Der verkannte Papst Alexander VI.. Walter Brendel
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Auf Fürsprache des Königs wurde Alonso 1429 zum Bischof von Valencia erhoben; wie damals üblich, musste der neue Bischof dem König die Würde finanziell ablösen.
Für Alfons, der den Thron von Neapel zu usurpieren gedachte (das Königreich Neapel war ein päpstliches Lehen) und die französischen Anjou vertrieben hatte, verhandelte Alonso mit dem Papst, mittlerweile Eugen IV., und erreichte 1439 einen Waffenstillstand mit Rom. Alonso führte sowohl im Auftrag des Königs die Verhandlungen mit dem örtlichen Adel um die Anerkennung der neuen Herrschaft als auch 1443 mit dem Papst, der schließlich die Herrschaft Alfons’ über Neapel anerkannte; im Gegenzug entzog der König dem Konzil von Basel − Sammelpunkt der innerkirchlichen Opposition gegen den Papst − seine Unterstützung.
Als Anerkennung für seine Dienste erreichte Alfons die Verleihung der Kardinalswürde, die Alonso 1444 als Kardinal von Valencia erhielt. Entsprechend den Sitten der Zeit begann er nun, die Karriere zweier Neffen zu fördern: dabei handelte es sich um die Söhne seiner Schwester Isabel, Rodrigo de Borja und Pedro Luis de Borja. Ersteren holte er 449 zu sich nach Rom.Unter dem 1447 zum Papst gewählten Humanisten Tommaso Parentucelli, der den Namen Nikolaus V. annahm, kam es in Italien zu weitreichenden Veränderungen: die Sforza bestiegen den mailändischen Herzogsthron (Francesco Sforza war einer der Condottiere Alfons’ in Neapel gewesen) und mit dem Fall Konstantinopels am 29. Mai 1453 gewann die Kreuzzugsidee neue Bedeutung.
Nach dem Tod Nikolaus’ V. 1455 standen sich im Konklave, das am 4. April des Jahres begann (und an dem 15 Kardinäle teilnahmen − so wenige werden es nie mehr sein), die Fraktionen der Colonna und der Orsini gegenüber. Doch keine der beiden Seiten war imstande, ihren Favoriten durchzusetzen. Der zunächst als Kompromisskandidat eingeführte Kardinal Bessarion scheiterte, damit schlug die Stunde des mittlerweile 77-jährigen Katalanen. Alt und von untadeligem Ruf, dazu ein versierter Jurist, schien der Kardinal von Valencia keine ernsthafte Bedrohung der herrschenden Interessen zu sein. Am 8. April 1455 erfüllte sich die Prophezeiung Ferrers und Alonso wurde gewählt. Der Grund der Namenswahl war zweideutig: Es könnte ein Eigenlob sein (griech. Kallistos, der Schönste, Glänzende) oder auch eine Anspielung auf den Santo Cáliz, den in Valencia verehrten Abendmahlskelch Jesu („Heiliger Gral“).
Sein Pontifikat stand zwar unter den Zeichen des Kampfes gegen die Türken, die das Abendland bedrohten, doch war er der erste Papst, der einem geradezu schrankenlosen Nepotismus huldigte. Seine anfängliche Zurückhaltung in dieser Hinsicht gab er 1456 auf. Im Februar 1456 wurden Rodrigo de Borja und sein Neffe Luis Juan de Milà zu Kardinälen ernannt.
Kalixt III. ernennt Enea Silvio Piccolomini zum Kardinal – Fresko von Pinturicchio
Bald zeigte sich, dass Kalixt III. in übergroßem Maß Verwandte und katalanische Landsleute förderte, was den ohnehin wenig volksnahen Spanier in Rom geradezu verhasst machte. Bereits 1457 wurde Rodrigo zum Vizekanzler der Kurie ernannt − einem Amt auf Lebenszeit, das als das wichtigste Amt nach dem Papst gilt und jedenfalls als das einträglichste der Kurie. Dazu wurde er zum Hauptmann der päpstlichen Truppen bestellt, während Pedro Luis die Kommandantur der Engelsburg und zahlreiche kirchliche Lehen übertragen erhielt.
Bald geriet Kalixt in einen Konflikt mit seinem früheren Förderer, dem König von Aragón, der als Alfons I. auch den Thron von Neapel innehatte. Während die Auseinandersetzungen eskalierten, sah der Papst im neapolitanischen König das Haupthindernis für sein größtes Anliegen, nämlich die Rückeroberung Konstantinopels und ein neuer Kreuzzug. Der König drohte dem Papst mit einem Konzil zu seiner Absetzung und der Papst mit dem Entzug des kirchlichen Lehens Neapel. Als Alfons auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen am 27. Juni 1458 starb, verweigerte er dessen Sohn Ferrante (dem späteren König Ferdinand I.) die Krone und zog das Lehen ein. Sein Neffe Pedro Luis wurde mit den Vikariaten von Terracina und Benevent belehnt, die bislang der verstorbene König innehatte, dazu wurde er mit der Führung der Truppen im unausweichlichen Krieg gegen die Aragonesen betraut − das Königreich Neapel sollte, so Kalixt’ Absicht, seiner Familie zufallen. Rodrigo, als Alexander VI. später selbst Papst, sollte diese Idee für seinen Sohn Cesare Borgia neuerlich aufgreifen.
Als Ende Juli Kalixt schwer erkrankte, stürzte das Machtgeflecht der Borgia zusammen: Pedro Luis musste die Engelsburg übergeben, während die Orsini ihre verlorenen Kastelle zurückeroberten. Am 6. August 1458 starb Calixtus in Rom.
Er veranlasste eine Revision des Prozesses gegen Jeanne d’Arc, in deren Verlauf sie rehabilitiert wurde, und sprach den Dominikaner Vicente Ferrer heilig, der ihm einst die Papstkrone vorhergesagt hatte.
Kalixt III. war nicht nur ein hervorragender Jurist, sondern auch den Glaubensanliegen verpflichtet, wie sein Engagement in Sachen Konstantinopel beweist. Er führte ein einfaches Leben, war jeder Prunksucht abgeneigt, hielt eine einfache Tafel und hatte keine Affären, und auch keine Kinder, was ihn aus der Vielzahl geistlicher Würdenträger der damaligen Zeit heraushob. Dies alles war auch ausschlaggebend für seine Wahl, dazu war er bereits alt. Auch hatte er als Kardinal seine Verwandten nicht mehr als üblich gefördert.
Den gewählten Päpsten wurde zugestanden, zumindest einen Verwandten zum Kardinal zu erheben, und auch die Belehnung von Verwandten mit kirchlichen Lehen und die Vergabe von einträglichen Pfründen war durchaus üblich und wurde akzeptiert. Da er bis zu seiner Papstwahl keinerlei Anzeichen der damals üblichen Macht- und Geldgier zeigte, meinte man, Alonso werde seine Zurückhaltung auch als Papst beibehalten.
Tatsächlich enthielt sich Kalixt weiterhin aller Affären oder eines aufwendigen Lebenswandels, nicht jedoch des Nepotismus. Auch seine Vorgänger − etwa Bonifaz VIII., der seine zahlreiche Verwandtschaft mit einer Vielzahl von Lehen bedachte − huldigten diesem Prinzip, doch keiner tat es so aggressiv wie Kalixt. Kleinere, erbliche Güter den Verwandten zukommen zu lassen, war durchaus verbreiteter Brauch. Zum ersten Mal aber sind unter Calixt die Bestrebungen des Papsttums darauf ausgerichtet, einem Papstnepoten ein über eine Grafschaft hinausreichendes Herrschaftsgebiet (in diesem Falle das Königreich Neapel) zu verschaffen. Mit dem Jahr 1458 beginnt eine Phase des Nepotismus, die man als territorialen Nepotismus bezeichnen kann. Für alle nach ihm folgenden Päpste sind die Mauern des Anstandes und der Selbstbeschränkung eingerissen. Sie werden in Zukunft auch nicht vor Mord oder Kriegen für die Güter ihrer Nepoten zurückschrecken.
Und mit einem Gerücht musste er, wie auch später sein Neffe Rodrigo immer kämpfen, dass die Borgias ein Judengeschlecht waren. Der Verdacht, die Borgia könnten Anhänger einer von der christlichen Kirche bekämpften Religion sein, hat schon die Fantasie ihrer Zeitgenossen stark beschäftigt. Dies umso mehr, als die getauften Juden in Spanien eine sehr bedeutende Rolle spielten.
Doch es gibt für diese Annahme nicht den geringsten Beweis.
Welches Blut auch immer in den Adern der Borgia geflossen sein mag, eines steht mit Sicherheit fest: Die Borgia waren nach ihrer ganzen Mentalität und ihrem Selbstverständnis Spanier. Sie sprachen untereinander spanisch. Selbst in der Öffentlichkeit unterhielt sich Alexander, besonders wenn er freudig erregt war, mit seinen Kindern auf Spanisch. Spanisch war fast die gesamte engere Umgebung der Borgia, von den Leibgarden Alexanders und Cesares über Hauslehrer und Hofstaat bis hin zu Michelozzo, dem berüchtigten Meuchelmörder in Cesares Diensten.