Gulligold - Serienmorde in Münster. Michael Wächter

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gulligold - Serienmorde in Münster - Michael Wächter страница 5

Автор:
Серия:
Издательство:
Gulligold - Serienmorde in Münster - Michael Wächter

Скачать книгу

am Drehtrommelofen. Funkensprühend spritzte die Probe an Gusseisenschmelze in das Auffanggefäß. Einer der Schüler schrie vor Schreck oder Erstaunen auf.

      Mit der Stange leitete Luigi die Probe weiter in die Gussvorrichtung.

      Der Lehrer dozierte: „Ihr seht: Die Schmelzer arbeiten hier mit rund 1400 Grad heißem Eisen –im Winter ebenso im wie im Sommer. Klar: Es gibt viele heiße Arbeitsplätze, im Straßenbau unter der sengenden Sonne zum Beispiel, über der Hitze des heißen Asphalts. Aber für die Bauarbeiter dort im T-Shirt ist das, wenn ein Wind geht, schon etwas Anderes! Und daraus“ – der Lehrer zeigte auf die Eisenschmelze – machen die dann Graugussteile für die Maschinenbau-Industrie. T-Shirts sind natürlich absolut tabu hier. Die Männer müssen an den großen Drehtrommel-Ofen ran, in schwer entflammbarer Arbeitsschutzkleidung: Gießerstiefel, Handschuhe, Käppi, Schutzbrille. Sonst entflammt denen das T-Shirt und die Haare brennen!“

      Beeindruckt hörte die Klasse zu.

      Der Lehrer lachte: „Nachher sind die gut durch.“

      Luigi hätte ihn umbringen können. Nicht für die Bemerkung, denn schwitzen war sein Job. Aber für das Gelaber – schließlich konnte er nicht in Pause gehen bevor der Typ seinen Vortrag beendet hatte.

      Accidenti, quel tipo è fastidioso!Ob der nun Praktikum macht, hier, oder nun auch Betriebsbesichtigung – der nervt!, fluchte er, innerlich kochend wie Lava oder wie die Eisenschmelze in seinem Ofen.

      „In diesem Drehtrommelofen hier“ – der Lehrer zeigte auf Luigi – „bringt ein Öl-Sauerstoff-Gemisch das Roheisen zum Schmelzen. Die Brennerflamme kommt auf 2500 Grad. Das flüssige Eisen, das gerade in einen großen Bottich und dann in die Formen aus Quarzsand geflossen ist, hat immerhin auch noch 1400 Grad Celsius.“

      Ein Schüler schaute gelangweilt weg, sah neidisch Luigis Mineralwasserflasche.

      „Schaut her!“, mahnte der Lehrer und zog ein Thermometer aus der Jackentasche.

      „Ein normales Thermometer reicht zur Probemessung nicht mal aus: Es ist bei 50 Grad am Anschlag. „Die Temperatur geht aber hier schon bis an die 60 Grad und die Strahlungshitze kommt hinzu.

      Luigi lief der Schweiß im Schutzanzug hinunter – und seine Wut kochte weiter hoch.

      Silenzio, chiacchiere!, dachte er, Schweig, du Schwätzer!

       „Das ist schwere körperliche Arbeit“, dozierte der Physiklehrer, „und rund zweieinhalb Tonnen Eisen können so täglich verarbeitet werden – zu Gullydeckeln oder Lagerschilden für Elektromotoren. Die müssen dann langsam abkühlen und strahlen dabei noch stundenlang Hitze ab. Die Gießer beginnen im Sommer um 5 Uhr morgens, damit sie in der Mittags um 14 Uhr fertig sind. Sie müssen viel trinken, mehrere Liter täglich, und hoffen auf ein Eis zur Frühstückspause – eine sehr willkommene Abkühlung.“

      Luigi dachte daran, den Lehrervortrag mit einem neuen Spritzer glühender Eisenschmelze zu beenden, aber natürlich blieb er ruhig und kümmerte sich um den Ofen. Und er hatte Glück: Der Physiklehrer beendete seinen Vortrag plötzlich – wohl weil in der schwitzenden Berufsschulklasse Unruhe aufkam, als er das Wort „Eis“ in den Mund genommen hatte.

      Nun war der Moment nicht mehr weit, an dem auch Luigi sein Frühstück in den Mund bekam. Gießerei Klebholz – hier kommt alles wieder ins Lot, dachte Luigi. Man muss nur abwarten, bis die Hitze verflogen ist.

      

      Bernd „Bernie“ Berendsen, der gemütliche Ostfriese, öffnete die Tür zu dem kleinen Appartement, das er sich an der Josefskirche angemietet hatte. Er war müde. Er schob sich eine Pizza in den Ofen und sah aus dem Fenster. Im Südpark grillten einige Studentengruppen. Andere spielten Fuß- und Federball. Zwei Studentinnen schlenderten durch den Park, in Richtung auf seine Wohnung.

      Berendsen war froh, dass sich der Tag dem Ende zuneigte. Es war später nachmittag. Feierabend. Er war gerade vom Aschendorff-Verlag zurück. Dort hatte er seinen Kollegen Rudi Rettich getroffen, der bei den Westfälischen Nachrichten arbeitete. Er selbst kam jedoch nicht aus Münster. Er kam aus Norden (der Stadt, und auch der Himmelsrichtung) und war Reporter der OZ, Ostfriesenzeitung Leer (sie war aber voll, nicht leer, und er schrieb die Berichte für Leer-Logabirum und Aurich). Berendsen kannte Rettich schon seit Jahren. Zwei, drei Mal pro Jahr trafen sie sich zum Austausch. In Münster hatte es zwei interessante Mordfälle gegeben, und für die OZ waren das sicher ein paar interessante Schlagzeilen. Er hatte genug Infos bekommen, und jetzt war er froh, wieder daheim zu sein.

      Gerade als er nach der Pizza im Ofen sehen wollte klingelte es. Er sah durch den Türspion. Auch lecker!, dachte er vergnüglich. Hoffentlich keine Zeuginnen Jehovas!

      Zwei junge Frauen standen in der Tür. Eine, blond und ganz in Jeans gekleidet, gefiel ihm sofort. Ihre rothaarige Begleiterin weniger.

      „Guten Tag, Herr Berendsen!“, strahlte die Blonde.

      „Moin!“, brummte Berendsen freudig erstaunt.

      „Wie sind sie in ihre Wohnung gekommen? Wir haben da etwas für sie!“, strahlte sie weiter.

      „Mit dem Ersatzschlüssel! Aber was zum Deibelschiet …“

      Berendsen hielt inne. Seine Kinnlade klappte auf – wie die Laderampe einer norddeutschen Inselfähre.

      Die Rothaarige hielt ihm sein Schlüsselbund entgegen, die Blondine sein Portemonnaie.

      „Fundsachen. Für sie.“, lachte sie.

      Berendsen freute sich über die Fundsachen. Er bat die Frauen herein. Als Finderlohn spendierte er ihnen an diesem Abend seine Pizza. Und eine Cola light. Und dann noch ein, zwei Rotweine, fast ebenso süß.

      Es wuirde ein langer Abend. Bernd, Inga und Lilly wurden Freunde und sprachen noch lange über Journalismus- und das Reporter-Dasein. Bernd ließ sich von den beiden gerne noch etwas weiter ausfragen, nicht nur Berufliches. Und die Beiden waren sehr wissbegierig.

      Der Mörder ging, als die Anderen kamen. Er ging auch nicht heimlich, auf leisen Sohlen. Er hatte einige Wochen krank gefeiert und dann gekündigt, von einer neuen Liebe erzählend und einem neuen Job. Er hatte seinen Spind geräumt, letzte persönliche Dinge wie Thermoskanne und Stullendose eingepackt und ein neues Fahrrad besorgt. Nun fuhr er damit von seiner Ex-Firma Klebholz aus den Dortmund-Ems-Kanal lang, ein letztes Mal. Er wollte die Umgehungsstraßen-Brücke über den Kanal unterqueren, doch dann nahm er aus einer Laune heraus die entgegengesetzte Richtung den Kanal lang, bog in ein Waldstück ein, über die Nieberdinger Straße am ehemaligen Kreiswehrersatzamt vorbei, hinter Getränke Lappe die Kanalseite wechselnd, und radelte zum Kreativ-Kai hinter den ehemaligen Osmo-Hallen. Irgendwo in der Nähe des Hot-Jazz-Club und des Beach-Clubs setzte er sich auf eine Steinbank am Ufer und ließ seine Gedanken schweifen.

      Niemand würde ihn wiederfinden. Er hatte erzählt, er ziehe ins Sauerland, und seine neue Liebe heiße Martina Müller aus Lüdenscheid – doch er hatte ein Zimmer bei einer Ferienwohnung auf Langeoog angemietet. Er würde dort unterkommen, als Hafenarbeiter jobben und Gras über die Sache wachsen lassen, Gras über Münster, Gras über Marlies Mühlmann, dieses Miststück. So wie jetzt am Kreativ-Kai, so würde er in Zukunft an einem Kai beim Hafen auf Langeoog sitzen und seine Gedanken schweifen lassen. Er dachte daran, wie er in der Wohnung der Mühlmann ihr Handy in der Hand hatte, um es auf das „Tagebuch“ der Mühlmann zu legen, das er zuvor mühsam angefertigt hatte. Er war stolz auf sich: Auch

Скачать книгу