EINE EVOLUTION, ABER UNTERSCHIEDLICHE GESCHICHTEN?. Albert Helber

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EINE EVOLUTION, ABER UNTERSCHIEDLICHE GESCHICHTEN? - Albert Helber Mentale Evolution und menschliche Geschichte

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machte.

      Was ich am Beispiel des aufrechten Ganges im ersten Lebensjahr zu beschreiben versuche, ist ein Entwicklungsphänomen, an welchem sich die Plastizität des menschlichen Gehirns demonstrieren lässt. Korrekte Bewegungen entstehen nur durch Übung und Lernen und unser Gehirn macht Lernen möglich. Physiologie und Medizin kennen in der Zwischenzeit zahlreiche Beispiele für eine funktionelle Plastizität des Gehirns, indem sich dessen Neurone nach „funktionalen- und aktivitätsabhängigen“ Kriterien vernetzen: Bei Klaviervirtuosen wird die Repräsentation der Finger durch regelmäßigen Gebrauch im motorischen Cortex unseres Gehirns umfangreicher. Der Zuwachs ist Resultat des Lernens durch Wiederholung und macht das Erlernte durch Bahnung der dafür zuständigen Neurone zur Routine. Die Evolution hat uns die Möglichkeit des Lernens geschenkt. Was aber erlernt werden soll muss angestrebt und geübt werden. Nach Schlaganfällen mit Zerstörung unterschiedlicher Hirnareale können Behinderungen der Beweglichkeit oder Sprachausfälle auftreten. Das „selbstreferentielle System Gehirn“32 arbeitet „autopoietisch“, selbstorganisierend und offenbart Plastizität. Solange unbeschädigte Neurone noch in Kontakt zu sensorischen Einflüssen stehen, durch die üblicherweise Bewegungen oder Sprache ausgelöst werden, können diese die ausgefallenen Funktionen der Bewegung oder der Sprache zum Teil übernehmen. Die Übungsintensität entscheidet über den Erfolg einer Rehabilitation.

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      Lernen ist in der Evolution und auch in der Individualentwicklung eine Entwicklung formende Funktion. Das Lernen ist nach der Fähigkeit der Unterscheidung durch sensorische Intelligenz eine zweite genetisch festgelegte Fähigkeit des Menschen und ist eine lebenslang die menschliche Entwicklung formende Funktion. Ohne Lernen könnten wir uns nicht entwickeln oder überleben. Lernen beginnt als unbewusstes Lernen des Körpers, wird über lange Perioden der menschlichen Entwicklung im unbewussten Umgang mit Objekten als spielerisches- oder imitierendes Lernen wirksam bleiben und spät erst beim Menschen zu einem bewussten-, von Aufmerksamkeit gelenkten- und von Gefühlen und Gedanken intendiertem Lernen werden. Lernen ist eine Fähigkeit, die wir Menschen von unseren tierischen Vorfahren übernommen- und weiterentwickelt haben. Eine evolutionäre Intelligenz hat Lernen möglich gemacht und Bedingungen geschaffen, die Lernfähigkeit schufen: Nicht ein menschliches Bewusstsein hat das Lernen erfunden. Eine evolutionäre Intelligenz hat Lernen möglich gemacht und biologisch entwickelte Lernfähigkeit hat eine mentale Intelligenz und auch ein Bewusstsein geschaffen. Menschliches Bewusstsein hat aus einem unbewussten- und assoziativen Lernen allenfalls ein intendiertes Lernen entstehen lassen, das über weite Strecken ebenfalls assoziativ seinen Erfolg sucht.

      Erste Bedingung des Lernens ist immer ein Objekt, durch welches Lernen angestoßen wird. Wer lernt braucht einen Anlass oder einen Partner, der Lernen auslöst: Was erlernt werden muss ist in der biologischen Welt und auch beim Menschen immer ein Zusammenspiel von „Irritation und Reaktion“. Dieses kosmische Gesetz lenkt jegliches Handeln, Fühlen und Denken, mit denen umzugehen gelernt werden muss. Nach diesem Gesetz führen sensorische Wahrnehmungen zu Reaktionen. Diese Reaktionen oder Aktionen sind über weite Perioden in der biologischen Welt assoziativ erlernt- und dann genetisch angelegt worden. Das erste Objekt eines biologischen Individuums ist sein Körper, der lernen muss, sich zu entwickeln, sich gesund zu erhalten, der aber auch weh tun kann oder Lust entwickelt und nach Antworten sucht. Lernen beginnt als „Lernen des Körpers“. Seit Beginn der biologischen Evolution muss jedes biologische Geschöpf lernen, ein metabolisches- oder biochemisches Gleichgewicht, eine Homöostase zu entwickeln, wenn es überleben will. Ein starker und gesunder Körper entsteht, wenn chemische- oder elektrophysiologische Rückmeldungen jeder Zelle oder jedem Organismus annoncieren, was ihm schadet und was ihm nützt. Was einmal nützlich war wird fortbestehen, wird wiederholt und wird durch das o.g. „implizite Gedächtnis“ „erlernt“.

      In der Biologie ist Metabolismus die früheste Funktion, welche erlernt werden muss. Jedes biologische Geschöpf braucht Energie und Pflanzen mussten lernen, die Sonnenenergie zu nützen. Metabolisches Lernen ist eine nie endende Abfolge von Versuch und Irrtum: Ein interagierendes Funktionssystem aus chemischen- und elektrophysiologischen Reizen wird von Rezeptoren aufgefangen und entwickelt in Zellen, in Organen oder Organismen eine bestmögliche Anpassung. Bei Tier und Mensch wird metabolisches Lernen durch ein „motorisches Lernen“ oder eine „motorische Intelligenz“ ergänzt: Motorik sichert für Mensch und Tier die Nahrungsbeschaffung. Motorisches Lernen bedeutet die Mobilität von Tier und Mensch so zu standardisieren, dass Geschwindigkeit optimiert und Energieverbrauch minimiert wird. Durch fortgesetzte Rückmeldungen der muskulären Peripherie an unser lernfähiges Zentralnervensystem gelingt diesem schließlich die optimale Mobilität. Mit der Aufrichtung des Menschen in den letzten 6 bis 12 Millionen Jahren erhielt das senso-motorische Reagieren einen kräftigen Schub und macht motorisches Lernen zu einer ersten Basis, die neue Lernziele finden und sich weiter entwickeln wird.

      Das „Lernen des Körpers“ ist die früheste Stufe der biologischen Entwicklung. Meldungen aus dem Körper werden aber auch weiterhin eine Homöostase anstreben oder Krankheiten und Belastungen anzeigen. Nach dem Körper, der uns warnt und mahnt, werden Natur und Umfeld zur nächsten Spielwiese des Lernens. Man sammelt und findet, was nutzbar ist und nicht schadet. Lernen kann ein Mensch in erster Linie von jenen, die schon Erfahrung gemacht haben und geschätzt werden. Erfahrene, Alte und Weise werden zum Vorbild: Nachahmung wird zu einer wichtigen Form des Lernens. Wer von Natur und Umfeld oder von erfahrenen Menschen lernt, wird schließlich Sympathie und Vertrauen oder Antipathie und Misstrauen entwickeln. Er entwickelt Emotionen, die schließlich zu Gefühlen werden und nach Antworten in Form von sozialen- oder gedanklichen Intentionen verlangen. Umfeld und Menschen werden uns anregen. Sie werden uns aber auch aufregen und wir müssen lernen eine adäquate Antwort zu finden. Wir müssen lernen abzulehnen oder zu akzeptieren. Unsere Gefühle und Gedanken werden die menschliche Entwicklung begleiten, indem wir lernen auf eine Weise zu reagieren, die unserem Wesen entspricht. Immer antworten wir auf sinnliche Wahrnehmungen, auf angenehme- oder störende Irritationen, auf körperliche-, emotionale- oder gedankliche Einflüsse. „Irritation und Reaktion“, Anlass und Antwort lenken als kosmologisches Gesetz das menschliche Lernen und die menschliche Entwicklung.

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      Lernen stimuliert das Hirnwachstum. Lernen entsteht in neuronalen Strukturen, die schließlich zum Gehirn werden. Lernen wird zu einer die Evolution mitbestimmenden Funktion. Lernen profitiert vom Hirnwachstum und stimuliert es auch. Schon die evolutionäre Bereitstellung eines „impliziten Gedächtnisses“ oder einer lernenden senso-motorischen Intelligenz führt beim sich aufrichtenden Australopithecus zu einer Vergrößerung des Gehirns. Ist ein Schimpansengehirn etwa 385 cm3 groß, so schätzt man an archäologischen Schädelbefunden die Größe des Gehirns der Australopithecinen auf 400 bis 550, im Schnitt auf 450 cm3. In der Hominidenreihe wird sich das Hirnwachstum fortsetzen und beschleunigen. Für Homo habilis werden 640cm3, für den Homo erectus 940cm3 angegeben und das Gehirn des Homo sapiens ist 1230 cm3 groß. Größer ist nur noch das Gehirn des Homo neanderthalensis mit 1200 bis 1750 cm3, im Schnitt 1400 cm3. Lernen stimuliert das Hirnwachstum in der anthropologischen Evolution bis zum Homo neandertalensis und in der Individualentwicklung des Menschen bis zum Ende der Pubertät. Danach stagniert das Hirnwachstum, in der Evolution und auch in der Individualentwicklung. Lernen fördert das Hirnwachstum, doch stagniert dieses, wenn Gedanken oder Ideen aufkommen und schon erlernte Erfahrungen benutzt werden. Stimuliert Lernen das Hirnwachstum, während schon erworbenes Wissen ein weiteres Wachstum blockiert? Hat der Sapiens-Mensch aufgehört zu lernen? Hören wir nach Pubertät und Adoleszenz auf zu lernen, weil wir schon zu viel Wissen gesteigert haben?

      In der Evolution vom Tier zum Menschen zeigt sich v.a. eine Vergrößerung des cerebralen Cortex oder der Hirnrinde31: Der „Encephalisationsgrad“, eine relative Größe von Hirngewicht und Körpergewicht, offenbart bei Säugetieren üblicherweise ein Hirngewicht von 0,3% des Körpergewichtes, beim Menschen aber von 2%. Man hat auch das Gewicht des Rückenmarks mit dem Gehirn verglichen und

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