Charles Dickens. Charles Dickens
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Читать онлайн книгу Charles Dickens - Charles Dickens страница 16
»Liebe Ada«, sagte ich, »ich bin auch ganz verwirrt. Ich möchte gern daraus klug werden, aber es will mir nicht gelingen.«
»Woraus?« fragte Ada mit ihrem reizenden Lächeln.
»Aus alldem, was wir hier sehen. Es ist gewiß sehr verdienstlich von Mrs. Jellyby, sich soviel Mühe zum besten der Eingebornen zu geben – und doch – Peepy und überhaupt der Haushalt!«
Ada lachte und schlang ihren Arm um meinen Nacken, als ich vor dem Feuer stand und hineinblickte, sagte mir, ich sei ein stilles, gutes Wesen und hätte ihr Herz gewonnen. »Sie denken an alles, Esther«, sagte sie, »und sind doch so heiter. Und Sie legen überall Hand an, und so anspruchslos! Sie würden selbst dieses Haus wohnlich und gemütlich machen.«
Das einfache liebe Geschöpf! Sie war sich so gar nicht bewußt, daß sie nur sich selbst pries und vor lauter Herzensgüte soviel aus mir machte.
»Darf ich Sie etwas fragen, Ada?« sagte ich, als wir eine kleine Weile vor dem Feuer gesessen hatten.
»Aber soviel Sie wollen!«
»Wegen Ihres Vetters Mr. Jarndyce. Ich verdanke ihm soviel! Möchten Sie ihn mir nicht beschreiben.«
Ada schüttelte ihr blondes Haar aus dem Gesicht und sah mich so verwundert lachend an, daß ich selbst ganz erstaunt war – zum Teil über ihre Schönheit, zum Teil über ihre Überraschung.
»Esther!« rief sie.
»Liebe Ada?«
»Ich soll Ihnen meinen Vetter Jarndyce beschreiben?«
»Nun ja, ich habe ihn niemals gesehen.«
»Aber ich doch auch nicht«, lachte Ada.
»Das ist aber merkwürdig!«
Nein, sie hatte ihn wirklich niemals gesehen. So jung sie gewesen war, als sie eine Waise wurde, erinnerte sie sich doch, daß ihrer Mutter jedes Mal die Tränen in die Augen traten, wenn sie von ihm und der Hochherzigkeit seines Charakters sprach, auf die man mehr als auf alles andre in der Welt vertrauen könne. Deshalb hielt Ada auf ihren Vetter Jarndyce große Stücke. Er hätte ihr vor einigen Monaten geschrieben, erzählte sie, einen einfachen, ehrlichen Brief, in dem er ihr das jetzt zustande gekommene Arrangement vorschlug und ihr sagte, »daß sie mit der Zeit einige der Wunden heilen könnte, die der unselige Kanzleigerichtsprozeß geschlagen habe«.
Sie hatte den Vorschlag dankbar angenommen, ebenso wie Richard, der einen ähnlichen Brief erhalten. Richard hatte Mr. Jarndyce einmal gesehen. Aber nur ein einziges Mal vor fünf Jahren in Winchester in der Schule. Er erinnere sich seiner als eines »derben, blühenden Gesellen«, mehr konnte er Ada nicht sagen.
Ich machte mir darüber soviel Gedanken, daß ich noch vor dem Feuer sitzen blieb, als Ada schlafen gegangen war, und mir allerlei seltsame Vorstellungen von Bleakhaus machte. Wie weit alles seit gestern morgen in der Vergangenheit zurückzuliegen schien! Ich weiß nicht, wohin meine Gedanken noch abgeschweift wären, hätte mich nicht ein Klopfen an der Tür geweckt.
Ich öffnete leise und sah Miß Jellyby fröstelnd draußen stehen, eine geknickte Kerze in einem zerbrochnen Leuchter in der einen Hand und einen Eierbecher in der andern.
»Gute Nacht«, sagte sie höchst mißgelaunt.
»Gute Nacht!«
»Darf ich hereinkommen?« fragte sie kurz und unvermittelt in demselben übelgelaunten Ton.
»Gewiß. Wecken Sie nur Miß Clare nicht auf!«
Sie wollte nicht Platz nehmen, sondern blieb am Feuer stehen, tauchte ihren Tintenbeklecksten Mittelfinger in den Eierbecher, in dem sich Essig befand, und bestrich sich damit die Tintenflecke in ihrem Gesicht. Sie runzelte dabei die Stirn und sah sehr böse drein.
»Ich wollte, Afrika wäre tot«, sagte sie auf einmal.
Ich wollte einige Einwendungen machen.
»Ja, das ist mein Wunsch«, sagte sie. »Reden Sie nichts, Miß Summerson. Ich hasse und verabscheue es. Es ist eine Viecherei.«
Ich tröstete, sie sei müde, und bedauerte sie. Ich legte die Hand auf ihre Stirn und sagte, sie sei jetzt heiß, werde aber morgen gewiß wieder kühler geworden sein.
Sie stand immer noch grollend und stirnrunzelnd vor mir, dann setzte sie den Eierbecher hin und wendete sich leise nach dem Bett, wo Ada schlummerte.
»Sie ist sehr hübsch«, sagte sie mit demselben bösen Gesicht und in ihrer barschen Weise.
Ich nickte lächelnd.
»Eine Waise, nicht wahr?«
»Ja.«
»Weiß aber wahrscheinlich sehr viel? Kann tanzen, Klavier spielen und singen? Französisch und Geographie und den Globus und nähen und alles mögliche?«
»Jedenfalls.«
»Ich kann es nicht. Ich kann kaum etwas anderes als schreiben. Ich schreibe in einem fort für Mama. Mich wundert nur, daß ihr euch beide nicht geschämt habt, heute nachmittag hereinzukommen, wo ihr gesehen habt, daß ich weiter nichts kann. Das sieht eurer Bosheit ähnlich. Ihr haltet euch natürlich für sehr feine Damen!«
Ich konnte sehen, daß das arme Mädchen das Weinen ankam, und setzte mich, ohne ein Wort zu entgegnen, wieder auf meinen Stuhl und sah sie so sanft ich konnte an.
»Es ist eine Schmach«, fuhr sie fort. »Sie wissen es ganz gut. Das ganze Haus ist eine Schmach. Die Kinder sind eine Schmach. Papa ist unglücklich, und es ist kein Wunder. Priscilla trinkt – trinkt unaufhörlich. Es ist eine wahre Schande und eine Erfindung, wenn Sie sagen würden, Sie hätten es heute nicht gerochen. Wie sie heute bei Tisch bediente, roch es wie in einer Schenke; Sie wissen das ganz gut.«
»Mein liebes Kind, ich weiß es nicht.«
»Sie wissen es!« wies sie mich kurz ab. »Sie sollen nicht sagen, Sie wüßten es nicht. Sie wissen es ja doch.«
»Aber liebes Kind, wenn Sie mich nicht sprechen lassen wollen –«
»Aber Sie sprechen doch jetzt. Oder nicht? Erzählen Sie mir keine Geschichten, Miß Summerson!«
»Liebes Kind, wenn Sie mich nicht anhören wollen –«
»Ich brauche Sie nicht anzuhören.«
»O doch! Sie sollten es wenigstens tun! Ich kann doch das nicht wissen, was Sie vorhin von dem Mädchen sagten, denn es kam bei Tisch gar nicht in meine Nähe; übrigens bezweifle ich gar nicht, was Sie mir sagen, und es tut mir leid, es zu hören.«
»Sie brauchen sich kein Verdienst daraus zu machen.«
»Gewiß nicht, liebes Kind«, sagte ich. »Das wäre sehr töricht von mir.«
Das Mädchen stand immer noch neben dem Bett