Feuerblüte III. Катя Брандис
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Es dämmerte schon, als endlich der letzte Besucher seine Erinnerung an Udiko vorgetragen hatte. Renas Füße schmerzten und fühlten sich gleichzeitig an wie Eisklumpen; am liebsten hätte sie sich vor einem Lagerfeuer aufgetaut. Doch als Tjeri vorschlug „Lass uns in einem See übernachten, unter freiem Himmel“, nickte sie. Sie wusste, dass er das jetzt brauchte.
Langsam wanderten sie Richtung Norden und ließen sich in das ruhige silberne Wasser des Vanatu-Sees gleiten, der sich Hunderte von Baumlängen weit erstreckte, bis fast vor ihre Haustür. Im Wasser war Tjeri in seinem Element, er schwamm kraftvoll und geschmeidig. Aber nach fünfzehn Wintern mit ihm in Vanamee war auch Rena eine gute Schwimmerin, und sie schaffte es, mitzuhalten.
Als sie ein gutes Stück vom Festland entfernt waren, gaben sie etwas Luft in die Schwimmhaut, ließen sich auf dem Rücken treiben und blickten in den sternbesetzten Himmel. Nur die Rufe der Gelbspötter und das leise Sirren einzelner Mücken begleiteten sie. Sie begannen zu reden – über das Leben, über das Sterben, über Freunde, die sie an den Tod verloren hatten. Schon seltsam, wie man nach einer Bestattung auf einmal über so was spricht, dachte Rena. Dabei zähle ich erst fünfundreißig Winter und Tjeri ist nicht viel älter.
„Ich muss unbedingt mal wieder meinen Baum besuchen“, sagte Rena.
„Ja, mach das“, meinte Tjeri. „Möchtest du, dass ich mitkomme?“
„Das wäre schön. Du musst dir ganz genau einprägen, wo er steht. Du weißt ja, was du zu tun hast, falls ich vor dir sterbe ...“
Er grinste. „Ich habe mir längst gemerkt, wo er steht. Du hast mal wieder vergessen, dass du den Bund mit einem Sucher geschlossen hast.“
„Gib bloß nicht so an“, gab Rena lächelnd zurück, rollte die Kapuze ihrer Schwimmhaut aus und legte den Kopf hinein, um zu schlafen. Sie war froh, dass es Tjeri schon etwas besser ging.
Sie hatte ihren Baum im Alter von zehn Wintern gefunden, als ihr Onkel sie mal wieder zum Holzsammeln in den Weißen Wald ausgeschickt hatte. Erschöpft und hungrig war sie auf eine Lichtung gehinkt – und hatte die Luft angehalten beim Anblick einer großen, freistehenden Viveca, die ihre Äste majestätisch über die Lichtung wölbte. Ihre Blätter waren silberweiß und glänzten, als der Wind in die Baumkrone fuhr, wie Tausende von kleinen Spiegeln im Sonnenlicht. Wie alle Menschen der Erd-Gilde konnte auch Rena Bäume im Wind sprechen hören, und das Gedicht, das die Viveca flüsterte, verzauberte sie mit seiner schlichten Schönheit.
Sofort entschied sich Rena, bei diesem Baum zu rasten. Um ihn herum wuchs dichtes weiches Wintergras, und Rena machte es sich darin gemütlich und lehnte sich gegen den Baumstamm. Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick über die Lichtung. Es war ein kalter Tag, doch der Stamm schien Wärme auszustrahlen. Zwischen den Blättern hingen noch ein paar kleine dunkle Früchte, ein wenig verschrumpelt, aber süß von der Herbstsonne. Rena brauchte nur die Hand auszustrecken, um sie zu pflücken. Sie fühlte sich geborgen wie selten zuvor.
Seit diesem Tag kehrte sie immer wieder zu der Viveca zurück, zu ihrem Lieblingsplatz. Im Frühling und Sommer blühte der Baum in prachtvollem Rot, im Herbst war er überladen mit schmackhaften Früchten, die er freigiebig anbot. Dieser Baum war ein einziges Geschenk, das Wunder ihrer Kindheit.
Als ihr Onkel und Lehrmeister sie drängte, endlich einen Lebensbaum zu pflanzen – so war es in der Erd-Gilde Sitte –, sagte Rena: „Brauche ich nicht. Ich habe schon einen.“ Als er die Stirn runzelte, nahm sie ihn zum ersten Mal mit auf die Lichtung, zu der Viveca. Ihr Onkel warf einen langen Blick auf den Baum und nickte. Dann half er ihr, den grünen Stoffstreifen mit ihrem Namenszeichen am Stamm zu befestigen und sich mit dem Baum bekannt zu machen. Seitdem war die Viveca ganz offiziell ihr Baum und Renas Herz klopfte vor Freude.
Inzwischen wohnte Rena mehrere Tagesreisen entfernt an der Grenze zu Vanamee, sie konnte ihren Lebensbaum nicht mehr so oft besuchen. Zu ihm zurückzukehren war wie immer ein Fest. Obwohl es Spätsommer war, blühte die Viveca noch und der Duft durchzog die geschützte, sonnenbeschienene Lichtung. Tjeri ließ sich ein Stück entfernt im Gras nieder und stützte sich auf einen Ellenbogen. „Lass dich nicht stören, ich schaue unauffällig zu ...“
Rena setzte sich neben den Stamm und streckte sanft die Hand aus, legte sie auf die glatte Rinde. Die Aura der Viveca war stark und warm, hüllte Rena ein wie eine Umarmung. „Ich bin es“, sagte Rena leise, aber das war gar nicht nötig, schon veränderten sich die Gedichte, die ihr Baum im Wind flüsterte, hießen sie willkommen.
„Kann gut verstehen, dass du hier begraben sein willst“, seufzte Tjeri zufrieden und kaute auf einem Grashalm. „Das hier ist einer der schönsten Flecken von ganz Daresh. Das Seenland mal ausgenommen.“
Rena ging zu ihm hinüber. „So, jetzt muss ich dir noch genau zeigen, wo ich später mal zwischen den Wurzeln liegen will. Du wirst das schließlich mal organisieren müssen.“
Doch Tjeri schüttelte den Kopf und zog sie neben sich ins weiche Gras. Sanft nahm er ihre Hand. „Erklär das vielleicht besser auch jemand anders.“
„Wie meinst du das?“ Gedanken rasten durch Renas Kopf. Er schien zu denken, dass er früher sterben würde als sie! War er krank? Hatte er ihr etwas verschwiegen? Hatte der Angriff des Eis-Dämons im letzten Winter ihn irgendwie vergiftet?
„Erstens habe ich als Sucher eine Berufung, die nicht ganz ungefährlich ist“, sagte er ruhig. „Und zweitens hatte ich, als ich damals aus dem Kerker der Felsenburg zurückkam, so eine Art Vision, eine Traumsuche. Ich weiß, wie alt ich werde, und ich habe kein Problem damit. Es ist noch einige Winter hin, keine Sorge.“
„Ah. Eine Vision.“ Rena war etwas wohler zumute. Sie glaubte nicht an solche Dinge. Aber gefährlich war an Visionen, dass sie zu selbsterfüllenden Prophezeihungen werden konnten. Wenn er an die Vision glaubte, verhielt sich Tjeri vielleicht so, dass er nicht alt wurde ... und dann würde wahr werden, was er gesehen hatte.
„Weißt du was, wir könnten mal beim Mond-Orakel vorbeischauen“, schlug Rena vor. Sie schaffte es schon fast, heiter zu klingen. „Das ist nur ein paar Stunden Fußmarsch von hier. Dann soll uns das Orakel einen Tipp geben, wer wessen Begräbnis organisieren muss.“
Tjeri horchte auf. „Das Orakel, diese drei eigenartigen Kinder? Ja, das fände ich interessant. Man hört ja so viel davon in letzter Zeit. Warst du schon mal da?“
„Nein – aber das wäre doch ein guter Anlass“, meinte Rena. Sie gestand sich ein, dass auch sie neugierig war auf das Orakel. So etwas hatte es auf Daresh noch nicht gegeben. Ein guter Grund, um es sich anzusehen, selbst wenn ihre Frage nicht gewesen wäre.
***
Als Alena erwachte, merkte sie, dass Jorak wieder – oder immer noch? – mit offenen Augen an die Decke des Verstecks starrte. Sie legte den Arm über ihn. Ob er sich schon entschieden hatte? „Na, hast du gar nicht geschlafen?“
Ein brauner pelziger Kopf mit runden Ohren und menschlichen Zügen tauchte über der Kante des Bettes auf. „Nee, die Jagd war zzu gut heute, viel zzzu gut.“
Alena warf ein Kissen nach ihm und brüllte: „Cchraskar, du sollst mich nicht immer erschrecken! Außerdem will ich nicht, dass du hier einfach so reinplatzt!“ Sie war froh, nicht bei Zärtlichkeiten mit Jorak ertappt worden zu sein.
Jorak