was Leiden schafft. Hermann Brünjes
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„Ich auch, Maren. Hab‘ dir ja von meiner Pfadfinderzeit erzählt. Dies wäre für uns damals ein Traum gewesen! Gebüsch, Wasser, Wald, Hütte, Fische … ein Paradies!“
„Aber im Moment ist niemand hier.“
„So scheint es. Wollen wir mal versuchen, zur Hütte zu kommen. Vielleicht ist das Tor ja nicht abgeschlossen.“
Maren ist strikt dagegen. Ich verzichte darauf, mit ihr über Hausfriedensbruch und „du willst auch nicht, dass jemand auf unserem Grundstück herumschnüffelt“ zu diskutieren. Außerdem gehe ich davon aus, dass ich mir die Sache hier spätestens am Wochenende mal genauer ansehen werde.
„Komm, lass uns umdrehen. Es beginnt wieder zu nieseln.“ Sie zieht sich ihren Regenmantel über den Kopf und hakt sich bei mir ein. „Wir sind nun doch länger unterwegs als ich dachten. Ich will zuhause noch etwas schaffen und du musst vielleicht ja auch nochmal an den Schreibtisch.“
Da hat sie recht. Ich habe manches zu notieren und im Internet zu recherchieren.
Wir nehmen den Weg über die Holzbrücke. Selbst bei trübem Wetter begeistere ich mich am Ausblick von hier aus. Wenn man auf der Brücke steht, unter sich das plätschernde Wasser des Mühlbaches, schaut man westlich in eine graue Naturlandschaft. Die sumpfige Wiese ist mit schwarzen Binsengräsern bedeckt. „Lugbulten“ nannten wir sie als Kinder. In meiner Heimat haben junge Landwirte spaßeshalber einen „LugbultenKulturverein“ gegründet. Dabei waren gerade diese Binsen ihre erklärten Feinde, da sie das Weideland fürs Vieh zerstörten.
Weiter hinten ragen unsere zwanzig Windräder in den Himmel. Jetzt, in Dunst und Regen, sieht man die über 200 Meter hohen Anlagen nur teilweise und ab und zu einen der riesigen Flügel.
Der Blick zur anderen Seite, nach Osten, wird erst richtig schön, als wir den Pfad quer über die Wiese gehen. Die Kirche mit ihrem hohen Turm, davor die uralte, knorrige Dorfeiche und weiter vorn ein paar Gebäude, Weiden, Wiesen …
Himmelstal ist wirklich ein schönes Dorf und selbst im trüben Winter noch attraktiv. Na ja – wenn nur der Schweinestall, an dem wir vorbeikommen, nicht so stinken würde, die Pferdehalter und Landwirte ihre Höfe besser aufräumten, die grässliche Schutthalde der vor Jahren abgebrannten Scheune endlich verschwinden würde und der grüne Lastwagen nicht schon wieder direkt vor der Kirche abgestellt wäre …
Als wir in unsere Straße einbiegen wollen, kommt uns Enno mit Hund entgegen.
„Hallo Jens, hallo Maren! Auch mal an die frische Luft?“
„Klar. Wer, wie du, einen Hund hat, muss sich um ausreichend frische Luft ja nicht mehr sorgen.“
Er lacht. „Genau! Schaff dir einen Hund an und du beginnst eine Langzeit-Sauerstofftherapie!“
„Apropos Sauerstoff. Habt ihr gestern noch lange am Krater zugebracht?“
Maren wirft mir einen kritischen Blick zu. Sie hat offenbar keine Lust, nun über den Brand zu reden. Enno umso mehr.
„Bis es dunkel wurde. Wir haben den Krater gewissermaßen geflutet. Allerdings ist der Boden dort extrem porös und unser Löschwasser ist sofort versickert.“
„Ich gehe schon mal …“ Maren löst sich von meinem Arm. „Ihr könnt euch dann ja noch ein bisschen unterhalten.“
Sie geht das kurze Stück zu ihrem Haus. Mich allerdings interessiert, was Enno weiter zu berichten hat. Zwar haben wir gestern noch wegen der Zahlen telefoniert, aber mich interessieren inzwischen andere Dinge.
„Gab es noch weitere Explosionen?“
„Nee. Der von uns hinzugerufene Kampfmittel-Experte meinte, es seien wohl Handgranaten gewesen, die explodiert sind. So etwas habe ich in 42 Jahren aktivem Dienst bei der Freiwilligen Feuerwehr noch nicht erlebt. Wie gut, dass keinem der Jungs was Ernsthaftes passiert ist.“
Ich muss jetzt nicht widersprechen. Er redet auch schon weiter. „Jedenfalls sind die Fachleute aus Munster auch heute noch dort. Es scheint, in dieser Kuhle lagen diverse alte Granaten und Blindgänger. Das muss jetzt ausgiebig untersucht werden.“
„Hast du `ne Ahnung, wie die dorthin gekommen sind?“
„Nee. Früher war die Senke eine Kippe für Biomüll. Der Friedhof hat dort seinen Gras- und Baumschnitt entsorgt.“
Und Grabsteine samt Skulpturen, denke ich. Er scheint davon aber nichts zu wissen. Ich vermute, er kann mir doch nichts Neues mehr sagen, aber doch weiterhelfen.
„Enno, mal was ganz anderes, unabhängig von gestern. Du kennst doch alle hier in Himmelstal. Maren und ich waren eben im Froschweg. Da gibt es ja auf der rechten Seite diese Fischteiche. Ich glaube, dort steht auch ein Gartenhaus oder sowas. Weißt du, wem das alles dort gehört?“
„Nicht genau. Früher war das eine Art Refugium vom alten Gutsherrn Clemens von Bering. Aber der hat es vor zwei Jahren verkauft. Er wollte, dass jemand die Fischteiche wieder bewirtschaftet und hat wohl auch jemanden gefunden.“
„Weißt du wen?“
„Ich kenne ihn noch nicht. Wegen Corona gab es ja weder Osterfeuer, Weinfest noch sonst etwas, wo man sich hätte treffen können. In der Feuerwehr ist der neue Besitzer nicht, auch nicht beim Fußball. Ich glaube, er heißt Malik. Ich weiß aber nicht, ob das sein Vor- oder Nachname ist.“
„Und er ist nicht von hier?“
„Nicht aus Himmelstal oder aus einem der umliegenden Dörfer. Aber irgendwer hat mal erzählt, er komme aus Buckelheide, oben am Truppenübungsplatz. Und er soll beim Bund in Munster gewesen sein. Aber das war’s auch schon.“
„Und weißt du, ob er die Fischzucht wieder begonnen hat?“
„Hat er. Er beliefert sogar den Fischwagen vom Wochenmarkt gelegentlich mit frischen Forellen. Hat die Marktverkäuferin jedenfalls meiner Frau erzählt.“
„Und weißt du etwas davon, ob sich bei ihm Pfadfinder und Jugendliche treffen?“
„Stimmt. Jetzt fällt es mir wieder ein. Ich glaube sogar, deine Nachbarn haben mal erzählt, Dennis geht manchmal dorthin. Wieso fragst du das alles? Ist da was faul?“
Ich beschwichtige ihn.
„Nein, nein, wir haben eben nur dieses traumhafte Teichgelände gesehen. Da wollte ich mich mal danach erkundigen. Wäre doch ein schönes Wochenenddomizil dort.“
Er lacht und versucht seinen Hund zu bremsen, der ganz offensichtlich keine Lust mehr auf Gerede hat und weiter will.
„Da kommst du nun leider zwei Jahre zu spät.“
Donnerstag, 3. März
Den Vormittag verbringe ich am Schreibtisch in meinem Kellerbüro. Elske hat mir diverse Unterlagen aus ihrer Recherche per E-Mail geschickt. Gegen zehn Uhr ruft sie mich an.
„Moin Jens. Hast du alles gelesen?“
„Elske,