Tom Jones. Henry Fielding
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Tom Jones - Henry Fielding страница 48
Apologie der Unempfindlichkeit unsres Tom Jones gegen alle Reize der liebenswürdigen Sophie, durch die wir vielleicht seinen Charakter in der Achtung jener witzigen und galanten Männer, welchen die Helden in den meisten unsrer neuern Komödien und Dramen so sehr gefallen, um einen merklichen Grad heruntersetzen.
Es gibt zwei Gattungen von Leuten, welche bereits, wie ich befürchte, unsern Helden wegen seines Betragens gegen Sophie mit einiger Verachtung ansehen. Die ersten unter denselben werden darin seine wenige Klugheit tadeln, daß er eine Gelegenheit vernachlässigte, sich in den Besitz von Junker Westerns Vermögen zu setzen; und die letztern werden nicht weniger seine Blödigkeit bei einem so hübschen Mädchen verhöhnen, welches bereit zu stehen schien, in seine Arme zu fliegen, wenn er sie nur aufthun wollte, um sie zu empfangen.
Ob ich nun freilich vielleicht wohl nicht fähig bin, ihn von beiden Vorwürfen so völlig zu reinigen (denn Mangel an Klugheit läßt keine Entschuldigung zu, und was ich gegen den letzten Vorwurf vorbringen werde, wird, besorge ich, schwerlich befriedigend sein), so will ich doch, da zuweilen ein Zeugnis zur Milderung des Vergehens abgelegt werden kann, die Sache, wie sie ist, ganz ungekünstelt darlegen und das Ganze der Entscheidung des Lesers überlassen.
Unser Tom Jones fühlte so etwas in sich, welches, obgleich, so viel ich weiß, die Schriftsteller über seinen Namen noch nicht ganz einig sind, dennoch in einigen menschlichen Busen Herberge hat, dessen Gebrauch nicht sowohl eigentlich darin besteht, das Recht vom Unrecht zu unterscheiden, als vielmehr zum ersten anzutreiben und vom letzten ab- und zurückzuhalten.
Dieses Etwas kann wirklich mit dem berühmten Schreiner im Schauspielhause verglichen werden, welcher zu Addisons Zeiten auf der Galerie zu stehen pflegte und mit seinem Stocke den übrigen Zuschauern ein so zuverlässiges Zeichen gab, wo sie bei einer schönen Stelle Beifall klatschen sollten: denn so oft die Person, welche es besitzt, etwas thut das recht ist, so ist kein entzückter oder freundschaftlicher Zuschauer so hitzig und laut mit seinem Beifall; thut sie hingegen etwas, das unrecht ist, so ist kein Kunstrichter so fertig zum Pfeifen und Auspochen.
Um von diesem Urgefühl, welches ich meine, sowohl eine höhere, als unsrem Zeitalter geläufigere Idee zu geben, so kann man sich's vorstellen als sitzend auf seinem Throne in dem Geiste des Menschen, gleich dem Lord Groß-Kanzler von England in seinem höchsten Obergericht, woselbst es den Vorsitz hat, regiert, richtet, losspricht und verdammt, sowie Recht und Gerechtigkeit es heischen; mit einer Einsicht, welcher nichts entwischt, mit einem Scharfblick, den nichts täuschen, und einer Redlichkeit, die nichts bestechen kann. Von diesem lebendigen Urgefühl kann man vielleicht sagen, daß es die wesentlichste Grenze zwischen uns und unsern Nachbarn, den vernunftlosen Tieren, bestimme; denn, wenn einige in menschlicher Gestalt sich betreten ließen, die seine Gerichtsbarkeit nicht anerkennen wollten, so betrachte ich solche lieber als Ueberläufer von uns zu unsern Nachbarn, bei welchen sie das Schicksal aller Ueberläufer haben und nicht ins erste Glied kommen werden.
Ob unser Held es vom Schwöger oder Quadrat erhalten hatte, will ich unausgemacht lassen; genug, er stand unter einer starken Leitung dieses Urgefühls, denn ob er gleich nicht immer richtig handelte, so ließ er doch seine Stimme nie außer acht, ohne dafür empfindlich zu leiden. Dies Urgefühl war's, welches ihn lehrte, derjenige, der Höflichkeiten und kleine Gastfreundschaft damit bezahlt, daß er das Haus beraubt, in welchem er sie genossen hat, sei der schändlichste und niederträchtigste Dieb von allen. Er war nicht der Meinung, daß die Niederträchtigkeit dieses Verbrechens durch die Größe des begangenen Raubes vermindert würde; es schien ihm im Gegenteil vielmehr, daß, wenn der Diebstahl irgend eines Silbergeräts einen schimpflichen Tod verdiene, so ließe sich für denjenigen keine hinlänglich angemessene Strafe erdenken, der einem Mann sein ganzes Vermögen raubte und sein Kind obendrein.
Dies Urgefühl hielt ihn also von jedem Gedanken zurück, durch solche Mittel sein Glück zu machen. (Denn, wie gesagt, es ist ein lebendiges oder wirksames Urgefühl und besteht nicht bloß im Wissen oder Glauben.) Wäre er sehr heftig in Sophien verliebt gewesen, so hätt' er vielleicht anders gedacht; aber, erlauben Sie mir es zu sagen, es steckt ein großer Unterschied darin, ob man mit der Tochter eines Mannes davon läuft bloß der Liebe wegen, oder ob man dasselbe thut bloß des Stehlens wegen.
Ob nun gleich unser junger Held gegen Sophiens Reize nicht unempfindlich war; ob ihm gleich ihre Schönheit gefiel und er alle ihre übrigen Eigenschaften sehr hoch schätzte, so hatte sie doch keinen tiefen Eindruck auf sein Herz gemacht. Hierüber, da es ihm den Vorwurf der Gefühllosigkeit, oder wenigstens Geschmacklosigkeit zuzuziehen scheint, wollen wir nunmehr suchen, eine Erklärung zu geben.
Die Wahrheit also ist: sein Herz gehörte schon einem andern Frauenzimmer. Hier, zweifle ich nicht, wird der Leser erstaunen, daß wir über diese Sache so lange verschlossenen Mund gehalten haben, und wird nicht wenig in Verlegenheit sein, zu erraten, was für ein Frauenzimmer das sei, weil uns bisher noch nicht das mindeste Wort von einem solchen entfallen ist, das nur wahrscheinlicherweise Sophiens Nebenbuhlerin sein konnte; denn was Madame Blifil betrifft, ob wir gleich genötigt gewesen sind, eines Verdachtes zu erwähnen, als ob sie unsern Tom sehr gerne leiden möge: so haben wir doch bis diese Stunde noch nicht den geringsten Grund zu der Mutmaßung gegeben, daß er eine Neigung zu ihr hätte; und in der That, mit Leidwesen muß ich es sagen; aber die Jugend, beiderlei Geschlechts, ist nun einmal so! – Sie läßt es gar zu leicht an der Dankbarkeit ermangeln, wenn Personen, die etwas höher an Jahren sind als sie, die Güte haben, sie mit einer gewissen vorzüglichen Achtung zu beehren.
Damit der Leser nicht länger in Ungewißheit bleiben möge, wird er die Güte haben, sich zu erinnern, daß wir oft der Familie des Wildmeisters, Jakob Seegrim, gemeiniglich der schwarze Jakob genannt, erwähnt haben, welche gegenwärtig aus einer Frau und fünf Kindern bestand.
Das zweite von diesen Kindern war eine Tochter, die Maria, oder nach einer gewöhnlichen Umänderung, Molly hieß und für eins von den hübschesten Mädchen in der ganzen Gegend gehalten wurde.
Congreve sagt sehr wahr, in der wahren Schönheit liegt etwas, das gemeine Seelen nicht bewundern können; so kann auch weder Schmutz noch Lumpen dieses Etwas vor solchen Seelen verbergen, welche nicht von gemeinem Schlage sind.
Die Schönheit dieses Mädchens machte indessen auf Tom nicht eher Eindruck, als bis sie gegen ihr sechzehntes Jahr ging, da Tom, welcher fast drei Jahre älter war, zuerst begann einen Blick der Liebe auf sie fallen zu lassen, und diese Liebe hatte er lange zuvor schon auf das Mädchen geheftet, ehe er es von sich erhalten konnte, einen Versuch auf den Besitz ihrer Person zu thun: denn, ob ihn sein Blut zwar hierzu gar mächtig reizte, so hielten ihn doch seine Gundsätze davon eben so mächtig zurück. Ein junges Frauenzimmer verführen, so gering ihr Stand auch war, schien ihm ein schwarzes Verbrechen; und die Gewogenheit, die er für den Vater, und das Mitleiden, welches er mit seiner Familie hatte, kamen solchen enthaltsamen Betrachtungen sehr stark zu Hilfe; so daß er einstens beschloß, seine Neigung gänzlich zu unterdrücken, und sich wirklich drei ganze Monate enthielt, nur einmal nach Seegrims Hause zu gehen oder seine Tochter zu sehen.
Ob nun gleich Molly, wie gesagt, durchgängig für ein hübsches Mädchen gehalten wurde und es auch in der That war, so war doch ihre Schönheit eben nicht von der sanftesten Gattung. Sie hatte wirklich sehr wenig Weibliches und hätte einem Manne ebensogut angestanden als einem Frauenzimmer; denn, die Wahrheit zu sagen, so hatte Jugend und blühende Gesundheit einen wichtigen Anteil an der Komposition ihrer körperlichen Schönheit; auch ihr Gemüt war eben nicht viel weiblicher als ihre Person. So wie diese groß und derb war, so war jenes dreist und kühn; so wenig besaß sie von der weiblichen Schamhaftigkeit, daß Jones mehr Achtung für ihre Tugend hatte als sie selbst,