was Leiden schafft. Hermann Brünjes

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was Leiden schafft - Hermann Brünjes Jens Jahnke Krimi

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Presse. Niemand darf weiter. Lebensgefahr!“

      Zwei weitere Polizeiwagen heulen heran und parken am Rand des Ackers. Unzählige Blaulichter wirbeln durch die feuchte Luft. Die Beamten sperren den Zugang zum Acker. Ich bin schon durch, gut so. Weiter voran allerdings komme ich nicht – und muss ich auch nicht unbedingt.

      Ich zücke meine Canon. Einen Blitz brauche ich nicht. Von hier aus schaue ich zwischen Bäumen und Büschen hindurch in eine Senke oder sowas wie einen Krater. Unter mir kracht und funkt es. Einmal explodiert etwas. Fast denke ich an eine Handgranate – aber das kann ja wohl nicht sein. Vielleicht Feuerwerkskörper? Jedenfalls brennt der Busch und eine kleine Holzhütte steht in Flammen.

      Ein Krankenwagen hat es bis zum Rand der Senke geschafft. Sanis springen heraus und klettern mit einer Trage und einer großen Erste-Hilfe-Tasche hinunter. Zwei, nein drei Jugendliche stehen etwas weiter von mir entfernt am Rand des Kraters und schauen wie ich hinunter. Ein Sanitäter kommt von unten herauf. Er stützt einen Jungen, vielleicht 12 oder 13 Jahre alt, und hilft ihm den Abhang hinauf. Das Gesicht des blonden Jungen ist blutverschmiert und schwarz von Ruß. Er muss inmitten des Infernos gewesen sein. Eine zweite Person wird auf der Trage hochgehievt. Auch dieser Junge, etwas älter, ist verletzt. Aber er winkt den Jugendlichen zu. Immerhin lebt er.

      Ich fotografiere weiter.

      Jetzt ist das Feuerwehrfahrzeug zwar noch nicht freigekommen, sie haben aber lange Schläuche ausgerollt. Ich erkenne unseren Brandmeister Enno, Theo und Gerd. Die Himmelstaler Feuerwehr war als Erste am Brandort. Nun stehen mindestens drei weitere an der Straße. Ein Trecker kommt von unten über den Acker gefahren. Sie scheinen aber darauf zu verzichten, das Löschfahrzeug weiter zum Brandherd zu ziehen. Dafür versucht ein robustes Feuerwehrauto, fast schon ein Oldtimer, den aufgeweichten Acker zu überqueren. Es hat Erfolg und erreicht tatsächlich den Rand der Senke.

      Direkt neben mir wird es hektisch. Schläuche werden ausgerollt, Kommandos ertönen.

      Der junge Polizist ermahnt mich. Ich soll nicht im Weg herumstehen, sondern zurück zur Straße gehen! Okay, ich ziehe mich zurück. Allerdings interessiert es mich, was die Jungen dort hinten am Kraterrand zu berichten haben. Mindestens zwei Jugendliche sind verletzt abtransportiert worden und einer kannte die jungen Leute dort drüben.

      Als die drei bemerken, dass ich auf sie zukomme, befürchte ich einen Moment, sie laufen davon. Doch einer scheint mich zu kennen. Sie besprechen sich kurz und bleiben stehen. Nun erkenne ich unseren Nachbarsjungen.

      „Dennis. Wie gut, dass du nicht auch verletzt bist!“

      Er senkt den Kopf. Soweit ich weiß ist Dennis vierzehn Jahre alt. Jetzt trägt er nicht die Fußballklamotten oder Jeans mit T-Shirt, in denen ich ihn sonst gesehen habe, sondern so etwas wie Tarnkleidung. Auch die beiden anderen haben olivgrüne und gefleckte Klamotten an. Ich vermute allerdings, es sind keine Original- sondern improvisierte Tarnuniformen. Mir schwant nichts Gutes.

      Ich nicke in Richtung Polizeiwagen an der Straße.

      „Haben die euch schon befragt?“

      Sie schütteln mit dem Kopf. Ich wundere mich, dass sie nicht einfach abgehauen sind und sage das.

      „Wir wollten unsere Kumpels nicht im Stich lassen!“ erklärt Dennis mit leiser Stimme.

      Ich frage, wer die beiden Verletzten sind. Dennis nennt mir ihre Namen.

      „Und was ist passiert?“

      Die Jungen schauen sich gegenseitig an.

      „Es kommt sowieso raus!“ meint Dennis. Die anderen nicken. „Und wenn es in die Zeitung kommt, sollen die Leute wenigstens unsere Version lesen!“ Wieder nicken die zwei jüngeren. Dennis wird von ihnen offenbar als Wortführer anerkannt.

      „Ja, dann erzählt mal.“

      Ich zücke mein Handy und drücke auf Aufnahme. Die Jungen scheint das nicht zu stören und Dennis erzählt mir, was passiert ist. Als ich das Gerät ausschalte, ist mein journalistischer Einstieg nach 14 Tagen Corona-Quarantäne gesichert.

      Ich verzichte darauf, die Jungen zu fotografieren – das datenschutzrechtliche Theater mit den Eltern erspare ich mir. Ein alter Hase wie ich hat keine Lust mehr, sich durch Nebelkerzen ausbremsen zu lassen.

      Etwa zwei Stunden später hole ich mir noch ein paar Fakten und Zahlen zum Feuerwehreinsatz von Enno Diekmann, unserem Brandmeister. Dann schicke ich mein Material an die Redaktion.

      Mittwoch, 2. März

      „Nehmt euch ein Beispiel an Jens! Kaum gesund, liefert er eine Bomben-Story!“

      Florian reibt sich die fleischigen Hände und grinst über das breite Gesicht. Die anderen am Tisch der Redaktionskonferenz, einschließlich mir selbst, wirken nicht besonders fröhlich.

      Steini trägt heute ein T-Shirt mit „99Jahre“ und stilisierter Prinzenmütze, vermutlich ein Symbol des Braunschweiger Karnevalvereins, den er besonders gut findet. Er murmelt etwas vor sich hin. „Der hat die Bomben doch selbst gezündet“. Ich sitze direkt neben ihm, kann mich aber auch irren. Obwohl es zu Steini passt. Er ist permanent neidisch auf die Erfolge anderer.

      Laut sagt er: „Jahnke war ja auch ausgeruht. Wir dagegen mussten seine Arbeit wochenlang mitmachen.“

      Niemand geht auf die Bemerkung unseres Sportreporters ein. Man weiß: Typisch Steini. Der Endvierziger drückt sich gerne vor allzu viel Arbeit und treibt sich am liebsten auf Sportplätzen, in Vereinsheimen und auf feucht-fröhlichen Siegesfeiern herum. Und er klopft gerne Sprüche, besonders hohle.

      Unser Chef Florian Heitmann merkt nun wohl doch, dass sein vermeintliches Kompliment eher kritisch aufgenommen wurde. Schnell schiebt er ein weiteres nach, vermutlich um die Stimmung zu verbessern.

      „Elske, das soll nicht heißen, deine Karneval-Recherche war schlecht. Nein, im Gegenteil! Du hast einen richtig guten Artikel abgeliefert. Aber diese Story mit dem Granatenkrater ist nun mal doch was anderes.“

      Elske ist meine Lieblingskollegin, eine kluge, hübsche und wortgewandte Ostfriesin. Sie ist mit neunundzwanzig die Jüngste in der Runde. Eigentlich ist sie die Öffentlichkeitsbeauftragte der Redaktion, in Notzeiten jedoch arbeitet sie auch als Journalistin – und Notzeiten sind während der nun bereits zwei Jahre anhaltenden Pandemie nicht Ausnahme- sondern Normalzustand.

      Jetzt reagiert Elske auf ihre typisch hintergründige Art.

      „Danke, Chef. Aber du weißt hoffentlich, dass wir alle uns für diese wunderbare Tageszeitung und unseren noch großartigeren Chef immer und leidenschaftlich ins Zeug legen!“

      Florian merkt nichts von ihrer Ironie. Er nickt.

      „Danke Elske, natürlich weiß ich das.“

      Ich nehme Elskes Bemerkung als Vorlage, da ich mich beim Stichwort „leidenschaftlich“ an das gestrige Gespräch mit Maren erinnere. Wir wurden ja durch die Sirene unterbrochen, das Thema finde ich aber bemerkenswert.

      „Chef, ist ja klar, dass ich an der Bombenstory dranbleibe! Da steckt vielleicht sogar mehr dahinter als Kinder, die mit dem Feuer spielen. Aber da ist noch was, etwas hoch Aktuelles jetzt nach dem Karneval. In gewisser

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