Der verkannte Papst Alexander VI.. Walter Brendel
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Innozenz hinterließ viele Kinder (Octo nocens pueros genuit, totidemque puellas; hunc merito poterit dicere Roma patrem – „Acht Buben zeugte er unnütz, genauso viele Mädchen; ihn wird Rom mit Recht Vater nennen können“) und sein Nepotismus zu ihren Gunsten war so verschwenderisch wie schamlos. Seine Nachfahren wurden Herzöge von Massa und Carrara.
Es zeigt sich schon hier deutlich, dass die Vorgänger von Rodrigo Borgia all das an sich hatten und taten, was später nur ihm angelastet wurde.
Nun wurde es Zeit, dass er sich selbst als Papst ins Spiel brachte.
Das Konklave
Wenn Rodrigo Borgia zum Papst gewählt würde, müsste er mit seiner Krönung seine Pfründe abgeben. Es boten sich für reiche Kardinäle wie Rodrigo eine Vielzahl von gut dotierten Kirchengütern, die sich bei einer Wahl als Handelsgut einsetzen ließen. Er spielte mit hohem Einsatz, denn die Wahl hätte auch gut gegen ihn laufen können.
Im Konklave standen sich mit dem Neffen von Papst Sixtus IV., Giuliano della Rovere, und Ascanio Sforza zwei mächtige Kardinäle gegenüber. Della Rovere, der nach dem Tod des nur kurz amtierenden Pius III. tatsächlich als Julius II. Papst werden sollte, hatte eine mächtige Gruppe von Verbündeten um sich gesammelt: Neben Florenz und Neapel unterstützte mit Venedig eine dritte italienische Großmacht seine Kandidatur, ebenso Genua und der französische König Karl VIII.
Doch die Stimmenverteilung im Konklave entsprach nicht den Machtverhältnissen der Unterstützer. Die Gruppe der Della-Rovere-Gegner führte Ascanio Sforza, der Bruder des Mailänder Herzogs Ludovico Sforza an, der eigentlich selbst Papst werden wollte, doch mit siebenunddreißig Jahren zu jung und als Bruder des Mailänders als zu stark politisch vorbelastet galt.
Schon frühzeitig hatten Rodrigo Borgia und Ascanio Sforza eine gemeinsame Vorgehensweise abgesprochen. Wie der Humanist Giovanni Lorenzi schon vor dem Konklave festhielt: „Der Vizekanzler [Rodrigo Borgia] und Ascanio haben den Weltkreis untereinander aufgeteilt, und zwar wie folgt: Der Vizekanzler soll Papst werden, Ascanio aber Über-Papst.“ Zusätzlich hatte Ascanio von seinem Bruder Ludovico eine Blankovollmacht zum Stimmenkauf erhalten, da sie hofften, dass Borgia eine willige Marionette an den Fäden Sforzas sein werde. Ascanio und Rodrigo setzten sich durch, naturgemäß standen aber die ersten Jahre des Pontifikats unter dem massiven Einfluss der Sforza. Von ihm konnte sich Rodrigo Borgia erst nach den Auseinandersetzungen um die neapolitanische Krone, die den Niedergang der Sforza zur Folge hatten, lösen.
Betrachten wir mal die einzelnen Kandidaten und Bündnisse etwas genauer.
Die besten Aussichten hatten nach allgemeiner Meinung der Portugiese da Costa sowie die italienischen Kardinäle Ardicinio della Porta, Ascanio Sforza und Giuliano della Rovere. Für den Fall der Wahl della Roveres sollen der französische König 200000 und Genua 100000 Dukaten zur Verfügung gestellt haben.
Giuliano della Rovere
Giuliano della Rovere stammte aus ärmlichen Verhältnissen und wurde am 5. Dezember 1443 in Albisola, in der Provinz Savona geboren. Seine Eltern waren Raffaele della Rovere und dessen Ehefrau Theodora Manerola. Er war ein Neffe von Papst Sixtus IV. (Francesco della Rovere). Die della Rovere sind eine italienische Adelsfamilie der Renaissance. Der Familie entstammten neben den Päpsten Sixtus IV. und Julius II. ab 1508/21 die Herzöge von Urbino.
Seine uneheliche Tochter Felice della Rovere (1483–27. September 1536) heiratete den römischen Adeligen Gian Giordano Orsini.
Nach einer Erziehung bei den Franziskanern wurde ihm schon früh von seinem päpstlichen Onkel eine ganze Serie von Bischofsämtern übertragen, die er vom 16. Oktober 1471 bis zum Tag seiner Papstwahl am 1. November 1503 bekleidete: Er war zuerst Bischof von Carpentras (Frankreich) und wurde am 15. Dezember 1471 zum Kardinal mit der Titelkirche San Pietro in Vincoli erhoben. Vom 31. Januar 1472 bis zum 13. Januar 1473 war er Bischof von Lausanne (Schweiz), vom 13. Januar 1473 bis zum 23. Mai 1474 Bischof von Catania, vom 23. Mai 1474 bis zum 11. Juli 1476 Erzbischof von Avignon, vom 11. Juli 1476 bis zum 3. Dezember 1477 Bischof von Coutances, vom 3. Dezember 1477 bis zum 3. Juli 1478 Bischof von Viviers, vom 3. Juli 1478 bis zum 19. April 1479 Bischof von Mende, vom 19. April 1479 bis zum 31. Januar 1483 Bischof von Sabina, vom 31. Januar 1483 bis zum 3. November 1483 Bischof von Ostia, vom 3. November 1483 bis zum 20. September 1499 Bischof von Bologna, vom 20. September 1499 bis zum 24. Januar 1502 Bischof von Savona und vom 24. Januar 1502 bis zum 1. November 1503, dem Tag seiner Papstwahl, Bischof von Vercelli.
Aus seinen Diözesen bezog Giuliano della Rovere ein beachtliches Einkommen, das er als Freund der schönen Künste für die Errichtung vieler Paläste ausgab. Er hatte nicht nur einen ausgeprägten Kunstsinn. Auffällig war auch seine politische und militärische Begabung. Seinen Zeitgenossen erschien er als vitaler Tatmensch, dessen „geistige und körperliche Kraftnatur ungewöhnlichen Ausmaßes“ sie bewunderten. Auch sein Lebenswandel hatte eine vitale Seite, denn Giuliano della Rovere war Vater von drei Töchtern, darunter Felice Orsini (um 1483 bis 1536).
Im Juni 1474 bewies er sein Geschick als Heerführer, als er im Auftrag der Kurie ein Heer anführte, um die päpstliche Autorität in Umbrien wiederherzustellen. Wenig später war er päpstlicher Legat beim französischen König Ludwig XI.
Innerhalb der Kurie galt er als das Haupt der Opposition gegen Papst Alexander VI.
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