SPQR - Der Fluch der Mumie. Norbert Wibben
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Plötzlich klatscht sie sich beinahe mit der Rechten vor die Stirn. Sie bremst zum Glück die Bewegung ihrer Hand. Mit dem geschienten, kleinen Finger wäre das nicht unmöglich, doch das Resultat wären vermutlich erneute Schmerzen. Und die möchte sie lieber vermeiden. Ihr ist abrupt bewusst, dass ihr Anruf zwar nach der üblichen Mittagspause erfolgte, dennoch konnte sich der Kollege in einer Lagebesprechung befinden.
»Clas Hinnerk. Anstatt hier auf dich zu warten und dumm herumzustehen, hätte ich mir ein Taxi ruf…«
Sie hat den Satz noch nicht vollendet, da hält ein Auto vor dem Eingang des Krankenhauses. Es ist ein Dienstfahrzeug der Kriminalpolizei. Kurz darauf eilt der soeben gedanklich Gescholtene durch die sich automatisch öffnende Glastür.
»Es tut mir leid, Inge. Aber es ging wirklich nicht schneller. Es gibt möglicherweise einen neuen Fall, zu dem ich dich gern hinzuziehen würde, wenn du nicht verletzt wärst.«
»Worum geht es? Und jetzt bitte keine Rücksichtnahme auf die läppischen Blessuren. Ich fühle mich voll einsatzfähig!«
»Du magst das derart einschätzen, unser Chef ist dagegen anderer Ansicht. Du wirst krankgeschrieben und musst zuhause bleiben.«
»Wie das?« Die Kommissarin blickt den Kollegen erstaunt an. »Das Krankenhaus stellt mir keine Dienstunfähigkeit aus. Wenn ich nicht zum Hausarzt gehe, der sich übrigens in Stralsund befindet, wer soll mich da krankschreiben? Außerdem wäre das ohnehin lediglich eine Empfehlung, der ich nicht folgen muss!«
»Solltest du dir in Wismar noch keinen Arzt gesucht haben, wird es jetzt aber Zeit. Wegen einer Krankheit von hier bis kurz vor Rügen zu fahren, ist eher umständlich.«
»Das ist ja wohl nicht deine Sache!« Inge zieht eine Schnute. »Zurück zu meiner Dienstfähigkeit. Wir sind im Kommissariat chronisch unterbesetzt. Da müsste unser Chef doch froh sein, falls ich trotz dieser Lappalie zum Dienst antrete. Nicht jeder ist dagegen, sich ohne Grund auf die faule Haut zu legen.« Ihre Stirn ist gekraust und dahinter ziehen offensichtlich dunkle Wolken auf.
»Jetzt komm zuerst ins Auto«, versucht Clas ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen. »Dann reden wir in Ruhe darüber.« Er will ihr beim Einsteigen helfen und die Tür aufhalten. Doch das verhindert Inge mit einem bitterbösen Blick.
»Ich schaffe das schon. Du musst mich nicht bemuttern!« Auf seinen erstaunten Gesichtsausdruck hin, schiebt sie schnell ein »Danke« hinterher, dass ihren schroffen Ausspruch herunterspielen soll.
Sobald beide im Fahrzeug sitzen, startet Hauptkommissar Hinnerk den Motor und fährt ohne eine Erwiderung los.
Die Fahrt vom Hanse-Klinikum zum Kommissariat dauert mit dem Auto etwa zehn Minuten. Die sind zur Hälfte vorbei, da lenkt die Kommissarin ein.
»Clas, bitte entschuldige mein Verhalten. Ich war wegen unseres Chefs aufgebracht. Das hat mich derart geärgert, dass ich mit der Wut irgendwohin musste. – Ich kann mit dieser lächerlichen Schiene am kleinen Finger auf jeden Fall einen ordentlichen Dienst verrichten. Warum sollte das nicht zulässig sein?«
Ihr Kollege nickt und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.
»Ich habe mir schon gedacht, dass du nicht auf mich sauer bist. Aber bedenke bitte dies: Du weißt, dass unser Chef große Stücke auf dich hält. Erst heute Morgen hat er, mit Bezug auf den Bericht über den vermeintlichen Handtaschenraub, dein analytisches und logisches Vorgehen lobend herausgestellt …«
Inge unterbricht ihn. Janus terBeek, der Leiter des Kommissariats in Wismar, ist ein altgedienter Kriminalkommissar und seinen Kollegen stets ein fairer Vorgesetzter.
»Trotzdem zieht er mich von meinen Aufgaben ab?«
Sie wirft von der Seite wütende Blitze auf Clas. Der konzentriert sich auf den Verkehr und hebt eine Hand. Damit fordert er sie auf, ihm zuzuhören.
»Das hat lediglich versicherungstechnische Gründe. Sollte dir bei der Ausübung einer Dienstaufgabe, oder auf dem Weg zur Dienstelle und zurück, ein körperlicher Schaden entstehen, könnte ihm die Dienstaufsicht daraus einen Strick drehen. Er hat noch zwei Dienstjahre vor sich, bevor er in Pension geht. Da will er es sich auf dieser letzten Etappe nicht mit seinen Vorgesetzten verscherzen. Er argumentiert zu recht damit, dass er eine Fürsorgepflicht uns allen gegenüber hat. – Aber jetzt etwas anderes.« Der Kommissar wirft einen aufmunternden Blick auf seine beharrlich wütend blickende Kollegin. »Da er weiß, dass unsere Zusammenarbeit bisher gut funktioniert, hat er mir im Anschluss an die Lagebesprechung in einem Vier-Augen-Gespräch gestattet, dich beratend in den neuen Fall einzubeziehen. Das soll derart erfolgen, dass wir uns telefonisch kurzschließen und Ermittlungsergebnisse über Videokonferenzen besprechen. – Da du einerseits von der Klinik in deine Wohnung gebracht werden musst und ich noch nicht am Tatort gewesen bin, verbinde ich jetzt beides miteinander.«
Inges Miene klärt sich auf, wie der Himmel nach einem kräftigen Gewitterschauer. Wenige Momente später strahlt sie, wie heller Sonnenschein.
»Das hat unser Chef …? Er ist doch ein Guter!« Sie blickt versonnen zu Clas hinüber. »Aber jetzt zum Fall. Worum geht es und welche Erkenntnisse gibt es bisher? Dass wir nicht zum Kommissariat oder zu mir fahren, habe ich inzwischen gemerkt. Dann wärst du kaum am Hafen und dem Wassertor vorbeigefahren. Wo liegt das Ziel?«
»Auf der Insel Poel. Ob das wirklich ein Fall ist, muss sich noch zeigen.«
»Warum? Gibt es irgendwelche Zweifel?«
»Dort wurde eine ältere, verwirrte Frau aufgefunden. Das wäre nicht unbedingt eine Aufgabe für uns. Das Seltsame dabei ist, dass ein Nachbar auf die Anwesenheit der Kripo bestanden hat. Das äußerte er dem Arzt gegenüber, der die vermutlich an Demenz Leidende behandelte. Er hatte gestern ein längeres Gespräch mit ihr, nachdem sie zuvor auf der Polizeistation in Kirchdorf gewesen ist. Das hatte sie sehr aufgeregt. Er wollte sich am folgenden Morgen überzeugen, ob es ihr gut ginge. Sie öffnete jedoch nicht auf sein Klingeln. Da er wusste, dass sie bereits am Vortag eingekauft hatte, wunderte er sich zwar, doch möglicherweise war sie trotzdem zum Bäcker gegangen. Um die Zeit, zu der sie ihren üblichen Mittagsschlaf beendet, schaute er erneut nach ihr. Du wirst es kaum glauben, aber das war so etwa gegen elf Uhr dreißig. Aber auch dieses Mal blieb die Haustür zu. Nun ging er um das Haus, um sie im Garten zu suchen. Dort hat er sie in dem kleinen Schuppen liegend gefunden. Sie war unterkühlt, völlig verwirrt und brabbelte wirres Zeug.«
»Dass es auf Poel eine Dienststelle der Polizei gibt, war mir bisher nicht bekannt. – Das von dir Geschilderte klingt eher harmlos. Welchen Grund nannte der Mann denn, weshalb er auf unsere Anwesenheit bestand?«
»Zu deiner Info: Die Polizeistation ist lediglich an zwei Tagen besetzt, am Dienstagvormittag und gestern, also Donnerstag nachmittags. – Es gibt in der Angelegenheit einen seltsamen Aspekt, den du gleich erkennen wirst. – Auf dem Weg zurück von Wismar, den die Frau in einem Bus des öffentlichen Nahverkehrs zurücklegte, fühlte sie sich verfolgt. Sie spürte in dem Fahrzeug einen stechenden Blick auf sich gerichtet, wie sie dem Nachbarn berichtete. Sie hatte einen versuchten Handtaschenraub überstanden