Wir haben alle mal klein angefangen. Rainer Bartelt
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Immerhin stellt das Buch der Bücher zum ewigen Ärgernis aller überzeugten Feministinnen zweifelsfrei fest, dass Adam vor Eva geschaffen wurde. Und weil sie angeblich die ersten waren, die die jungfräuliche Erde bevölkern durften, kommen viele Männer nach einem oberflächlichen Studium des Alten Testaments zu dem falschen Schluss, seien sie automatisch auch die Krone der Schöpfung. Weit gefehlt: Den Mann im Allgemeinen und Adam im Speziellen kann man bestenfalls als einen ersten, vergeblichen Versuch Gottes werten, ein Wesen zum Leben zu erwecken, das in der Lage ist, die Welt zu hegen, zu pflegen und nachhaltig zu bewirtschaften. Einen fleißigen und willfährigen Hausmeister sozusagen. Falls Gott selbst mal nicht vor Ort sein sollte. Weil er sich um irgendeine andere, weit entfernt gelegene Galaxis kümmern muss.
„Pass du mir gut auf Mutter Erde auf“, könnte er mit erhobenem Zeigefinger zu Adam gesagt haben: „Ich bin dann mal weg!“
Aber was war nur ein paar wenige Lichtjahre später, als Gott wieder in unserer Milchstraße vorbeikam, um bei der angeblichen Krone seiner Schöpfung nach dem Rechten zu sehen? Sie ahnen es sicher schon: Nichts war! Adam saß einfach nur stumpf vor seiner Höhle. So als ob nichts geschehen wäre. In ein Bärenfell eingewickelt, nagte er gelangweilt an einer halbgaren Wildschweinkeule herum und schien auf die Erfindung des Fernsehens und den Beginn der ersten Bundesliga-Saison zu warten.
„So wird das nix mit ‚Mutter Erde’!“, schüttelte Gott enttäuscht seinen bärtigen und grau behaarten Kopf und fuhr fort:
„Hier muss unbedingt wer her, der den ganzen Laden ein bisschen aufmischen und etwas Schwung in die Weltgeschichte bringen kann.“
Gesagt, getan: Plötzlich stand Eva zwischen dem erstaunt dreinblickenden Adam und dem ihn wärmenden Feuer, stemmte die Fäuste in ihre unbekleideten Hüften und schnaubte ihren total abgeschlafften Göttergatten aufs Höchste entnervt an:
„Was ist hier los, Adam? Du sitzt einfach nur dumm rum und lässt den lieben Gott einen guten Mann sein? Dabei gäbe es jede Menge zu tun! Schau dich doch einmal um: Wie sieht es bloß in deiner Höhle aus? Was müssen meine zurzeit noch ungeschminkten Augen sehen? Keine Gardinen vor den Fenstern? Kein Teppich auf dem Fußboden? Keine Möbel, um es sich einmal ein bisschen bequem zu machen? Und dein Bärenfell, mein Gott, das ist ja vollkommen verschnitten: Sitzt um die Hüften ganz und gar nicht! Mann, Mann, Mann, du kannst von Glück sagen, dass du der einzige weit und breit bist, sonst wäre ich hier schon längst über alle Berge auf Nimmerwiedersehen verschwunden!“
Just von diesem Moment an, als Eva erschien, hatte Gott keinen Grund mehr, sich um Adams Arbeitseifer irgendwelche Sorgen zu machen. Denn sofort nach Evas erster „Gardinenpredigt“ fing er an, unter ihrer peinlich genauen und unnachgiebigen Aufsicht zu schuften und zu werkeln, dass es eine wahre Lust war. Nur damit er ihr und seinen beiden leider ziemlich streitsüchtigen Söhnen Kain und Abel ein trautes Heim bieten konnte. Das – damit seine Eva auch wirklich zufrieden war – außerdem natürlich viel schöner sein musste als all die vielen anderen Nachbarhöhlen.
Ohne Eva kein Chichi
Ja, es tut mir leid, liebe Männer, aber es stimmt wirklich: Erst die Frauen bringen Farbe und Glanz in unsere Welt! Wer’s nicht glauben will, der schaue sich einfach mal die ISS an, diese über unseren Köpfen kreisende internationale Blechdose. Entschuldigung, ich meinte natürlich: „Raumstation“! Im Internet zum Beispiel. Wie es in der ISS aussieht, darüber gibt es dort jede Menge Bilder. Und so wie es in dieser Blechbüchse aussieht, das können Sie mir glauben, so würde es auch überall sonst auf unserer kleinen Mutter Erde aussehen, wenn Männer für sich allein fortpflanzungsfähig wären und für die Produktion kleiner Schreihälse keine Evas bräuchten.
Adam Welt wäre: Technik, Technik überall und kein einziger Tischläufer. Ja, nicht einmal einen richtigen Esszimmertisch mit bunter Tischdecke, frischen Blumen und einem goldenen Teeservice aus Meißner Porzellan würde es geben! Ich kann Ihnen sagen: Einfach grauenhaft, die Welt wäre sowas von öd und leer. Ich bezweifele sogar, dass die von der ISS sich in der Vergangenheit oder jüngsten Gegenwart jemals einen Innenarchitekten zugelegt haben. Und wenn doch: Jede Frau hätte den allein wegen der schon dem bloßen Augenschein nach erwiesenen Unfähigkeit sofort gefeuert! Also: Sofern sich in der modernen Raumfahrt in Sachen Schick und Gemütlichkeit nicht sehr bald etwas Grundlegendes ändert, werden wir Männer auf unserem ersten Flug zum Mars sehr, sehr einsam sein…
Genauso einsam und verzweifelt wie ich damals war, bevor ich meine eigene Eva namens Petra traf. Im Schlussverkauf bei Karstadt. In der Abteilung für Damenoberbekleidung. Erst da nahm mein Lebensglück seinen Anfang. Denn Petras unverrückbare, sich im Detail nur sehr unwesentlich widersprechenden (Über-)Lebensgrundsätze lauten, damals wie heute:
„Man findet anderswo allemal etwas Interessanteres als Zuhause!“
Und:
„Nie ohne mein Kopfkissen!“
Womit wir Adam für den Moment einmal hinter uns gelassen und in Evas Welt gelandet sind. Wobei – landen wollen wir eigentlich gar nicht, wir wollen starten, wir wollen auf die Reise gehen. Durch fünf Jahrzehnte und über (mindestens) drei Kontinente. Mit oder ohne Kopfkissen. Zu Fuß, mit dem Auto, dem Zug, dem Schiff oder mit dem Flugzeug. Nur nicht mit der ISS.
Unsere erste Reise führt uns zurück ins England des frühen Millenniums, und gleich danach geht es langsam aber sicher noch weiter zurück in die Zeit von Afrolook, Schlaghosen und Diskomusik. Da sind wir dann in Göttingens berühmt-berüchtigter Studentenszene angekommen. Göttingen, eine kleine Großstadt am Rande des Harzes, die angeblich jede Menge „Wissen schafft“, in der stattdessen aber genauso viel Blödsinn passiert, wie anderswo auf der Welt – nur eben hoch-wissenschaftlich be- und gegründet.
Enden werden wir – nach einer Reise kreuz und quer durch diese Welt – mit gendergerechten Verkehrsregeln, selbstfahrenden Autos und intelligenten Kampf-Robotern. Also in einer mit Riesen-Schritten herannahenden Zukunft, in der nicht nur der gute alte Adam, sondern wir alle irgendwann einmal überflüssig sein werden. In der es dann trickreich programmierte Maschinen gibt, die für uns den ganzen Blödsinn erledigen, den wir sonst selber machen müssten. Dumm gelaufen für die Spezies Mensch. Obwohl – urteilen Sie selbst, sind wir es wirklich wert, diesen wunderschönen Planeten zu bewohnen? Ich habe da so meine Zweifel...
Mäuse im Queen’s Park
„Oh schau mal, Claire, die süßen kleinen Mäuse!”
Zwei piekfeine englische Ladies, die genau so aussahen, als ob sie gerade eben einem Rosamunde-Pilcher-Roman entsprungen waren, betrachteten ganz verzückt das lustige Tiertreiben, das sich am helllichten Tag unweit des Buckingham Palastes unmittelbar vor ihnen zutrug. Unwillkürlich mussten Petra und ich auch hinschauen – und trauten unseren Augen kaum: Was tummelte sich da, mitten auf dem ultrakurz gemähten englischen Rasen im hochherrschaftlich-königlichen Queen’s Park? Nein, da hüpften keine süßen kleinen Mäuschen lustig auf dem gepflegten Londoner Grün herum und erfreuten sich eines unbeschwert-fröhlichen Mäuselebens. Vor unseren Nasen hockte stattdessen ein halbes Dutzend dicker, fetter, abgrundtief hässlicher Ratten, die allesamt so böse dreinschauten, als ob sie gleich gemeinsam aufspringen, über den Rasen laufen und sich mit großem Appetit auf die beiden alten Damen stürzen wollten.
Nun, wenn das mit den „süßen Mäuschen” kein typisch britisches Understatement war, was war es dann – nicht wahr?