EINE EVOLUTION, ABER UNTERSCHIEDLICHE GESCHICHTEN?. Albert Helber
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Wie die Arbeit mit nichtmenschlichen Primaten Verhaltensformen offenbart, die sich bei den Hominiden fortsetzen und erweitern, hat die Neurophysiologie im letzten Jahrhundert Befunde erhoben, in welchen man Entwicklungstendenzen vom nichtmenschlichen Primaten zur Entwicklungslinie der Hominiden erkennen kann. 1950 beschreibt der kanadische Neurologe Wilde Penfield im Gyrus postcentralis des Gehirns durch elektrische Reizung Regionen, in welchen er Bewegungen in bestimmten Körperorganen oder Körperstellen auslösen kann. Penfield ist Epilepsieforscher und sucht nach einer Therapiefähigkeit für Epilepsie. Er verfolgt genau, welche Bewegungen er im menschlichen Körper auslösen kann, wenn er an unterschiedlichen Stellen des Gyrus postcentralis stimuliert. Er beschreibt mit diesen elektrischen Reizungen eine funktionale Architektur im motorischen Gyrus postcentralis, in welcher die Körperproportionen einen motorischen „Homunculus“ ergeben, mit großem Kopf, mit großem Gesicht und noch größerer Mund- und Kieferregion. Der Homunculus offenbart als zweite Besonderheit eine große Hand mit kräftigen Fingern und noch größerem Daumen.
Großer Kopf und große Hand sitzen auf einem schmächtigen Körper und kleinen Beinen und Füßen.
Bald nach Penfields Ergebnissen wird auch der sensorische Gyrus präcentralis untersucht und ergibt wiederum einen sensorischen Homunculus, in welchem jene Regionen unseres Körpers hervortreten, die sensorisch von besonderer Wichtigkeit sind. Zuerst offenbart sich das kosmologische Gesetz von Reiz und Reaktion in unserem Gehirn als anatomisches Gegenüber: Sinnliche Wahrnehmungen werden in dem der Sehrinde des Occipitalhirns zugewandten sensorischen Gyrus präcentralis bearbeitet. Sie werden im motorischen- und dem Frontalhirn zugewandten Gyrus postcentralis beantwortet. Reiz und Reaktion, Sinnliche Wahrnehmungen und motorische Antworten sind in unserem Gehirn anatomisch hintereinander geschaltet. Noch deutlicher offenbart der sensorische- und motorische Homunculus welche Funktionen in der Entwicklung zum Menschen auftauchten und wichtig wurden: Aus den Vorderbeinen der nichtmenschlichen Primaten wird in der sensorischen- und motorischen Repräsentation im Gehirn des Menschen eine große Hand mit langen Fingern und noch größerem Daumen. Die Feinmotorik des Greifens, des späteren Malens und Schreibens braucht eine umfangreiche Organisation des Gehirns. Allein beim Schreiben werden ca. 58 Muskeln benutzt. V.a. aber ist der Homunculus ein „Kopfmensch“, er ist ein den Kopf betonender Homunculus, weil Sehen, Mimik und Laut- oder Sprachfunktion beim Menschen zu wichtigen Funktionen werden und sowohl in der sensorischen- und der motorischen Rinde umfangreich vertreten sind. Die zum Lautapparat des Menschen gehörende Zunge besteht allein aus 9 unterschiedlichen Muskeln. Die menschliche Mimik beteiligt Stirn, Augen, Nase und Mund und wird von ca. 25 Muskeln und deren Zusammenspiel organisiert. Beim Lachen, so lese ich, werden im Gesicht 20 Muskeln und im restlichen Körper nochmals 80 Muskeln aktiviert. Ob wir glücklich oder traurig sind, ob wir lachen oder weinen, immer sind es eine riesige Zahl von Muskeln, deren Zusammenspiel in unserem Gehirn organisiert werden muss.
In der Zwischenzeit sind ähnliche Homunculi auch von unterschiedlichen Tieren erstellt worden. Sie zeigen, dass bei nichtmenschlichen Primaten bereits das Gesicht und die Mimik eine wichtige Rolle spielen. Beim Menschen kommt der Lautapparat und die Sprache dazu, demonstriert durch die Zunge auch in der menschlichen Linie. und nochmals die Greiffunktion und die Feinbeweglichkeit der Finger, demonstriert durch den übergroßen Greifarm mit den Fingern. Was wichtig werden sollte für den Menschen demonstrieren die Homunculi, indem herausgestellt wird, welche körperlichen Regionen des Menschen die umfangreichste neuronale Versorgung genießen.
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Das Gehirn reflektiert nicht nur das biologische Gesetz von „Irritation und Reaktion“ als sensorisches Zentrum im Gyrus postzentralis und als motorisches Zentrum im Gyrus präzentralis. Es offenbart auch im cerebralen „Homunculus“ jene Organe, die für die menschliche Entwicklung wichtig werden sollten. Vor allem aber ist das Gehirn eine Lernmaschine, für die der Hirnforscher Calvin den Namen „Darwin-Maschine“27 schuf. Die von Charles Darwin beschriebene Evolution folgt einem Prinzip der Selektion: Darwins Evolution ist ein dialektischer Prozess zwischen Veränderung durch Mutation und Anpassung oder Ablehnung in einem gegebenen Umfeld. Selektiert werden jene Veränderungen, die sich in ein gegebenes Umfeld einfügen können. Tatsächlich arbeitet unser Gehirn nach einem ähnlichen Prinzip, indem es in Millisekunden jene Aufforderung selektiert, die unter vielen Möglichkeiten, am besten auf sinnliche Wahrnehmungen reagiert und einem biologischen Akteur Nutzen bringt. Schon wenige Jahre nach Darwins „On the origin of species“ stellt sich der amerikanische Psychologe William James diese Fragezit.n.27. Heute vertreten zahlreiche Neurobiologen diese Theorie der Selektion auch für das menschliche Gehirn und William H. Calvin prägt den Begriff „Darwin-Maschine Gehirn“. Voraussetzung eines selektiv arbeitenden Systems ist eine Vielzahl an Angeboten, aus welchen eines unter Berücksichtigung vieler ganz unterschiedlicher Angebote selektiert wird. Das menschliche Gehirn beschäftigt sich mit vielen Einflüssen. Sie machen eine Selektion nicht nur möglich, sondern notwendig.
3. Vom Unterscheiden zum Lernen.
„Evolutionäre Intelligenz“