Der verkannte Papst Alexander VI.. Walter Brendel

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Der verkannte Papst Alexander VI. - Walter Brendel

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Vorliebe für spanische Mode und Tänze, ebenso wie ihre Begeisterung für den Stierkampf. Rodrigo brachte den spanischen Nationalsport nach Rom, Cesare in die Romagna. Nach mehreren Todesfällen wurde er aber wieder abgeschafft.

      ***

      Kehren wir zu Rodrigo zurück. Dem weiblichen Geschlecht war er trotz seiner Kirchenwürden sehr zugetan und verbarg dies – typisch für die Renaissance – kaum vor der Öffentlichkeit. Dass der freizügige Lebenswandel, bei vielen der zeitgenössischen Prälaten üblich, durchaus auch in der Kurie auf Widerspruch stieß, ist durch ein Schreiben Papst Pius’ II.2 – den Nachfolger seines Onkels als Papst - dokumentiert, in dem er den jungen Prälaten wegen seines Sexuallebens rügte.

      Und das geschah folgendermaßen: Gleich nach seiner Wahl berief Pius daher einen Fürstenkongress ein, der ein einheitliches Vorgehen der Christenheit gegen die Türken zum Ziel hatte. Dieser fand in Mantuas statt. Der Vizekanzler der Kirche Rodrigo tauchte in den Berichten über den Kongress nur einmal auf. Borgia war offensichtlich der Auffassung, dass der Verzicht auf die Annehmlichkeiten Roms kein Grund sei, auf jede Art von Vergnügung zu verzichten. Er nahm sich den mantuanischen Hof zum Beispiel, zu dessen Hauptvergnügen im Sommer Ruderpartien auf den ausgedehnten Gewässern und Kanälen der Umgebung zählten. Im Verein mit den Kardinälen Colonna und dEstouteville besorgte er eine Barke, die mit ihren Sängern und Musikanten bald zu einer geschätzten Bereicherung der Bootspartien wurde. Pius II. schien diese Art von Freizeitgestaltung seiner Kardinäle dem Anlass dieses Kongresses alles andere als angemessen, und er brachte dies auch deutlich zum Ausdruck.

      Die so gerügten geistlichen Weltmänner scheinen aber nicht nur mit ihrer Barke, sondern auch durch ihr Auftreten bei den im Sommer so zahlreich stattfindenden Gesellschaften in den Lustschlössern an den Ufern der Wasserwege Eindruck gemacht zu haben.

      Papst Pius II. unter einem Baldachin, geschmückt mit seinem Wappen; Fresko von Pinturicchio

      Und ein weiterer Rüffel ist in den Analen verzeichnet: Seine Vorliebe für das schöne Geschlecht war an der Kurie notorisch. Pius richtete dann auch ein zornentbranntes Schreiben 1460 an den damals neunundzwanzigjährigen Kardinal:

      Es sei ihm zu Ohren gekommen, dass er auf einem Gartenfest zu Siena wie ein liebestoller Galan in Erscheinung getreten sei; Auftritte dieser Art solle er bitte im Interesse seiner eigenen Reputation und der Würde des Heiligen Stuhls künftig unterlassen.

      Die in ihm enthaltenen Vorwürfe hat er dann zwar später in einem weiteren Schreiben abgemildert. Vermutlich nachdem sich sein erster Zorn gelegt hatte, dürfte ihm klar geworden sein, dass es im Interesse aller Beteiligten liegen würde, dem Ganzen eine möglichst harmlose Deutung zu geben.

      Doch Pius hätte sich auch an seine eigene Nase fassen können, denn vor seiner kirchlichen Laufbahn führte Enea Silvio Piccolomini, wie er mit bürgerlichen Namen hieß, ein Leben als Dichter und Lebemann und war in seinem Wirken ebenso widersprüchlich wie später als Papst.

      Am 19. August 1458 wurde Enea Silvio Piccolomini in einem dreitägigen Konklave in Rom zum Papst gewählt und am 3. September inthronisiert. In seinen Memoiren erinnerte sich Pius II. mit Abscheu an das abgekartete Spiel im Konklave. Die Wahl seines Papstnamens gilt als Anspielung auf den pio Enea, den ‚frommen Äneas“, von Vergil.

      Als Papst war Piccolomini nun ein entschiedener Verfechter des Papalismus und kämpfte für die Entscheidungsgewalt des Papstes in allen kirchlichen und weltlichen Belangen. So erließ er am 18. Januar 1460 die Bulle Exsecrabilis, die eine Appellation an ein allgemeines Konzil gegen den Papst mit der Exkommunikation belegte. Damit war dem Konziliarismus ein wichtiges Instrument aus der Hand genommen.

      Hatte man bisher nur die Macht des Christentums in Europa im Blick, so bahnte sich nun die Säkularisierung an, was Piccolomini lange vor seinem Papstamt bewusst war. Dies hat ihn sehr besorgt, denn er wollte die alte päpstliche Machtfülle wiederherstellen. Um Macht ging es auch in der Auseinandersetzung mit Georg von Podiebrad, dem König von Böhmen. Der vorgeschlagene Staatenbund-Plan und die Verweigerung des Obedienzeides bescherten ihm einen großen Streit.

      In dem deutsch-kanadischen Historienfilm >Das Konklave< werden die Umstände, die zur Wahl von Pius II. führten, aus der Sicht des damals noch jungen Rodrigo Borgia erzählt.

      Seine Stimme bei der Wahl von Papst Sixtus IV. hatte Kardinal Rodrigo Borgia eine Abtei mit vielen Burgen und einem stolzen Schloss als Gegenleistung eingebracht. Dieses „Geschenk“ zeigt, wie viel sein Votum schon dreizehn Jahre nach dem Tod Calixtus’ III. wert war. Als Vizekanzler hatte Rodrigo Borgia nach dem Papst die meisten Kontakte zu den europäischen Herrschern, die er durch Gewährung von Gnaden gewogen stimmen konnte. Das Geschick, das er bei solchen Geschäften an den Tag legte, wurde an der Kurie rasch legendär.

      Er verfügte nach einhelligem Zeugnis der Zeitgenossen über eine ungewöhnliche Beredsamkeit, gepaart mit psychologischem Scharfblick und juristischer Sachkenntnis. Das alles machte ihn zu einem Meister in der Kunst des Verhandelns. Allerdings wurden seine dabei erzielten Erfolge nicht nur auf diese Qualitäten, sondern mindestens ebenso sehr auf die Fähigkeit zurückgeführt, sein Gegenüber über seine wahren Absichten zu täuschen und dabei auch den kleinsten Vorteil rücksichtslos auszunutzen. Strenger denkende Zeitgenossen mochten dieses Gebaren missbilligen, doch auch sie mussten einräumen, dass die Kurie solche Kardinäle brauchte. Die gegenwärtigen Zeiten verlangten nach Kirchenfürsten mit politischer Durchsetzungs-fähigkeit.

      Die Päpstliche Kanzlei (Cancellaria Apostolica) war eines der ältesten Ämter der Römischen Kurie, ihre Gründung geht bis auf das 4. Jahrhundert zurück. Sie war anfänglich für die Ausfertigung, Beglaubigung, Versiegelung und Archivierung von Apostolischen Schreiben und päpstlichen Anordnungen zuständig. Sie wurde bis zum 12. Jahrhundert auch als „Scrinium Apostolica“ (Päpstliches Archiv) bezeichnet. Seit 1088 wurde sie vom „Kanzler der Heiligen Römischen Kirche“ geleitet. Der „Cancellarius“ darf nicht mit dem Camerlengo verwechselt werden.

      Rodrigo diente als Vizekanzler unter folgenden Päpsten:

      1455 – 1458 Kalixt III.

      1458 – 1464 Pius II.

      1464 – 1471 Paul II.3

      1471 – 1484 Sixtus IV.4

      1484 – 1492 Innozenz VIII.5

      Über Kalixt und Pius wurde schon kurz berichtet. Was zeichnete deren Nachfolger nun aus?

      Paul II.

      Pietro Barbo war der Sohn eines wohlhabenden venezianischen Kaufmanns, seine Mutter Polixena Condulmer war eine Schwester von Papst Eugen IV. Schon früh profitierte Pietro Barbo vom Pontifikat seines Onkels, der ihm gute Privatlehrer sandte.

      Im Jahr 1440 ernannte Papst Eugen IV. seinen Neffen Pietro Barbo zum Kardinal von Santa Maria Nuova in Rom. Außerdem war er Apostolischer Protonotar, Archidiakon von Bologna, ab 1440 Bischof von Cervia, ab 1451 Bischof von Vicenza und ab 1459 Bischof von Padua. Von seinen zahlreichen Pfründen ließ Pietro Barbo den römischen Palazzo Venezia erbauen.

      Am 30. August 1464 wählte ihn das Konklave nach dreitägiger Wahldauer im Vatikan zum neuen Papst. Eigentlich wollte sich Pietro Barbo Papst Formosus II. nennen, aber die Kardinäle überredeten ihn, diesen Namen nicht zu verwenden. Seine zweite Wahl fiel auf den Namen Papst Marcus II., doch auch der Name des Evangelisten erschien den Kardinälen als nicht angemessen, da sie wie Apostelnamen generell als Papstnamen unüblich sind (bei Papst Marcus I. war es der bürgerliche Name). So überzeugten sie Pietro Barbo, den Namen Papst Paul II.

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