Siebenkäs. Jean Paul

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Siebenkäs - Jean Paul

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machten, daß

      1 jeder der vier Interessenten am Rinde das besagte Rind alternierend melken sollte und dürfte –

      2 daß das Küchen- oder Mast-Personale aus einer gemeinschaftlichen Kriegkasse das Kostgeld, den Küchenwagen und überhaupt den Unterhalt des besagten Rinds bestreiten sollte und dürfte – und

      3 daß die Alliierten besagtes Maststück nicht nur den Tag vor Michaelis, den 28. Sept. 1785, totschlagen, sondern auch jedes Viertel desselben wieder in vier Viertel nach dem Ackergesetz (lex agraria) für die vier Teilhaber zerhacken sollten und dürften.

      Siebenkäs fertigte vier vidimierte Kopeien vom Partagetraktat aus, für jeden eine; und nie schrieb er etwas mit ernsthafterer Lust. Heute war bloß noch der 3te Artikel von dem friedsamen Hausverein von vier Evangelisten zu erfüllen, welche sämtlich zum Wappentiere nur ein Kompagnie-Tier und noch dazu nur das weibliche des Lukas genommen.

      Aber die Gelehrten lechzen nach meiner Kirmes – ich werfe also mein Tier- und Menschenstück nur flüchtig her. Kolbe fährt natürlich fort und fährt mich an. Der Septembrisierer, der Fleischer, tat noch am Ende des Fruktidors seine Pflicht gut – die Vierfürsten von Konviktoristen standen bei allem, und selber die alte Sabine tat viel und zog einiges. – Die Quadrupelalliance speisete sich wie den erschlagnen Viehstand mit einem zusammengeschossenen Pickenick, bloß um den Metzgermeister gratis hineinzuziehen; und allerdings erschien ein Liguist, den ich unten nennen werde, in einer Verfassung und Kleidung am Tische, die nicht ernsthaft genug für das Einschlachten vorkam – die Schlacht-Hansa machte sich dann ans Divisionexempel nach der Gesellschaftrechnung, und das goldene Kalb, um das sie tanzten, wurde mit verschiedenen heraldischen Schnitten, wovon ich keine namhaft machen will als den Wellenschnitt, den Klee-, den Haupt-, den Zahn-, den Stufen- und den Querschnitt, gerecht zerschnitzt – – und dann wars vorbei. Ich denke, ich kann keinem etwas Rühmlichers von der ganzen zootomischen Teilung sagen, als was der Teilhaber Siebenkäs selber sagte: »Zu wünschen wär' es, die zwölf Stämme und in den neuern Zeiten das römische Kaisertum wäre so redlich oder vielfach zerteilt worden als unsere Kuh und Polen.«

      Dem Embonpoint der letzten wird man sein Recht gegeben haben, wenn man folgendes Lob des Schuhflickers Fecht anführt: »Daß dich alle Schock Kreuz-Mohren-Schwerenot! Du Schwerenöterin! – (Nun auf einmal mit herabgesunkener frommer Stimme:) Nun der liebe Gott hat dem lieben Vieh recht sein Gedeihen geschenkt und uns unwürdige arme Sünder über alle Maßen gesegnet.« Er hatte sich als ein lustiger Springinsfeld ins schwere pietistische Kutschenzeug eingeschirrt und mußte immer seine alten Flüche mit neuen Seufzern versüßen. Und eben auf dieses Fechtes nicht ganz würdige Verfassung und Kleidung zielt' ich oben, da er leider an dem ganzen Einschlacht-Tage keine Hosen anhatte, sondern bloß im weißen Fries-Rock seines Weibes das Zergliederhaus auf- und abrennte und so seine eigne eheliche Hälfte vorstellte; aber die Sozietät verdachte ihm nichts; er konnte nicht anders, denn seine schwarzledernen Bein-Düten wurden, solange als er sich im demi-negligé einer Amazone aufhielt und wie ein Hermaphrodit aussah, im Färbekessel neu aufgelegt oder gedruckt.

      Aber endlich wird Kolbe mein Freund, denn ich fahre deutsch fort wie folgt.

      Der Armenadvokat hatte Lenetten gebeten, abends 4½ Uhr sich zu ihm zu setzen und sich nicht mehr abzuarbeiten, etwan mit dem Abendessen, er wolle sich heute eines abkargen und nichts genießen als für einen halben Taler Kuchen: die Flinke rannte und fegte; und wirklich schon um 6 Uhr lagen beide in den weiten ledernen Armen – eines breiten Großvaterstuhls (denn er hatte kein Fleisch, sie keine Knochen) und schaueten ruhig-beglückt wie Kinder, welche essen, die meßkünstlerisch-geordnete Stube an und das allgemeine Gleißen und die Kuchen-Mondsicheln in ihren Händen und das flüssige Glanz- oder vielmehr Zwischgold der tiefen Sonne, das sich an dem blinkenden Zinn-Gerät immer höher rückend anlegte – und ihr Ausruhen wurde wie der Schlaf eines Wiegenkindes von den schreienden klappernden zwölf herkulischen Abendarbeiten der andern Leute im Hause umgeben – und der hellere Himmel und die neugewaschenen Fenster setzten der Länge des Tages eine halbe Stunde zu – und der Glocken- oder Stimmhammer des Abendgeläutes stimmte die melodischen Wünsche sanft hinauf, bis sie – Träume wurden. – Um 10 Uhr wachten sie auf und gingen zu Bette...

      Ich habe selber eine Freude an diesem kleinen gestirnten Nachtstück, das mein Kopf so glimmend und verschoben gab, wie die vergoldete Halbkugel meiner Uhr tut, wenn ich sie gegen die Abendsonne halte. – Auf den Abend will der gejagte ermattete Mensch in Ruhe sein; für den Abend eines Tages, für den Abend eines Jahrs (für den Herbst) und für den Abend seines Lebens trägt er seine mühseligen Ernten ein, und da hofft er so viel! – Hast du aber nie dein Bild auf abgeernteten Auen gesehen, die Herbstblume oder Zeitlose, welche ihr Blühen auf den Nachsommer verschiebt und die ohne Frucht der Winter überschneiet und die keine erzeugt als im – Frühling darauf? –

      Aber wie schlägt die brausende schwellende Flut des Kirchweih-Morgens an die Bettpfosten unsers Helden! Er tritt in die weiße leuchtende Stube, die seine diebisch aufstehende Lenette vor Mitternacht unter seinem ersten Schlafe gewaschen und zu einem Arabien versandet oder überpudert hatte; auf diese Weise hatte sie ihren und er seinen Willen gehabt. An einem Kirmesmorgen rat ich jedem, das Fenster aufzumachen und den Kopf hinauszulegen wie Siebenkäs, um den flüchtigen Bauten und Mieten der kleinen hölzernen Börsen auf dem Markte zuzusehen und dem Fallen der ersten Tropfen des ganzen Wolkenbruchs von Leuten. Nur bemerke der Leser, daß es nicht auf meinen Rat geschah, daß mein Held im Übermute des Reichtums – denn die Musterkarte aller Kuchen im Hause lag freilich hinter seinem Rücken – zu manchem grünen Patrizier-Räupchen, das noch übermütiger vorüberlief und dessen Naturgeschichte er gern aus dessen Gesichte selber lernen wollte, herunterrief: »Ich bitte Sie, betrachten Sie einmal das Haus da: finden Sie nichts?« Hob das Räupchen die Physiognomie empor und streckte sie abschüssig aus: so konnt' er – das wollt' er ja – letzte bequem studieren und durchlaufen. »Gar nichts finden Sie?« fragt' er. Wenn das Kerbtier den Kopf schüttelte: so fiel er oben bei und sagte: »Ganz natürlich! ich gucke seit Jahr und Tag heraus und finde auch nichts, aber ich wollte meinen Augen nicht trauen.«

      Unbedachtsamer Firmian! dein gärender Schaum der Lust kann leicht – wie an jenem Sonnabend, wo du Visitenkarten abgabest – zerfallend niedersinken. – Aber vorher schäumte sein Tropfen Most, den er aus den Vormittagstunden auskelterte – alles war frisch und feurig. – Der galoppierende Hausherr warf mit der Puder-Säemaschine Samen auf gutes Land. – Der Buchbinder brachte seine Güter, die teils in leeren Schreibbüchern, teils in noch leerern Gesangbüchern, teils in Novitäten, in Kalendern, bestanden, auf der Achse zu Markt und mußte zweimal fahren mit dem Schiebkarren; aber abends nur einmal zurück, weil er die Kalender (die eigentlichen größten Novitäten oder Neuigkeiten, da im ganzen langen Laufe der Zeiten nichts so neu ist als ein neues Jahr) an Käufer und Verkäufer abgesetzt. – Die alte Sabel hatte ihr ostindisches Haus, ihre Obstkammer und ihr Ringkabinett aus Zinn unter dem Tore geöffnet; sie hätte ihr Warenlager ihrem eignen Bruder nicht für sechs Gulden abgelassen und war überhaupt eine Stadt-, aber keine Landkrämerin. – Der Altreis flickte heute am hl. Michaelistag keinem Menschen einen Schuh als seiner Frau. –

      Sauge dich immer voraus, Held, an diesen feinen Raffinad-Zucker des Lebens an und leere den vormittägigen Konfekt-Teller ab; frage nichts nach dem Teufel und dessen Großmutter, sollten beide auch ihrer Natur nach darauf sinnen, irgend einen Sauertopf und Brechbecher, ja Giftbecher aufzutreiben und dir ihn einzugeben.

      Des Mannes größte Lust ist aber noch rückständig – nämlich das unzählige Bettelvolk. Ich will die Lust beschreiben und dadurch austeilen.

      Eine Kirmes ist überhaupt die Messe, die Bettler jedes Standes jährlich beziehen; schon ein paar Tage vorher drehen sich alle Fußsohlen, die auf nichts zu fußen haben als auf milde Herzen, als Radien nach dem Orte, aber am Morgen der Kirchweih selber kommt erst der bettelnde Jahrgang und die Krüppelkolonne ordentlich in Gang. Ein Mann, der Fürth gesehen, oder der in Ellwangen unter

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