Die verborgenen Geheimnisse. Marc Lindner

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die verborgenen Geheimnisse - Marc Lindner страница 14

Die verborgenen Geheimnisse - Marc Lindner Das Verborgene

Скачать книгу

Hilflosigkeit.

      Ismar senkte den Blick und ließ ihn für den restlichen Nachmittag unten. Auch verkniff er sich ein weiteres Grinsen. Baldemarus stand an seinem Stehpult und tobte innerlich.

      Ismar spürte, dass der Bogen bald überspannt war. Dennoch hoffte er, das erreicht zu haben, was er wollte. Diesmal verging die Zeit wie im Flug. Bald war Essenszeit, doch Baldemarus machte keine Anstalten seine Feder niederzulegen oder Ismar zu entlassen. Auch wenn Ismar merkte, dass er weit weniger schnell schrieb als üblich. Selbst als zu hören war, dass die anderen zu Tisch gingen, blieb Baldemarus eisern und stellte Ismar auf die Probe.

      Obschon sein Magen knurrend Protest einlegte, gab Ismar keine Schwäche preis. Er musste mit anhören, wie Schüsseln ausgeteilt wurden. Wenig später drangen hölzerne Geräusche der Löffel, die verrieten, wie sich die Schüsseln leerten, über den Flur zu ihnen durch. Ismar schaute dennoch nicht auf. Auch wenn seine Hand fürchterlich schmerzte, schrieb er Wachstafel um Wachstafel die Notizen auf das Papier vor ihm. Einzig Baldemarus' Bösartigkeit verdankte er, dass der Turm vor ihm noch nicht leer war. Baldemarus machte sich gerne einen Spaß daraus, weit mehr Tafeln aus dem Schrank vor ihm aufzutürmen, als irgend möglich war, selbst in zwei Tagen zu schreiben. Inzwischen beschlich Ismar das Gefühl, dass einzig er selbst alle Notizen aus der Küche niederschrieb. Vielleicht war es Baldemarus' Aufgabe und so suchte er sich jemanden, der sie ihm abnahm. Das würde so manches erklären. Ismars Hand juckte schmerzhaft. Es gab aber keinen triftigen Grund, seine Feder niederzulegen und so schrieb er weiter.

      Inzwischen waren die Anderen vom Tisch aufgestanden und Stimmen belebten das Kloster. Einige gingen in ihre Schlafgemächer, um sich kurz auszuruhen, andere suchten die Gemeinschaftsräume auf oder zogen sich in die Bibliothek zurück. Es war einer der wenigen Momente im Tagesablauf, die nicht vorbestimmt waren. Wenig später wurde es ruhiger in diesem Teil des Klosters.

      Deshalb erschrak Ismar, als plötzlich jemand hinter ihm in der Tür stand. Zum Glück hatte er die Feder eben gehoben, um neue Tinte zu fassen.

      „Bruder Baldemarus, ich habe euch am Tisch vermisst“, sprach Vater Ferdinand in nüchternem Ton. Baldemarus verzog sein Gesicht und suchte fieberhaft nach einer Erklärung. Jeder wusste, dass Vater Ferdinand es keineswegs schätzte, wenn jemand dem Abendmahl fern blieb.

      „Verzeiht, Vater Ferdinand, es war meine Schuld. Ich habe Bruder Baldemarus gedrängt, dies fertigschreiben zu können.“

      Baldemarus' Gesicht verzog sich noch länger, während er versuchte unschuldig drein zu blicken.

      „Ismar, lügen ist eine Sünde. Aber dieses Mal will ich sie dir verzeihen.“

      Er kam näher an Ismar heran und betrachtete sein Schaffen.

      „Deine Schrift entwickelt sich“, begutachtete er, was er sah. Sein Ton ließ dabei offen, ob er es gut oder schlecht fand. „Sind das unsere Verbrauchslisten?“

      „Ja, Vater Ferdinand“, bestätigte Ismar und spürte wachsenden Unmut.

      „Wie kommt es, dass du sie abschreibst?“ Sein Blick machte deutlich, dass er nicht nochmal angelogen werden wollte.

      „Ich habe gesündigt, Vater. Das ist meine gerechte Strafe.“

      „Eine Sünde verlangt Buße und Einsicht“, holte Vater Ferdinand aus. „Aber war es eine Sünde oder vielmehr Ungehorsam, und wer legte dir diese Strafe auf?“ Vater Ferdinand ignorierte Baldemarus vollständig. Dieser stand wie auf heißen Kohlen. Sein Blick zeigte deutlich, dass er Ismar am liebsten die Zunge herausreißen würde. Doch er war zum Schweigen verdammt und musste tatenlos zusehen.

      „Ungehorsam, Vater. Es war Bruder Baldemarus, der mich erwischt, gerügt und bestraft hat.“

      Vater Ferdinand ließ seinen Blick auf Ismar ruhen und nahm sich Zeit zum Nachdenken. Auch er war aufgewühlt und ließ Baldemarus, der sich krampfhaft verteidigen wollte, links liegen.

      „Deine Strafe ist hiermit abgeleistet. Du wirst heute hungrig zu Bett gehen und darüber nachdenken, was heute passiert ist.“

      „Bruder Baldemarus, Morgen nach der Andacht werden sich alle, Mönche und Novizen, im Kapitelsaal einfinden. Tragen sie dafür Sorge, dass jeder Bescheid weiß.“

      „Ja Vater Ferdinand.“ Baldemarus machte eine Faust hinter dem Stehpult und versuchte so ruhig wie möglich zu klingen, doch seinen Unmut konnte er nicht ganz verbergen.

      „Geh nun in deinen Schlafraum, Ismar“, lotste Vater Ferdinand ihn aus Baldemarus’ Blickfeld. Ismar stand in keiner Weise der Sinn danach, diese Anordnung zu missachten. Hungrig ins Bett zu gehen, war in diesem Fall die beste Aussicht.

      Während der Andacht am folgenden Morgen saß Ismar wie auf heißen Steinen. Nicht wegen dem, was er hörte, das bekam er ohnehin nur am Rande mit, sondern wegen Baldemarus’ Blicken. Wohl hatte er für sich entschieden, Ismar die Schuld daran zu geben, was nun geschehen mochte.

      Vielleicht fand Ismar auch deshalb, dass die Andacht an diesem Morgen recht schnell abgehalten war. Trotz seines Hungers hielt sich seine Freude darüber in Grenzen.

      Normalerweise verließen sie die Kapelle schweigend, doch diesmal war überall Getuschel zu hören. Vater Ferdinand machte sich nicht einmal die Mühe, sie zur Ruhe zu rufen. Als sie dann aus der Kapelle traten, mehrten sich die Stimmen und wurden lebhafter.

      Es kam häufiger vor, dass Vater Ferdinand sie alle zusammen rief, doch wenn es nach einer Morgenandacht geschah, dann war das nie ein gutes Zeichen.

      Nachdem alle Platz gefunden hatten, wartete Vater Ferdinand geduldig, bis Ruhe einkehrte und wanderte mit seinem Blick von einem zum anderen und wieder zurück. Er ließ ihn auf jedem ruhen, der glaubte noch etwas sagen zu müssen.

      „Ich freue mich, dass ihr euch allesamt eingefunden habt“, begann der Abt und überblickte die Menge. Ismar hasste es, wenn die Wahrheit so leichtfertig strapaziert wurde. Aber scheinbar neigten alle Mönche dazu, für dergleichen eine Leidenschaft zu entwickeln. Zumindest klang es bei Vater Ferdinand nicht so selbstgefällig wie bei manch anderen Glaubensbrüdern.

      „Danke Bruder Philipp für die Lesung heute Morgen. Geben wir uns Zeit, um die Worte sacken zu lassen.“

      Ismar wurde es plötzlich heiß. Hätte er doch besser zugehört. Angestrengt versuchte er sich zu erinnern, um was es in der Lesung gegangen war.

      „Wer weiß, was uns dieser Brief sagen wollte?“, fuhr der Prior nach einer kurzen Pause fort.

      Erst zaghaft, dann lebhafter begann eine Diskussion über Fleiß, Ruhm und Eitelkeit. Baldemarus hielt sich aus dieser Diskussion entgegen seiner Art heraus. Allmählich begann Ismar zu dämmern, warum. Zwar konnte er sich immer noch nicht an die Lesung erinnern, aber er begriff, worauf Vater Ferdinand hinauswollte. Unruhig rutschte Ismar auf der steinernen Bank umher, und hörte mit an, wie die anderen Brüder Baldemarus verurteilten, ohne dass sie sich dessen bewusst waren. Aber auch Andere fühlten sich angesprochen und zeigten dies durch ihr Schweigen.

      Vater Ferdinand ließ der Diskussion Zeit sich entfalten zu können und lenkte sie mit Zwischenfragen in die gewünschte Richtung.

      „So ist es, so ist es“, sprach er langsam als die Diskussion abebbte. „Fleiß und Ehrgeiz sind jeweils ein zweischneidiges Schwert.“ Mit einem Nicken bedankte er sich für die Gedankenanstöße, der jeweiligen Redner. „Deshalb möchte ich auch eine neue Regel einführen, und mir war wichtig, dass ihr

Скачать книгу