was Leiden schafft. Hermann Brünjes

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was Leiden schafft - Hermann Brünjes Jens Jahnke Krimi

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Mischung aus Alt und Neu, einfarbig hellen Wänden und zwei abstrakten Bildern, offensichtlich Originalen. Einen Fernseher sehe ich nicht. Vielleicht ist der in dem großen Vertiko gegenüber der Sitzecke aus hellem Leder verborgen.

      Ich warte darauf, dass Frau Lohse weiterspricht und schaue sie fragend an.

      „Ja, ich denke, es geht um diesen Krater mit den Bomben.“

      „Sie haben vermutlich meinen Artikel gelesen?“

      „Ja, aber seit Mittwoch reden sie auch in der Apotheke immer wieder darüber. Granaten und Munitionsfunde hier bei uns. Das ist ja schrecklich!“

      „Und ich vermute, Sie mussten an Ben denken.“

      „Allerdings. Wir denken jeden Tag an Ben – aber nun kommt alles wieder hoch. Ich vermute, dass die Kinder, die dort gespielt haben und verletzt sind, ihn kennen.“

      „Dennis und Linus. Hat er mal von denen erzählt.“

      „Ja sicher. Das war seine Clique. Ich wusste natürlich nicht, dass sie mit alter Munition hantierten. Und sogar mit scharfen Handgranaten!“

      „Sie wussten aber, dass die Kinder im Krater spielten?“

      „Ja natürlich. Ben hat davon erzählt. Dort hatten sie ihre Hütte und gewissermaßen ihr Hauptquartier. Am Wochenende waren sie dann meistens an den Fischteichen.“

      „Auch das wissen Sie also. Kennen Sie den Besitzer?“

      Sie zögert. „Nicht näher. Ich habe ihn ein paarmal getroffen, wenn ich Ben dort abgeholt habe. Meistens fuhr er mit dem Fahrrad hin, manchmal habe ich ihn aber auch gebracht.“

      „Und wie fanden sie Malik Yilmatz, ‚Malle‘ genannt?“

      Sie streicht sich nachdenklich eine Strähne ihres sonst glatten, kurzen Haares aus dem Gesicht.

      „Na ja. Gemischt.“

      „Was bedeutet das?“

      „Er wirkt etwas, sagen wir, martialisch. Tarnkleidung, Bundeswehr, Geländespiele, Lagerfeuer, Angeln … all diese Pfadfindersachen findet er gut.“

      „Und doch haben sie ihm Ihren Sohn anvertraut?“

      „Ja, sicher. Ben hat total von ihm geschwärmt und die Zeit bei den Fischteichen hat ihm gutgetan. Er war manchmal sogar motiviert, etwas für die Schule zu tun.“

      „Haben Sie keine Angst gehabt, dass dieser Malle Ihren Sohn mit rechtem Gedankengut oder sonst ideologisch beeinflusst?“

      Sie schüttelt mit dem Kopf.

      „Nee. Dazu fehlt Malik das politische Bewusstsein. Er hat einfach nur Spaß am Draußen sein, Abenteuer, Action und Chillen mit einem Bier am Lagerfeuer.“

      „Na, das hört sich doch an, als kennen Sie ihn besser.“

      Sie lächelt wissend. „Ich war mal bei einem Grillabend dort.“

      Jetzt werden wir gestört.

      Geräusche kommen von der Eingangstür. Ein Mann steht in der Tür, Helge Lohse. Auch ihn habe ich anlässlich des Todes seines Sohnes vor einem dreiviertel Jahr kennengelernt. Er ist ein sportlicher Typ, IT-Experte und arbeitet in Lüneburg.

      Er wechselt seine Straßenschuhe gegen bequeme Pantoffeln, hängt seinen Wollmantel an die Garderobe und steht dann neben uns. Ich erhebe mich und wir dippen Corona-konform unsere Fäuste aneinander.

      „Herr Jahnke, der Journalist! Was verschafft uns die Ehre?“

      Seine Frau klärt ihn auf. Er runzelt die Stirn.

      „Sie meinen also, die Clique vom Krater oder dieser Malle haben etwas mit dem Tod von Ben zu tun?“

      „Nein, nein. Im Moment untersuche ich nur die Sache mit den Granaten. Aber es ist immerhin dieselbe Clique.“

      „Das stimmt. Doch bei Ben wurden weder irgendwelche Munitionsrückstände gefunden, noch hatte er eine Fischvergiftung. Ausgeschlossen an Ursachen für seine Erkrankung hat man so ziemlich alles, diagnostiziert leider gar nichts!“

      „Und was denken Sie?“

      Er schüttelt mit dem Kopf. „Ich denke gar nicht mehr. Sobald ich damit anfange, werde ich traurig und wütend zugleich.“

      „Warum wütend?“

      Hannah und Helge Lohse schauen einander an.

      „Weil die Ärzte ihm nicht geholfen haben. Weil sie ihn nicht obduzieren wollten. Weil man uns immer nur hingehalten hat: Sowas gäbe es eben immer wieder. Weil das Leben ohne ihn nicht mehr richtig rund läuft!“

      Ihm laufen Tränen über die Wange. Er wischt sie beschämt mit dem Handrücken ab. Auch seine Frau weint. Es wird Zeit für mich zu gehen. Ich reiße alten Wunden auf.

      Ich drücke mein Verständnis aus und bitte um Verzeihung.

      „Ist schon in Ordnung“, beruhigt sich Helge. „Uns ist ja auch schon aufgefallen, dass es sich um Bens alte Clique handelt. Zwar standen keine Namen in der Zeitung, aber es stand drin, wo sich die Explosionen ereignet haben. Und dieser Krater bei Himmelstal gehörte nun mal zum ‚Revier‘ unseres Sohnes und seiner Freunde.“

      *

      Während der Fahrt in die Kreisstadt empfinde ich eine seltsame Unruhe. Alles scheint logisch: Ich reiße alte Wunden auf und ein Ehepaar muss sich schmerzlich erinnern. Sie leiden sehr, sind verletzt und traurig. Wie auch sonst, wenn man einen Sohn verloren hat? Sie haben bereits eins und eins zusammengezählt und die Verbindung zum Krater und zur Clique hergestellt. Aber einen Zusammenhang mit Bens Tod sehen sie nicht. Wohl, weil es keinen gibt. Trotzdem.

      Als es um Malle ging, war Hannah komisch. Kannte sie ihn wirklich nur oberflächlich, oder besser als sie zugab?

      Samstag, 5. März

      Ich gestehe, ein bisschen nervös bin ich schon.

      Den Vormittag habe ich mit den Artikeln zum Baugebiet im Südkreis und dem gestrigen Abendtermin verbracht. Dann habe ich mir ein paar Nudeln gekocht und zwei Spiegeleier in die Pfanne gehauen, gegessen und noch einen Kaffee getrunken. Marens Rückkehr von der Frühschicht wollte ich diesmal nicht abwarten, da wir sonst noch Kaffee getrunken und geklönt hätten. Ich habe jedoch etwas vor und habe darauf extra bis jetzt gewartet.

      Vor dem Tor zu den Fischteichen steige ich vom Rad. Meine Kamera ist startklar. Das Tor ist nur angelehnt. Ich schiebe es beiseite und mein Stevens-Rad hindurch.

      Dann lehne ich es an den Stamm einer Erle. Noch sehe ich niemanden. Die Tannen versperren die Sicht. Erst als ich um eine Ecke biege, liegen die Fischteiche vor mir, umsäumt von Erlen und Weiden. Ein Mann werkelt irgendetwas vor der Hütte herum. Die wirkt baufällig, so als bedürfe sie nicht nur Farbe, sondern auch Reparaturen am Dach und mancher Holzteile.

      Am vorderen Teich stehen neben einer Holzbank zwei Jungen. Einer von ihnen ist Dennis, mein Nachbar.

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