EINE EVOLUTION, ABER UNTERSCHIEDLICHE GESCHICHTEN?. Albert Helber

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EINE EVOLUTION, ABER UNTERSCHIEDLICHE GESCHICHTEN? - Albert Helber Mentale Evolution und menschliche Geschichte

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der biologischen Welt eine jeweils eigene-, nur vom einzelnen Tier oder seiner Art wahrgenommene Welt.

      Für höher entwickelte Säugetiere, für nichtmenschliche Primaten und auch für den Menschen entwickelt die Evolution eine 2. Strategie des Umganges mit sensorischen Wahrnehmungen. Eine sensorische Intelligenz durch neuronale- oder hormonale Bearbeitung von sinnlichen Wahrnehmungen entsteht. Orientiert sich die sinnliche Wahrnehmung weniger an einer angepassten Spezialisierung von Sinnesorganen, wie wir dies für Strategie 1 annehmen und bleiben sinnliche Wahrnehmungen für die große Gruppe der Primatenreihe mehr oder weniger die gleichen, so muss eine intelligente mentale Analyse der Wahrnehmung ein adäquates Reagieren möglich machen. Jedes tierische-oder menschliche Agieren vollzieht sich in einem Umfeld, das nach Antworten verlangt. Senso-motorisches Reagieren wird davon abhängen, ob eine sensorische Organfunktion eine notwendige Differenzierung leisten kann oder ob diese von einer neuronalen- oder hormonalen Bearbeitung des Wahrgenommenen geleistet wird. In der Reihe höherer Säugetiere und der Primaten bestimmt v.a. eine mentale Bearbeitung sensorischer Wahrnehmungen das Reagieren oder Handeln.

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      Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen beginnen als „Wahrnehmung“ von etwas und Wahrnehmung ist eine erste Realisierung eines außerhalb von mir existierenden Objektes. Mit Wahrnehmung wird für Tier und Mensch ein existierendes Umfeld begründet, dessen Objekte noch charakterisiert und bewertet werden müssen. Tier und Mensch realisieren: Etwas existiert außerhalb von mir, dessen Bedeutung mental erschlossen werden muss. Mit dem „Erkennen“ des Gesehenen, Gehörten, Gerochenen, Geschmeckten und Gefühlten beginnt eine zweite Stufe einer intelligenten Bearbeitung des Wahrgenommenen. Erste Unterscheidungen entstehen. Muster für Bedrohung oder Gefahr, für Überlegenheit oder Stärke, aber auch für Sicherheit und Schutz werden nicht nur wahrgenommen, sondern erkannt und mit einer Reaktion beantwortet. Diese Intelligenz des Erkennens v.a. von Gefahr wird über weite Epochen der biologischen Evolution das tierische Reagieren bestimmen und zur Entwicklung von Trieben und Instinkten führen, die auch noch den Menschen lenken, wenn er in eine Notwehrsituation gerät. Aus dem Erkennen sinnlicher Wahrnehmungen wird als nächster Schritt deren “Verstehen“. Aus dem erkennenden- wird ein verstehendes-, ein eine Situation und das Gegenüber analysierendes erstmaliges Subjekt und macht aus dem Gegenüber ein sympathisches- und vertrauenswürdiges-, gehasstes oder abgelehntes Objekt. Sinnliches „Erfahren“ ist schließlich eine letzte Form einer intelligenten Bearbeitung sinnlicher Wahrnehmungen. Diese werden einer subjektiven Bewertung unterzogen und als unter-schiedliche Gefühle erfahren. Sinnliche Wahrnehmungen werden zu seelischen Qualifizierungen. Sie werden als schön oder heiter, aber auch als furchteinflößend oder abstoßend erlebt, werden zu Gefühlen der Freude, der Lust, der Hoffnung, des Stolzes oder der Angst und der Wut. Sie werden als Gefühle selbst erfahren und jetzt auch bewusst erlebt. Menschliches Bewusstsein ist mit der Erfahrung sinnlicher Wahrnehmungen aufgekommen und ist die Voraussetzung, diese auch in Anderen zu verstehen. Aus einem bewusst gewordenen- und verstehenden Gruppenwesen ist ein mitfühlendes Individuum, ein empathischer Primat oder Mensch geworden, der genießt und leidet und beides auch in Anderen erkennt.

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      Sensorische Intelligenz, ob als Wahrnehmung durch Sinnesorgane, als neuronale Bearbeitung von Wahrnehmungen oder als Kompromiss aus beiden, nimmt wahr was für unser Überleben wichtig oder unwichtig ist. Sensorische Intelligenz interpretiert das Umfeld, entwirft Bilder und produziert „Vorstellungen“.

      

Die reale Welt oder das „Ding an sich“ in Kants oder Schopenhauers Diktion ist jetzt ein subjektives- und von jedem Tier und jedem Menschen unterschiedlich wahrgenommenes Produkt. Sensorische Funktionen und deren neuronale Kontrolle durch Erfahrung und Gedächtnis machen aus unseren sinnlichen Wahrnehmungen ein von der Realität sich unterscheidendes Konstrukt. Diese inzwischen allgemein akzeptierte Erkenntnis der Hirnphysiologie beschäftigt seit mehr als 2000 Jahren die abendländische Philosophie bis heute und führt in einen Streit um die Erfahrbarkeit der materiellen Welt und schließlich gar in einen Streit um deren Existenz oder Nichtexistenz. Mit Platons (427-348 v. Chr.) Höhlengeschichte wurde diese Diskussion eröffnet: In einer Höhle wirft das einfallende Licht von dort sitzenden Personen oder dort befindlichen Gegenständen ein Schattenbild an die Höhlenwand, aber kein reales Bild von beiden. Analoge Schattenbilder, so Platon, produziert auch unsere sensorische Intelligenz aus den uns zugehenden Wahrnehmungen. Umfeld und Welt sind für Platon zwar real vorhanden, doch werden sie nur als „Schatten“ oder als Konstrukte wahrgenommen. Die reale Welt oder deren wirkliche Gestalt ist allenfalls als menschliche Idee begreifbar. Mit dieser Vorstellung wird Platon zum Begründer eines europäischen Idealismus. Descartes (1596-1650) übernimmt die Thesen Platons und radikalisiert sie. Für Descartes existiert der Mensch in zwei Arten des in der Welt Seins: Er ist Körper und Geist, ist materielles Objekt und Bewusstsein, ist res externa und res cogitans und beide sind vollständig getrennt. Der Körper ist ein materielles Objekt und Teil der Natur. Bewusstsein und res cogitans sind ein göttliches Geschenk und nur dieses denkende Ich ist für Descartes gewiss: „Ich denke also bin ich“, sagt er. Mit dieser Philosophie wird Descartes zu einem Begründer des philosophischen Solipsismus oder eines radikalen Konstruktivismus. Eine Welt außerhalb meines Gedanken- und Ideen produzierenden Ichs existiert für Descartes allenfalls als Konstruktion und wir können noch nicht einmal sicher sein, ob sie real existiert oder nur in unserem Geist. Diesem radikalen Konstruktivismus widersprechen die englischen Aufklärer Locke (1632-1704) und Hume (1711-1776) und begründen Empirismus und Sensualismus. Für diese Philosophen beruht jede Erkenntnis des Menschen auf Erfahrungen, die er mit sensorischen Wahrnehmungen gewinnt. Erkenntnis ist dann ein Produkt aus Sinneswahrnehmungen und deren Bearbeitung durch Erfahrungen und Gedächtnis, ein Produkt aus Sensorik und Geist. Sie bleibt aber auch als Bild oder Vorstellung von der Welt noch eine reale Erkenntnis, denn sie vermittelt uns die Welt , in der wir leben.

      Der von Descartes und von den ihm folgenden Konstruktivisten ausgelöste Philosophenstreit über eine Welt, die nur im menschlichen Geist existiert, ist heute überwunden. Von Darwins Evolution wissen wir, dass eine materiale- oder biologische Welt schon lange existierte bis in einem letzten Wimpernschlag der Evolutionsgeschichte der Mensch auftaucht und spekuliert, philosophiert oder träumt. Wer naturwissenschaftliche Forschung betreibt und die Physiologie von tierischer und menschlicher Sinneswahrnehmung kennt, weiß, dass Sinnesorgane von Tier und Mensch oder die Bearbeitung von Wahrnehmungen durch neuronale Bearbeitung ein für jedes Tier und für jeden Menschen jeweils unterschiedliches Bild der Welt entwerfen. Es sind vom Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen und deren neuronaler Bearbeitung gestaltete und entworfene Bilder, aber es sind Bilder einer existierenden Welt. Was immer Tier und Mensch mit ihren Sinnen wahrnehmen ist von der Welt in der wir leben ausgelöst, hat einen realen Hintergrund, auch wenn von diesem realen Hintergrund oder dem „Ding an sich“ unterschiedliche Bilder oder Gestaltungen entworfen werden.

      6. Ich fasse zusammen

      Das früheste Erbe einer mentalen Evolution des Menschen sind von „evolutionärer Intelligenz“ erschaffene biologische Grundlagen: Deren Variationen schaffen Entwicklung und schließlich auch eine mentale Evolution des Menschen. Evolutionäre Intelligenz orientiert sich am kosmologischen Gesetz von „Ursache und Wirkung“ und verwandelt dieses in ein biologisches Gesetz von „Irritation und Reaktion“. Das biologische Gesetz von „Irritation und Reaktion“ aber muss lernen zu unterscheiden: Wer überleben und sich fortpflanzen will muss erkennen, was ihm nützt und was ihm schadet. Diese Existenzsicherung liefert eine „sensorische Intelligenz“.

      Die Sensorische Intelligenz ist eine Grundbedingung allen Lebens und wird in der biologischen Welt zahlreiche Variationen erfahren. Symbiose, Mutualismus und Kooperation sind akzeptierende biologische

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