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Seit wann gibt´s die denn hier?“

      „Was? Nein, du musst dich irren, es leben keine Flederkatzen in Alaak.“

      „Vielleicht hat sie sich verirrt und wollte ganz woanders hin.“ Tjeri setzte sich an den großen runden Tisch, an dem Ellba gerade die Essensreste abräumte. Sie hatte ihnen nichts angeboten; so weit ging ihre Gastfreundschaft dann doch nicht. Rena war nicht traurig deswegen; es roch muffig in dem niedrigen, dunklen Tempel und ein wenig nach angebranntem Blätterbrei.

      „So, ich muss gehen – es ist so weit, ja, gleich geht der Mond auf“, sagte die alte Frau und raffte hastig Schreibzeug zusammen. „Ich lese ihnen die Fragen vor, sie singen die Antworten, ja, und ich schreibe natürlich mit, so schnell ich kann!“

      Rena und Tjeri warteten schweigend. Die Atmosphäre im Erdhaus war so drückend, dass Rena sich an einen anderen Ort wünschte, egal wohin, nur weg. Sie ließ die Augen über das Innere des Hauses wandern. Über die drei Schlafmatten mit den drei Decken in verschiedenen Farben, über das kunstvoll aus Holz geschnitzte Spielzeug, das neu und unbenutzt herumlag, über den Vorrat an Schreibmaterialien. Schriftrollen gab es keine. Auch keinen Krimskrams. Kaum zu glauben, dass hier drei Kinder lebten.

      Es schien endlos zu dauern, bis die alte Frau mit einem voll gekritzelten Pergament wieder zum Vorschein kam.

      „Ha, sie waren sehr gut eingestimmt heute, meine drei!“ strahlte sie und rollte das Pergament umständlich auseinander, bis sie zu der Antwort auf Renas Frage kam. „Für Euch heißt es: ‚Er hat es auf der Insel gesehen, er weiß es schon!’ Na, Ihr werdet sicher wissen, was das bedeuten soll, das ist ja Eure Sache! Von mir kann keiner erwarten, dass ich die Sprüche auch noch erkläre.“

      Rena nickte nur schwach, als Tjeri sich von Ellba verabschiedete, ging dann mit ihm den Gartenweg entlang zum Tor. Als sie draußen waren und außer Hörweite der Wachen, blieb Tjeri stehen und nahm sie in die Arme. „Nimm es nicht so tragisch, ich habe noch eine ganze Menge Zeit“, versuchte er sie zu trösten. „Zumindest wissen wir jetzt, dass das Orakel kein Schwindel ist – ich habe niemandem außer dir von dieser Traumsuche damals erzählt, und keiner weiß, dass sie mich auf die Insel Caris Terada geführt hat.“

      Also konnten die Kinder wirklich die Zukunft vorhersagen. Seltsamerweise beruhigte das Rena überhaupt nicht.

      Während Tjeri sich auf die Suche nach der Tochter des alten Mannes machte, wanderte Rena weiter nach Osten, um ein paar Verwandte in der Nähe zu besuchen. Der größte Teil von Renas Verwandtschaft lebte im Weißen Wald, im Dorf Fenimor. Rena übernachtete im Erdhaus ihrer Tante Nirminda. Dort gab es ein herzliches Willkommen, Neuigkeiten über Renas zahlreiche Cousins und Cousinen und jede Menge Nusskekse. Am zweiten Tag war ein Festessen zu ihren Ehren angesagt. Doch Rena konnte es nicht so genießen, wie sie gedacht hatte. Schon nach der ersten Hälfte des Abends protestierte sie schwach: „Nein, ich bin wirklich satt, ja, ganz wirklich, nein, ich will nicht noch ein Stück Pastete ...“

      Sie brauchte dringend frische Luft. Rena stolperte nach draußen, lehnte sich schwer atmend an die grasbewachsene Außenwand des Erdhauses. Doch das nützte gar nichts, sie fühlte sich immer schlechter. Vielleicht vertrage ich keine Nusskekse mehr, dachte Rena. Doch dazu ging es ihr zu mies. Inzwischen war ihr ganzer Körper mit kaltem Schweiß bedeckt, sie zitterte. Dann schoss ein reißender Schmerz durch ihren ganzen Körper. Es war so schlimm, dass Rena kaum atmen konnte und es nicht einmal schaffte, um Hilfe zu rufen.

      Zum Glück wunderte sich ihr Cousin Kip irgendwann, wo sie blieb, und fand sie. „Beim Erdgeist, was ist denn mit dir los?“, rief er erschrocken. Da er mehr als einen Kopf größer war als sie, machte es ihm keine Schwierigkeiten, sie aufzuheben und ins Haus zu tragen.

      „Ich weiß nicht“, stöhnte Rena. „Es war ein ganz schlimmer Schmerz, aber ich glaube, es wird jetzt besser.“

      Kurz darauf lag sie auf einer bequemen Schlafmatte und fünf ihrer Verwandten standen kopfschüttelnd um sie herum. Ihr Cousin kratzte sich den Kopf. „Es kam ganz plötzlich, sagst du ...“

      Rena nickte schwach. In jedem anderen Haus hätte sie vermutet, dass gerade jemand versucht hatte sie zu vergiften. „Vorher ist mir der Schweiß ausgebrochen, ich war wie in Panik – ganz seltsam.“

      „Die Pastete war jedenfalls noch gut, ich habe sie heute erst gebacken!“, sagte Tante Nirminda spitz.

      „Darauf wollte ich nicht hinaus“, sagte Kip und blickte Rena ernst an. „Sag mal, wie steht es um deinen Lebensbaum? Geht es ihm gut? Ich finde, das klingt wie ein typischer Fall von Verbindungskrise. Dein Baum leidet und dir geht es ebenfalls schlecht.“

      „Ich war erst vor ein paar Tagen da, es ging ihm prächtig“, murmelte Rena.

      Ihre Tante verabreichte ihr Yerba Nierro, den gängigsten Heiltrank Dareshs, und irgendwann schaffte es Rena einzuschlafen. Als sie aufwachte, fühlte sie sich schwach und zittrig. Und immer wieder ging ihr im Kopf herum, was Kip gesagt hatte. Er war Holzmeister, kannte sich hervorragend mit Pflanzen aus. Was, wenn ihrem Baum tatsächlich etwas passiert war? Sie musste Gewissheit haben.

      Vorsichtig schlug sie die rauen Leinendecken zurück, setzte sich auf. Ihr war schwindelig und es dauerte eine Weile bis sie sich traute aufzustehen. Mit zögernden Schritten ging sie in den Wohnraum hinüber, eine gemütlich dunkle Kuppel mit Wänden aus unverputzter Erde und Möbel aus weißem Colivar-Holz. Ihre Tante und Kip musterten Rena besorgt, als sie hereinkam.

      „Ich muss los“, sagte Rena. „Zu meinem Baum.“

      „Du kannst nicht alleine gehen – ich komme mit“, sagte Kip entschlossen, und Rena protestierte nicht. Schnell schrieb sie eine Nachricht an Tjeri und schickte sie mit einem Wühler auf den Weg, dann packte sie ihre Sachen.

      Mit Axt und Schwert

      Im nächsten Ort lieh Rena ein Dhatla, damit ging es schneller. Kip half ihr, auf den Rücken des schnaubenden, zwei Menschenlängen hohen Reptils zu klettern und es sich hinter dem hornigen Nackenschild bequem zu machen. Sie brauchten nur einen halben Tag bis zu der Lichtung. Rena band das Dhatla ein Stückweit entfernt an; zu ihrer Viveca führte kein Pfad, man musste sich durchs Unterholz winden. Beunruhigt sah sie an geknickten Pflanzen und niedergetretenem Gras, dass Menschen hier entlanggegangen waren. Sie wechselte einen Blick mit Kip.

      „Etwa vier Leute“, sagte er.

      Renas ungutes Gefühl wurde immer stärker. Das letzte Stück bis zur Lichtung rannte sie. Als sie sah, was geschehen war, stockte ihr der Atem und ihr Körper schien taub zu werden. Tränen drängten aus ihren Augen, überschwemmten ihre Wangen.

      Jemand hatte ihre Viveca gefällt. Nur noch ein kniehoher Stumpf war zu sehen, auch der Stamm war schon weggebracht worden. Abgerissene Blätter und Blüten lagen herum, in den Boden getrampelt.

      Rena krümmte sich vor Kummer. Jetzt wusste sie also, was sie gestern gespürt hatte.

      Inzwischen hatte Kip die Reste des Baumes und die Fußspuren untersucht und kam zurück, um ihr Bericht zu erstatten. „Das waren keine Erd-Leute. Erstens, weil keiner von uns so etwas tun würde. Eine lebende Pflanze! Zweitens haben die Kerle die Viveca mit ihren Äxten dermaßen laienhaft umgeschlagen, dass sie sich vermutlich um ein Haar selbst etwas abgehackt hätten.“

      Rena wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und putzte sich die Nase mit einem Blatt. „Vielleicht haben sie nicht geahnt, dass es ein Lebensbaum ist. Nicht jeder, der zu einer anderen Gilde gehört, weiß,

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