was Leiden schafft. Hermann Brünjes

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was Leiden schafft - Hermann Brünjes Jens Jahnke Krimi

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überlegt einen Moment und kratzt sich dabei den Arm mit dem Brandverband. „Ich glaube nicht. Vielleicht kriegt er noch was vom Bund. Er war dort bei den Panzerfahrern.“

      Jemand taucht in der Tür auf, die ich einen Spalt weit offengelassen habe. Es ist Schwester Grimmig.

      „Sie sind ja immer noch hier! Fünfzehn Minuten habe ich Ihnen erlaubt.“ Ihre Mine bestätigt meine Namensgebung. Der Onkel muss das Zimmer verlassen.

      Linus ist ein cleverer Bursche. Er spielt mit.

      „Danke für das Handy, Onkel Jens!“

      „Gern geschehen, Linus. Hoffentlich hast du hier Empfang. Und ich hoffe, du wirst schnell wieder gesund.“ Mit einem nachdenklichen Blick auf die Krankenschwester ergänze ich: „Immerhin bist du ja im Krankenhaus.“

      Die Bemerkung meine ich ernst. Mich machen Krankenhäuser eher krank als gesund. Dreimal war ich hier. Einmal waren sie überfordert und mussten mich deshalb nach Hamburg transportieren, zweimal habe ich mich erst zuhause erholt.

      Als ich durch die Drehtür ins kühlfeuchte Draußen trete, atme ich tief durch und fühle mich deutlich besser. Seltsam, wie Räume uns auf Gemüt und Stimmung schlagen können.

      *

      Als ich gegen drei Uhr zurück in Himmelstal bin, hat sich Maren einen Kaffee gekocht und sitzt in der Küche.

      Sie war, wie ich, in Quarantäne und hat ab heute Frühdienst. Ich ziehe mir einen Kaffee aus der Maschine und geselle mich zu ihr. „Und, wie war dein erster Tag?“

      Sie lächelt, nippt an ihrer Tasse und schaut mich an. „Vor allem nerven die Hygienemaßnahmen wegen Corona. Ansonsten sind wir in Lüneburg noch nicht wieder am Limit.“

      Dann erzählt sie davon, dass nun auch zwei ihrer Kollegen in Quarantäne sind. Ein Arzt hat sich krankgemeldet. Die Schwestern munkeln, er sei schlicht überarbeitet. Allerdings sei die „Omikron-Wand“ nicht so steil ausgefallen, wie in den Medien befürchtet und hat sich sowohl auf der Intensivstation als auch auf den anderen Stationen nur mäßig ausgewirkt. Es sei also alles in Ordnung, meint Maren – und es würde mich auch wundern, wenn meine Liebste jammern oder klagen würde.

      „Trotzdem muss ich mich ganz schön umstellen“, beendet sie ihren Bericht. „Zwei Wochen Zwangsurlaub mit Ausschlafen, Fernsehen, Lesen und Zeit im Überfluss – und nun wieder der ganz normale Wahnsinn. Aber vermutlich ist es bei dir ähnlich. Wie war die Konferenz? Sind alle gesund? Und wie geht’s der hübschen Elske?“

      Verschmitzt und herausfordernd lächelnd schaut sie über den Tisch. Maren und meine junge Kollegin verstehen sich hervorragend. Manchmal gehen sie in Lüneburg gemeinsam shoppen oder treffen sich auf einen Kaffee. Ich habe den Verdacht, dann reden sie auch über mich. Natürlich weiß Maren, dass ich Elske toll finde. Sie mag auch gelegentlich ein bisschen eifersüchtig sein – aber sie weiß genau, dass da nichts läuft, was unserer Beziehung schädlich wäre. Trotzdem, gelegentliches Sticheln wegen Elske kann sich Maren nicht verkneifen. Am besten, ich ignoriere das.

      „Ach Maren, wie soll eine Konferenz an einem Aschermittwoch schon sein. Steini erschien mit Braunschweiger Karnevalshirt und dummen Sprüchen, Florian hat sich mal wieder mit unsensiblen Komplimenten ins Fettnäpfchen gesetzt und Elske wickelt ihn lässig um den Finger.“

      Ich erzähle ihr von den Ergebnissen.

      „Dann wirst du also wieder mit Elske zusammenarbeiten. Vergiss nicht, sie mal mitzubringen!“ Sie lacht. „Und ihr habt tatsächlich drei Reportagen zur Passionszeit gekriegt. Das ist ja toll! Weißt du schon, wie ihr es angehen wollt?“

      „Zuerst will ich in der Sache mit der Explosion gestern Abend weiterkommen. Von Themen rund um Altlasten aus beiden Weltkriegen und der heutigen Rüstungsindustrie ist es zum Thema ‚Leiden und Sterben‘ nicht mehr weit. Ich will dann in der Woche vor Karfreitag die religiösen Akzente stärker betonen.“

      „Verstehe. Du willst also zunächst mal Detektiv spielen.“

      „Genau. Damit habe ich schon begonnen. Es gibt da im Zusammenhang mit der Jungen-Clique, die mit Handgranaten spielt, noch ein paar weitere Fragen.“ Mir fällt etwas Gutes ein. „Hast du Lust auf einen Spaziergang? Dann erzähle ich dir unterwegs davon.“

      „Ich bin zwar ziemlich K.O., aber vielleicht tut uns die frische Luft ganz gut.“ Maren ist einverstanden.

      Die „frische Luft“ erweist sich als immer noch feucht. Wir nehmen unseren gewohnten Rundweg durchs Dorf, dann an der Mühle mit den Teichen vorbei und am Pferdehof biegen wir rechts ab. Nun haben wir freien Blick auf den kleinen runden Kraterwald oberhalb des Wirtschaftsweges, den wir einschlagen. Auf dem Acker stehen zwei blaue Kleinlaster. Ich vermute, sie gehören zur Kampfmittelbeseitigung. An der Straße, dort wo gestern mein Fahrrad am Baum lehnte, parkt ein Polizeiwagen. Die Untersuchungen des Kraters gehen heute also weiter.

      Ich habe Maren alles erzählt.

      „Sie werden dort oben vermutlich noch länger brauchen, bis alles gecheckt ist“, meint sie und zeigt hinauf.

      „Ich vermute, sie werden den ganzen Krater leerräumen und dann alles wieder auffüllen. Heutzutage wird alte Munition nicht mehr einfach irgendwo verbuddelt.“

      „Und du gehst mit mir jetzt hier entlang, um das zu sehen?“

      „Auch. Aber nicht nur.“

      „Nicht ‚nur‘ bedeutet, du willst ab hier nun endlich unsere Zweisamkeit genießen?“

      „Auch.“

      Maren boxt mich in die Seite. „Ich habe es mir gedacht! Du willst auch noch einen Blick auf die Fischteiche werfen!“

      Ertappt. Statt rechts in die Wiesen und zur Brücke über den Mühlbach abzubiegen, gehen wir noch ein Stück geradeaus. Diesen Weg nennen die Einheimischen „Froschweg“.

      Links liegt der riesige Acker, rechts Büsche, dahinter sumpfige Wiesen. Zwei kleine Weiden mit Ställen für Ponys, ein weißer, schäbiger Wassertank, Erlen- und Weidengestrüpp. Der zu Beginn asphaltierte und dann sandige Weg wird matschiger. Rechts wachsen dichte Buschrosen. Wie alles andere, sind sie jetzt kahl und braun. Der Weg wird zum Hohlweg. Rechts stehen nun Tannen und ein breites Tor aus rostigem Metall dazwischen. Man kann wegen der dichten Nadeln nicht genau sehen, was dahinter ist. Es scheint eine Hütte oder ein Wochenendhaus zu sein. Dass hier jemand ein und ausfährt, sieht man an Reifenspuren im feuchten Boden. Sie könnten von einem Quad stammen.

      „Komm, lass uns noch ein kleines Stück weitergehen.“

      Ich ziehe Maren am Ärmel. Sie lacht.

      „Kein Problem – obwohl wir hier schon oft gewesen sind!“

      Das weiß ich natürlich. Intensiv angeschaut habe ich es mir aber bisher nicht. Wir gehen jetzt durch einen Hohlweg. Zu beiden Seiten gibt es unzählige Haselnusssträucher, zum Teil riesig. Ihre geraden Triebe erinnern mich an meine Jugend. Dies hier ist ein wahres Paradies für Jungen, die ihre Flitzebögen selber bauen! Links geht es steil hinauf. Man kann den Acker oben wegen der Böschung, Büschen und Bäumen nur erahnen. Rechts geht es hinab. Zwischen Büschen und Erlen zieht sich ein Graben am Weg entlang, davor ein Zaun aus krummen Drähten.

      Hinter

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