was Leiden schafft. Hermann Brünjes

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was Leiden schafft - Hermann Brünjes Jens Jahnke Krimi

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vor allem unglaublich viel Geld! Fast zehn Milliarden Euro im letzten Jahr – mit diesem Geld könnte man den Welthunger beseitigen!“

      Wieder entsteht eine Pause am Telefon.

      Mir brummt nicht nur der Kopf vor Zahlen und Informationen, auch mein Ohr tut schon weh. Elske scheint ebenfalls genug telefoniert zu haben.

      „Okay Jens“, schließt sie ihre Ausführungen, „ich glaube, es reicht. Lies dir meine Mail mit Angang durch, dann kennst auch du die Details. Ich brauche erst einmal etwas Abwechslung. Ich werde mal was über die Passions- und Fastenzeit zusammentragen.“

      „Danke. Ich fürchte, die mit den Kriegswaffen verbundene Passion und das durch Granaten verursachte Leiden wird eine Recherche dazu auch nicht entspannter gestalten.“

      „Das stimmt sicher. Es ist wie immer: Theologie und Religion finden nicht im luftleeren und schon gar nicht im leidensfreien Raum statt. Sie sind unmittelbar mit unserem wahren Leben verbunden.“

      „Erzähl das mal unserem geliebten Chef! Ich denke, er versucht, die Religion und vor allem christliche Themen auszublenden und als weltfremde Ideologie abzutun. Damit tut er aber weder sich selbst, noch unseren Lesern einen Gefallen.“

      „Und Leserinnen.“

      „Sorry, vielleicht vor allem den Leserinnen. Frauen mögen religiösen Lebensdeutungen womöglich näher sein als Männer.“

      „Wenn du es sagst! Dabei halten Frauen doch auch das Leiden oft besser aus als Männer – und wissen, dass es Leben ohne Geburtsschmerz gar nicht gäbe.“

      Elske kann richtig philosophisch werden, wenn man ihr dazu Anstöße gibt. Jetzt allerdings habe ich keine Lust, allgemein und besonders über das Leiden zu philosophieren.

      „Okay. Bevor wir mit unserer journalistischen Leidenschaft alles Leid der Welt durchgehen, liebe Elske, sollten wir eine Pause machen. Mir tut das Ohr weh, ich will deine Texte noch lesen und ich muss seit langem aufs Klo.“

      Sie lacht. „Na denn, wat mut, dat mut, sagen wir Ostfriesen!“

      „Wir hören voneinander. Danke erst einmal für deine tolle Arbeit.“

      Als wir auflegen, wissen beide, dass die kommenden 40 Tage mit viel Arbeit und vielleicht auch ganz passend mit Fasten und Leiden verbunden sein werden. Uns verbindet tatsächlich eine Leidenschaft, eine „Passion“. Die Leute um uns herum wollen informiert, aufgeklärt und zu eigenem Denken und Handeln inspiriert werden. Deshalb machen wir das alles, und die „trockene“ Recherche mit Zahlen und Hintergründen gehört auch dazu.

      *

      Wegen diverser Veranstaltungen, über die ich berichten muss, werde ich morgen keine Zeit haben. Also mache ich mich am frühen Nachmittag auf den Weg zum Krater, noch bevor Maren vom Dienst zurück ist. Ich nehme wieder das Rad.

      Es ist heute trocken. Manchmal lugt zwischen den Wolken die Sonne hervor. Es ist, also ob sie uns ermuntern will: Habt keine Angst, ich bin noch da! Die Zeit des Wartens im trüben Nebel und des Frierens im winterlichen Grau geht bald zu Ende. Es wird Frühling, irgendwann und bald.

      Manche Äcker weisen in die gleiche Richtung. Sie sind bereits grün und die Halme des Wintergetreides werden immer länger. Der Acker, der wie ein weites Meer die kleine waldige Insel mit dem Krater umgibt, ist allerdings noch erdig braun, garniert mit Stoppelresten vom letzten Jahr. Ich lehne mein Rad an denselben Baum wie am Dienstag.

      Zwischen den Birken ist rotes Absperrband gespannt. Nur dort, wo die beiden blauen Lieferwagen, die auch jetzt wieder oben am Krater stehen, auf den Acker gefahren sind, liegt die Absperrung am Boden. Aus dem Streifenwagen am Straßenrand steigt ein Polizist und kommt auf mich zu.

      „Hier ist gesperrt!“ sagt der Uniformierte. „Kein Zutritt!“

      Diesmal hält hier zum Glück jedoch kein völlig Fremder Wache. Wir kennen uns aus diversen Begegnungen. „Bokelmann“ lese ich auf dem Schild an seiner dunklen Uniform. Der Mann ist in meinem Alter und trägt unter amtlicher Mütze, freundlichen Augen und übergroßer Nase einen üppigen Vollbart.

      „Ach, Sie sind das. Jahnke, der Reporter!“

      „Stimmt. Und Sie, Herr Bokelmann, müssen sich hier mit Wache schieben die Zeit vertreiben?“

      Er lacht. „Kein Problem. Ich kann Radio hören und meinen Krimi lesen. Und wer weiß, vielleicht stürmt ja mal jemand den Hügel dort oben und ich darf endlich mal scharf schießen.“

      Ich bin froh, ausgerechnet auf diesen Polizisten zu treffen. Meine Generation, denke ich, die „alte Schule“ ist mir doch am nächsten. Ich strahle ihn entsprechend an.

      „Sie erwarten also Terroristen, die den Krater stürmen und dort die Handgranaten und Bomben aufsammeln?“

      „Oh, dann wissen Sie es ja schon.“

      „Ja, ich war hier, als es explodierte.“

      „Ach ja, der Artikel darüber war von Ihnen. Schicke Fotos, dramatisch und ausdrucksstark.“

      Sie haben ein Foto vom Feuer, Feuerwehr und Krankenwagen im Vordergrund abgedruckt, dazu ein kleineres mit den Sanis, die den Jungen auf der Trage die Böschung hinaufhieven.

      „Danke. Und die blauen Kleinlaster dort? Sind die vom Bombenentschärfungskommando?“

      „Genau. Die sind von der GEKA aus Munster.“

      „Kann ich die mal befragen? Ich würde natürlich gerne noch mehr über den Vorfall bringen.“

      „Das kann ich verstehen. Aber ich darf niemanden durchlassen. Wobei …“, er überlegt, „von der Presse war nicht die Rede. Warten Sie.“

      Er geht die paar Schritte zum Polizeiwagen zurück, setzt sich hinein, sucht eine Nummer heraus und telefoniert. Ich sehe, wie oben an einem der Laster ein Mann seine Hand am Ohr hat und mit der anderen winkt. Bokelmann legt auf und nickt mir zu.

      „Gehen Sie. Sie haben hiermit eine Sondergenehmigung.“

      Ich bedanke mich und stapfe, die Kamera in der Hand, über den in diesem Bereich inzwischen festgefahrenen Acker.

      Zuerst fallen mir die senkrecht stehenden quadratischen Gefahrgutzeichen an den blauen geschlossenen Lieferwagen auf. Ich mache ein Foto.

      Vor mir stehen zwei Transporter der Marke Iveco und ein junger Mann in blau-gelber Feuerwehruniform. Sein Helm ist weiß und erinnert mich irgendwie an StarWars.

      „Sie sind von der Presse? Darf ich Ihren Ausweis sehen?“

      Der Mann nimmt seinen Job ernst. Ich zeige ihm meinen Ausweis. Er notiert meinen Namen und nickt dann freundlich.

      „Ich heiße Denker und gehöre zur Betriebsfeuerwehr der GEKA. Sie können sich gerne von hier oben aus umsehen und wir unterhalten uns – aber nach unten dürfen Sie nicht.“

      Das habe ich bereits geahnt. Mein Gegenüber ist um die zwanzig. Ich vermute, er ist noch in Ausbildung.

      „Danke, das erleichtert meine Arbeit sehr – und ich hoffe, ich störe Sie nicht bei

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