was Leiden schafft. Hermann Brünjes
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„Ja. Rädelsführer war allerdings seit letztem Sommer eher Linus, jener ältere Jugendliche, den sie auf der Trage abtransportiert haben. Er liegt noch mit Verbrennungen und einer Fleischwunde am Oberschenkel im Kreiskrankenhaus. Der andere verletzte Junge hatte nur leichte Verbrennungen und ist schon gestern wieder entlassen worden. Insgesamt waren sie zu fünft im Krater, als die Granate hochging.“
„Was sagen die Sprengstoffexperten? Was ist da explodiert?“
„Das wollte mir die Polizei nicht sagen. Sie haben Experten aus Munster eingeschaltet. Allerdings hat Dennis es mir verraten. Es war eine alte Handgranate. Auch später, als ich schon oben am Rand des Kraters stand, ist eine solche Granate explodiert. Dennis meint, sie hätten drei davon in ihrem Depot gehabt.“
„Das hört sich ja gefährlich an.“ Elske schüttelt den Kopf. „Und wie kam es zu Explosion? Doch nicht einfach so.“
„Richtig. Die Jungs haben die Granate gezündet.“
„Was? Sie haben sie absichtlich hochgehen lassen?“
„Mehr oder weniger. Sie haben nicht gedacht, dass das alte Ding noch explodiert – und schon gar nicht mit solcher Sprengkraft gerechnet. Linus hat eine der drei Handgranaten zwischen zwei Steinen festgeklemmt, eine Schnur am Sicherungshebel befestigt, sie haben sich in Sicherheit gebracht und er hat an der Schnur gezogen. Da ist die Granate hochgegangen und alles hat gebrannt. Später sind durch die Hitze auch die beiden anderen noch explodiert.“
Elske schaut mich ungläubig an. Sollte sie jemals Kinder haben, wird sie diese von Munition jeglicher Art jedenfalls fernhalten.
„Und die Jungs haben dort wirklich scharfe Munition gefunden und deponiert?“
„Ja. Sie haben sich im Krater eine Hütte gebaut und dazu Steine und Material zusammengesucht. Das Loch wurde von der Kirchengemeinde über viele Jahre als Friedhofsdeponie benutzt. Man hat Friedhofsabfälle dorthin gebracht, sogar alte Grabsteine und zerbrochene Skulpturen. Außerdem haben die Bauern ihre Feldsteine vom Acker dort reingekippt. Die Jungen haben das alles als Baumaterial für ihre Höhlenhütte genutzt. Beim Buddeln fanden sie dann auch alte Munition, meist verrostet und nur noch in Einzelteilen. Aber es waren eben auch diese Handgranaten dabei und auch mehrere, noch gut erhaltene Granaten.“
„Aber waren die Jungs nicht alt genug, die Gefahr zu erkennen? Mit vierzehn weiß man doch genug über sowas.“
„Natürlich. Aber in dem Alter reizt die Gefahr möglicherweise mehr als dass sie Angst macht. Die Jungs haben die Granaten ja auch gar nicht behalten.“
Elske staunt. „Davon stand nichts in deinem Artikel.“
„Es wäre auch zu früh. Dem will ich jetzt weiter nachgehen. Dennis hat erzählt, dass sie ihre Funde verkauft haben.“
„An wen?“
„An einen ehemaligen Bundeswehrsoldaten. Er hat vor etwa zwei Jahren die Fischteiche in der Nähe dieses Ackers mit dem Krater gekauft. Die Jungen durften bei ihm fischen und er hat sich in gewisser Weise um sie gekümmert.“
„Was heißt das denn nun: Gekümmert?“
„Das heißt, Dennis wollte den Namen des Mannes zunächst nicht rausrücken. Die Jungen lieben und bewundern ihren ‚Malle‘. Er grillt mit ihnen, lehrt sie schwimmen und tauchen, zeigt ihnen wie man angelt, bringt ihnen Knoten und Überlebenstricks bei und hängt mit ihnen auch einfach nur ab …“
„Malle? Das klingt doppeldeutig. Kommt er von Mallorca?“
„Nein, Malle ist sein Spitzname. Malnik Yilmatz heißt der Mann.“
„Und dieser Malle hat die Jungs der Gefahr im Krater ausgesetzt und sie sogar noch für ihre tödlichen Funde bezahlt?“
„Allerdings. Bezahlt hat er sie vor allem mit seiner, sagen wir, pfadfinderischen Betreuung und mit Fisch.“
„Mit Fisch?“
„Ja, alles was sie geangelt haben, durften sie behalten. Auf diese Weise haben die Jungen ihre Familien versorgt und manchmal sogar noch Fische verschenkt.“
Elske schaut mich angewidert an. Von Fisch hält sie nicht besonders viel, das weiß ich. Ich dagegen liebe Fisch und angle sogar gerne, wenngleich ich auch keinen Angelschein habe.
„Ja, Elske, ich weiß … aber Dennis und seine Kumpels waren nun mal begeistert von Malle und seinen Fischteichen.“
„Du sagst, die Jungen trugen Tarnuniformen. Das hört sich für mich ziemlich militärisch und damit verdächtig an.“
„So sehen wir es, ja. Aber auch Pfadfinder lieben Uniformen. Was die Clique da im Krater und auch bei Malle und an seinen Teichen getrieben hat, klingt teilweise nach Kriegsspiel und paramilitärischem Training – aber man kann es auch als naturverbundenes Waldläuferdasein betrachten. Hütte bauen, Bogenschießen, Knotenkunde, Überlebenstraining, Spurensuche, Fischen … das hat schon was für manche Jugendliche.“
„Aber du bist sicher, dass dieser Malle kein Kinderschänder ist? Oder ein Nazi? Oder eine andere Art von Wolf im Schafspelz?“
„Nein. Sicher bin ich mir da ganz und gar nicht. Ich werde diesen Fischteichen und deren Besitzer sobald wie möglich einen Besuch abstatten. Vielleicht kriege ich es raus.“
„Wenn nicht die Polizei ihn bereits eingebuchtet hat!“ Elske weiß auch jetzt sofort, was Sache ist und liest in meiner Mine. „Oh. Oder weiß die Polizei von Malle und den Fischteichen noch gar nichts?“
Sie hat es erfasst. Dennis und seine Kumpels haben sich geweigert, der Polizei von Malle zu erzählen. Ich habe ihnen nicht widersprochen. Auch der Junge im Krankenhaus wird nicht mehr erzählen, als unbedingt nötig. Da sind die Jungs sich sicher. In die Zeitung habe ich davon natürlich auch nichts gebracht. Ich zucke also unschuldig mit den Achseln.
„Ich überlasse es den Jungen, was sie der Polizei verraten – und der Polizei, eigenständig zu ermitteln. Im Moment jedenfalls weiß die Presse ein bisschen mehr als die Polizei.“
„Und du willst nicht mit denen kooperieren?“
„Doch, natürlich. Sie werden mich sicher wegen des Artikels kontaktieren.“
„Aber von Dennis und dem Geheimnis der Clique wirst du nichts verraten, wie ich dich kenne.“
Ich grinse mein verschlagenes Reportergrinsen. „Informantenschutz. Davon müsstest selbst du schon gehört haben.“
*
Nachdem Elske in ihrem weißen T-Cross davongerauscht ist, gönne ich mir einen Döner. Auch wenn ich nicht allzu gerne am Schreibtisch in der Redaktion sitze, ich genieße doch den Aufenthalt in der Stadt. Für jemanden, der in Himmelstal wohnt, erscheint selbst unsere Provinzhauptstadt wie eine Metropole. Drei oder vier Dönerbuden zur Auswahl, mehrere Eisdielen und Cafés – da zieht es Jens Jahnke nicht so schnell zurück ins Dorf.
Heute allerdings will ich nicht nur schlemmen, sondern noch einen Besuch im Kreiskrankenhaus machen.
Ich parke meinen Golf außerhalb der Schranke auf dem Seitenstreifen und erspare