen. Uns hatte die Not zusammengebracht. Sie arbeitete bei der Bausparkasse – ein Kleinstadtkind aus Heilbronn, das es erst vor kurzem nach Schwäbisch Hall verschlagen hatte und das noch dabei war, sich einen Freundeskreis aufzu­bauen. Sie war allein, und ich war’s derzeit auch wieder mal. Und als Mann von sechsunddreißig hat man auf dem Single-Markt nicht mehr unbedingt

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