Überlast und Kernschmelze. Renate Amelung
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Für Sabine hatte Isa einen mitleidigen Blick. Lev war kein Mann den man sich auf die Speisekarte setzt, den ein üppiger Ausschnitt oder ein Augenaufschlag aus der Fassung bringt. Wenn den Lev überhaupt zu ihrer bescheidenen Veranstaltung erscheint. Das war gerade genau ihr Problem. Lev und Gesellschaft, Smalltalk das passt nicht zusammen.
Nur sie kann jetzt nicht fünfzehn Leute ausladen wegen einem Egozentriker.
Klara und Hannes standen in der Küche
und hatten Tapas gezaubert, die sie auf gekaufte Alu-Tablets dekoriert hatten. Es gab Prosecco von einem Discounter, und Altbier vom Fass. Isa hatte das Atelier, das sich in einem alten kleinen Gewächshaus befand aufgeräumt, so gut es eben ging, denn es gab viel Krempel, Leinwände, unfertige Bilder, Ölfarben und Acryl Farben, Pastellkreiden, Pinsel, Töpfe und Tiegel. Das Glashaus selbst auch nicht der Hingucker alte Rohre, Kabel, defekte Scheiben, und eine not dürftige Stoffplane zur Beschattung. Die Privaträume in dem winzigen Backsteinhaus hatte sie abgeschlossen. Isa war geradezu erschrocken, als sie den Volvo von Lev als ersten Wagen sah der auf dem Hof einparkte. Die letzten Nächte hatte sie gebetet, er kommt und ist schnell weg, er kommt nicht, er kommt spät und alle anderen sind weg, er kommt nicht.
Jetzt war er da grüßte nur mit einem kurzen High. Ziemlich unhöflich die Hände in den Hosentaschen versenkt, dunkle Cargo Hose T-Shirt mit Knopfleiste, versteht sich. Die anderen kommen sicher in Prada und Kenzo. Die Vorstellung, die einstigen Mitschüler, gehen auf ihn zu und benehmen sich wie alte Kammeraden, schlagen ihm womöglich wie einem Kumpel auf die Schulter, war ein Albtraum. Doch halt! Warum sollten sie, er hatte sich äußerlich so sehr verändert, auch sie hatte ihn nicht erkannt, und wenn ein Künstler keinen Blick hatte war er kein Künstler. Prima, jetzt hatte sie sich selbst wieder Zweifel injiziert. Keine Chance ihn zu erkennen, es sei denn Sabine hatte Radio Eriwan gespielt und die Kunde vom auf linksgedrehten und dreimal gewaschenen Lev Czok verbreitet.
Da sah sie auch schon Bernd mit einer jungen Frau, die sie noch nie gesehen hatte, Nadine Beil, Uwe, Paul, Gabi, Günter und Sabine, ein paar Kunden vom Carlsplatz und Gabi hatte auch einige wenige Kunden aus ihrem Lädchen mitgebracht, ganz zum Schluss kam ihr Bruder Jonas, wie immer wirkte er gerade durch den Wind gekommen und auf der Jagd nach der Sensation, die er sicher nie vor die Kamera bekommt, geschweig einen lesbaren Text zusammenbekommt. Wer nicht kam war Pia, die war sicher wieder auf einer Fashion Show. Aus dem Augenwinkel sah sie wie Sabine versuchte mit Lev ins Gespräch zu kommen.
Wenn ein, zwei Bilder einen Käufer gefunden hätten, das wäre schon ein Erfolg gewesen, doch der einzige Mensch der sich wirklich für die Werke interessierte war Lev, auch wenn sie dachte er hätte gerne so manches Gemälde auf den Kopf gestellt. Wenigstens gab er sich Mühe sie zu verstehen.
Bernd machte aus dem Nachmittag eine Wahlveranstaltung für seine Oberbürgermeister Kandidatur. Auch sein Erfolg war mäßig, vor allen Dingen, weil er die meisten Teilnehmer schon auf dem Klassentreffen genervt hatte.
Jedenfalls war Lev nicht gekommen um sich satt zu essen oder mit Prosecco zu zuschütten. Was man von Bernd und Sabine nicht sagen konnte.
Es war nicht so, dass sich niemand von den alten Freunden für den fremden Mann interessierte, aber sie fragten Klara oder Hannes, und für die war er ihr Architekt.
War er denn so abgestürzt?
In Bernd Steiners Schädel befand sich ein Truppenübungsplatz, man übte den Gleichschritt. So sehr er sich anstrengte, er wusste nicht wie und wo der Tag gestern geendet hatte. Golfplatz, war das Letzte was noch vorhanden war. Er kroch aus dem Bett in dem eine Frau lag deren Namen er nicht kannte raffte schnell seine Kleidung zusammen und schlich über den Flur in die Tiefgarage. Hier im Neusser Swisshotel war er anonym. Trotzdem führte man ihn hier als Stammgast mit aller Diskretion. Es ist keine Premiere, dass er mit dickem Schädel und Gedächtnislücken hier wach wurde, aber heute hatte es ihn besonders schwer erwischt. Verdammt er hatte sein Handy verlegt, oder doch verloren?
Er fuhr in die Aurinstraße nach Hause in Neuss wo er mit seiner Frau und den zwei Kindern ein kleines altes Einfamilienhaus bewohnte. Er sah auf die Uhr. Die Zeit würde gerade reichen, bevor Beate wieder nach Hause kam. Jeden Morgen brachte sie erst die Kinder in die Schule und fuhr dann zur Konrad-Adenauer-Ring ins Einkaufszentrum und gab sein Geld aus. Eine Begegnung mit ihr am Morgen würde wieder eine endlose Diskussion auslösen. Und im gingen langsam die Argumente aus, zugegeben Ausreden. Die letzte die er sich zusammengereimt hatte war schon Haare sträubend. Anstrengende Sitzung über das Anschlussprojekt U-Bahn nach Oberkassel mit Rheinunterquerung. Das ermöglichte ihm einige Sitzungen vorzutäuschen, nur leider hatte er vergessen, dass solche Sitzungen in die Presse gehen, Bürger zu Wort kommen, Pläne ausliegen. Er musste eine andere Lösung haben und das Projekt verschwinden lassen.
Er hatte es demnach sehr eilig um ins Büro nach Düsseldorf zu kommen. Es war knapp, er bog nach links ab Richtung Norden als er den Wagen seiner Frau rechts um die Ecke biegen sah.
Sie hatten ein Abkommen, unausgesprochen, aber jeder von beiden hielt daran fest. Seine Frau Haus und Kinder und er Job und alle Freiheiten, solange die Kasse stimmte.
Sie hatten Ziele, sie Kinder mit Abitur die studieren können. Leider waren die auch nicht schlauer als er, der sein Abi gerade schaffte und so verschlangen sie Unsummen von Nachhilfestunden. Seine Zukunft war der Sitzwechsel vom Bürgermeister zum Oberbürgermeisters. Kurz er fand sie führten eine richtig gute Ehe.
Auf der Münsterstraße stellte er den Wagen ab und lief mit gebremsten Elan, dank Kopfschmerzen die Treppe hoch, verschwand an Frau Sommer vorbei im Büro. Warf zwei Aspirin in ein Glaswasser und stürzte es in die Kehle. Dann schrillte das Telefon verdammt laut.
„An welches Haus hast du gedacht?“, fragte Günter Stehn vom Bauamt. Der Ton gefiel Bernd gar nicht.
„Wie, was für ein Haus?“
Eine lange Pause entstand.
„Das Haus was du dem Senioren Verein zugesprochen hast.“
„Ich?“
„Ja du, liegt zumindest so auf meinem Schreibtisch, ist Gestern per Mail gekommen.“
„Ach, das vergiss es. Das war nur so ein Gedanke.“
Die Leitung schien wieder ein paar Minuten zu knistern.
„Bernd, versteh mich nicht falsch, aber deine Zusage steht schon in allen Zeitungen und soweit ich weiß ist unser Freund Uwe von Antenne Düsseldorf auch schon unterwegs zu dir.“
„Hmm…,“ Verdammt war das ein Filmriss! „Und da kann man nichts machen?“
„Nichts, drei Tausend bis fünf Tausend Quadratmeter, nicht gerade wenig. Mach kein Tamtam, denk an die Wahlen. Aus der Nummer kommst du nicht mehr raus. Und tröste dich, es geht nur um das Gebäude, wie das im Zustand ist das ist egal.“
„Wat ne Drieß. Was haben wir den so rumstehen? Halt, haben wir was mit Denkmalschutz?“
„Denkmalschutz? Warum?“
„Da können die Alten sich die Zähne dran ausbeißen, wenn die noch welche haben. Die werden das schon bereuen, dass sie mir das abgeschwatzt haben.“ Bernd legte auf. Zu seinem Erstaunen lagen die Verträge auch auf seinem Schreibtisch und er hatte sie tatsächlich unterschrieben.