Die verborgenen Geheimnisse. Marc Lindner

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Die verborgenen Geheimnisse - Marc Lindner Das Verborgene

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Probleme zu schlafen. Zwei waren in etwa sein Alter, die anderen jünger oder älter. Zwei wussten nicht einmal genau wie alt sie waren. Vor dem Schlafengehen, hatten sie erzählt, dass sie ausgesetzt worden waren.

      Ein Mönch hatte sie zwischendurch unterbrochen, um zu sagen, dass endlich Ruhe sein sollte, doch später war er nicht mehr zurückgekehrt, und so hatten sie Ismar ausgefragt und auch von sich erzählt. Es schien für alle ein recht aufregendes Ereignis zu sein, wenn ein Neuer kam.

      Die Geschichte, die er als die Seine erzählte war mit Wigandus besprochen und in weiten Zügen entsprach es der Wahrheit, aber nur soweit, dass keine Gerüchte aufkamen, wer er wirklich war. Nicht einmal der Abt kannte die Geschichte und selbst ein Großteil seines Erbes, das der Bischof verwahren sollte, würde die Abtei nie sehen. Wigandus hatte ihm dies alles erklärt, damit Ismar wusste, auf welchen Empfang er sich einstellen sollte.

      Je schneller du dich anpasst, so hatte sein Lehrer ihm als Rat gegeben, umso einfacher wird es für dich werden. Du wirst die Abtei nicht ändern, aber sie zur Not dich. Diese Worte geisterten Ismar nun durch den Kopf. Vergiss nicht wer du bist, vergiss nicht, was du möchtest, aber egal was du zu tun gedenkst, die oberste Regel, merk dir das gut, lass dich nicht erwischen.

       Ismar war sich bewusst, dass sich sein Leben grundlegend änderte. Während er dem gleichmäßigen Atmen der Schlafenden zuhörte, schwor er sich darauf ein. Es galt die neuen Gesetzmäßigkeiten auszuloten, ohne sich zu oft den Kopf zu stoßen. Das waren immer Hamans Worte gewesen, wenn Ismar wieder Ärger bekommen hatte. Du musst lernen mit dem Strom zu schwimmen, wenn er dich dorthin trägt, wo du hin möchtest, und dich aus der Strömung zu halten, wenn er es nicht tut. Er hörte Hamans lachende Stimme und ihm wurde es leichter ums Herz. Bald darauf war er eingeschlafen.

      Am folgenden Morgen verstand er, warum die Anderen so leicht eingeschlafen waren. Es war unmenschlich früh als sie geweckt wurden. Dabei wurde wenig Federlesen gemacht und Ismar musste sich arg überwinden, um sich nicht gleich eine Blöße zu geben. Baldemarus, einer der wenigen Mönche, der sich vorrangig um die Novizen kümmerte, ließ Ismar nicht aus den Augen. Scheinbar wartete er nur darauf, den Neuen zurecht zu weisen.

      „Nimm dich vor ihm in Acht“, flüsterte der kleine Utz, ein Knabe, der etwas jünger war als Ismar. Er hatte gemerkt, dass auch Ismar Baldemarus beobachtete. „Der sucht nur nach einem Grund, einen von uns zu betrafen.“

      „Danke, kein Bedarf“, grinste Ismar ihm im Halbschlaf zu. „Die Freude mach ich dem nicht. Danke für die Warnung.“

      „Ruhe“, raunte Baldemarus. „Vor der Andacht wird nicht gesprochen.“ Unschlüssig blickte er sich um, da er nicht wusste, wer gesprochen hatte. „Ich habe dich im Auge. Dass du mir keinen Ärger machst“, schoss er seinen ersten Pfeil auf Ismar ab.

      Ismar entgegnete nichts, rollte nur übertrieben mit den Augen, als Baldemarus sich umdrehte und brachte Utz damit fast zum Lachen.

      Die Morgenandacht war so langweilig, wie es sich anhörte und Ismar hatte Mühe sich gegen das Einschlafen zu wehren. Baldemarus hielt sein Versprechen und verweilte vorrangig in Ismars Nähe. Das war nervig, aber Ismar nahm die Herausforderung an.

      Das Frühstück war recht karg und musste, wie sollte es anders sein, schweigend eingenommen werden. Nein, das war kein Leben für ihn, dessen war er sich schnell bewusst.

      In den folgenden Tagen und Wochen musste er unzählige Male lernen, dass nichts was er konnte, den Vorstellungen des Klosters entsprach. Seine Schrift war zu ungestüm. Seine Wortwahl zu wenig gottesfürchtig. Erst recht sein Tatendrang war ein häufiges Ärgernis und wo immer er ein Schlupfloch suchte, war es, als würde jemand seine Gedanken lesen und sich einen Spaß daraus machen, seine Pläne zu durchkreuzen. Bald hatte auch seine Ausrede, dass er sich verlaufen hatte, ausgedient und nicht Wenige beäugten ihn misstrauisch, wenn sie ihm alleine begegneten.

      Die Strafen, die er hier erfuhr, bereitetem ihm weit weniger Freude, als er es gewohnt war. Ständig musste er irgendetwas abschreiben. Oft waren es Notizen des Kochs mit den Vermerken, was sie verbraucht hatten. Baldemarus wurde dabei nicht müde, ihm Schläge anzudrohen, wenn zu Beginn der Erntezeit die Inventur nicht aufging, weil er sich verschrieben hatte. Widerworte führten allzu leicht zu neuerlichen Strafen und so schwieg er. Das Schreiben war monoton und bald schmerzte sein Handgelenk auch zu sehr. Beinahe hätte er darum gebettelt, irgendetwas anderes zu machen, und wäre es nur in der Küche zu helfen, das Gemüse zu schneiden. Doch scheinbar waren diese Strafen eher den Lieblingen im Kloster vorbehalten, wenn es beispielsweise Gruppenstrafen gab, weil abends Unruhe im Schlafzimmer herrschte, oder weil einer während einer Andacht eingeschlafen war.

      Doch ohnehin hatte Ismar bemerkt, dass wenn die falsche Person wusste, was einem Freude bereitete, dass man sich dann sicher sein konnte, keine Gelegenheit mehr zu finden, es zu tun. So war es Ismar mit den Lesungen ergangen. Weil ihm das Reden fehlte, fand er schnell Gefallen daran, und schlecht war er auch nicht. Während die meisten Kinder diese Aufgabe scheuten, hatte er den Fehler gemacht, sich zu oft freiwillig zu melden, einzig um sprechen zu dürfen, und bald kam er gar nicht mehr dran.

      „Sei bei der Sache. Du hast wieder nur Flausen im Kopf“, rügte ihn Baldemarus, der ebenfalls im Schreibzimmer war, um eine Buchkopie zu erstellen und gleichzeitig darüber zu wachen, dass Ismar seiner Strafarbeit nachging.

      „Nein“, widersprach Ismar und sein Grinsen wurde noch breiter. Ihm war eine Idee gekommen und er genoss es wie Baldemarus auf einen Streit mit ihm gierte. „Nein“, wiederholte Ismar und legte seinen Kopf nachdenklich zur Seite. Baldemarus nahm bereits tief Luft. „Ich beginne nur Gefallen am Schreiben zu finden“, erklärte Ismar seine gute Laune.

      „Was weißt denn du schon“, blaffte er ihn an.

      „Wenn ich groß bin, möchte ich ebenso schöne Bücher schreiben können, wie sie Bruder Baldemarus.“ Ismar tat als würde er dessen Ärger nicht bemerken.

      „Bücher sind nicht schön. Sie sind lehrreich!“, rügte ihn Baldemarus, da er keine andere Möglichkeit sah Ismar zu strafen.

      „Mag sein“, blieb Ismar unbeirrt. „Aber es ist dennoch eine Kunst, so lehrreiche Bücher zu schreiben.“ Ismar nutzte was Wigandus ihm an Rhetorik gelehrt hatte. „Ich muss deshalb lernen, mit meiner Aufgabe eins zu werden.“ Ismar erlaubte sich nur ein kurzes Grinsen, senkte den Kopf und schrieb weiter. Er war sich vollends bewusst, dass Baldemarus ihn nun genau beobachtete.

      Ismar spürte förmlich, wie er grübelte, wie er Ismar quälen konnte. Doch scheinbar hatte selbst er Regeln, an die er sich hielt und wenn es keinen Anlass für eine Strafe gab, gab es keinen. Doch war sich Ismar sicher, dass Baldemarus nichts unversucht lassen würde, um Ismar diese Anmaßung zehn und zwanzigfach zurück zu zahlen. Eines war besiegelt, er hatte nun einen Feind auf Lebzeiten. Doch wirklich stören tat es Ismar nicht. Heimlich freute er sich sogar über die Streitigkeiten mit ihm. Es schärfte seinen Verstand und sorgte zudem für einige Spannung in dem ansonsten eintönigen Tagesablauf. Er musste erneut grinsen, während er sich vorstellte, wie er Baldemarus mit Freundlichkeit, Fleiß und dergleichen ärgern würde. Baldemarus war ein einfach gestricktes Gemüt und Wigandus' Lehren nutzten Ismar in vielfacher Hinsicht. Baldemarus war schnell durchschaut. Er hatte selbst nicht viel zu sagen im Kloster und versuchte deshalb seinen Frust an den Kleinen abzulassen und so ein wenig das Gefühl zu haben, über Macht zu verfügen.

      „Dir werde ich das Grinsen noch abgewöhnen“, konnte Baldemarus nicht mehr an sich halten.

      „Das ist aber nicht nett“, zuckte Ismar unbekümmert mit den Schultern.

      „Ich werde deinen Ungehorsam melden.“

      „Dafür

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