Unfassbar traurig. Ute Dombrowski

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Unfassbar traurig - Ute Dombrowski Eltville-Thriller

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aus“, murmelte Christine Flitzker, die von allen nur Tine genannt wurde und ein einjähriges Praktikum bei der Spurensicherung machte.

      „Manchmal sehen sie aus, als würden sie nur schlafen, aber lass mal, Tine, es gibt auch Fälle, da schaust du in ihre Gesichter und weißt, welche Qualen sie durchlitten haben.“

      Die sanfte tiefe Stimme gehörte zu Falk Pern, dem neuen Leiter der Spurensicherung. Er hatte die Stelle von Jürgen übernommen, der seine ehemaligen Kollegen ab und zu besuchte, um ein bisschen zu fachsimpeln. Falk war Mitte vierzig und verheiratet. Seine zwei Jungs, neun und elf Jahre alt, hielten ihn an den Wochenenden auf Trab, aber oft war er traurig, nicht mehr Zeit mit ihnen verbringen zu können.

      Er war ein guter Lehrmeister für Tine, die sich vom ersten Tag an in ihre Arbeit gekniet hatte und den Kollegen manchmal mit ihrer grenzenlosen Neugier aus dem Konzept brachte.

      Nachdem die Fotos gemacht waren, schob Tine dem Opfer den Rock herunter und fühlte sich so ein wenig besser, denn die Nacktheit, die eine unendliche Verletzlichkeit offenbarte, berührte sie fast mehr als die Tatsache, dass das Mädchen tot war.

      „Die riesigen Fußspuren gehören zu Sportschuhen. Ich schätze, es war ein Mann.“

      „Sehr gut“, sagte Falk und gab Tine den Auftrag, Gipsabdrücke herzustellen. „Wo bleiben denn unsere beiden Schnüffler?“

       Da klappten unten am Weg zwei Autotüren und die Kommissare, die sich unüberhörbar in einem Streit befanden, kamen näher.

      „Nein, du bist echt zu doof, das Navi zu bedienen“, sagte eine schlanke Frau mit kurzen roten Haaren und lachte laut.

      „Das ist nicht lustig, du Besserwisserin und außerdem ist dein Lachen am Fundort einer Leiche alles andere als passend.“

      Ferdinand Waldhöft war es auch nach zehn Jahren bei der Mordkommission immer noch sehr unangenehm, an einen Tatort gerufen zu werden. Es machte ihn nervös, nicht zu wissen, mit welchem Anblick er konfrontiert werden würde. Wenn dann noch ein Kind oder ein Jugendlicher das Opfer war, kämpfte er stets mit seinen Gefühlen. Seine Kollegin war abgebrüht oder eine gute Schauspielerin. Sie zeigte niemals Gefühle und das mochte Ferdinand gar nicht.

      „Nächstes Mal fahre ich!“, rief die Kommissarin. „Besser noch, du nimmst den Bus. Es ist das dritte Mal, dass wir uns verfahren und das in so einer Gegend. Es gibt doch immer nur drei Straßen in diesen Winzerorten und alle führen entweder in Richtung Rhein oder in die Weinberge.“

      „Das Schöne ist ja, dass ich hier das Sagen habe, meine Liebe. Also nimmst du den Bus, wenn dir mein Fahrstil nicht gefällt.“

      Sie waren bei Falk und Tine angekommen, die nur den Kopf schüttelten. Einerseits konnte Falk Ferdinand verstehen, der mit der Technik auf Kriegsfuß stand und ein Navi für etwas Unanständiges hielt, andererseits hatte er schon öfter gedacht: Der soll sich mal nicht so anstellen und seiner Kollegin das Steuer überlassen. Ella Grassoux hatte mit dem Navi und großem Eifer den Rheingau erobert. Sie stammte zwar aus Berlin, doch seit sie vor drei Jahren hergezogen war, kannte sie sich in der Gegend aus, als wäre sie hier schon immer zuhause. Ferdinand nannte sie eine „Stadtpflanze“ und traute ihren Ortskenntnissen nicht über den Weg.

      Ella war wie Ferdinand vierzig und lebte mit ihrer Lebensgefährtin in Erbach. Alle warteten auf eine große Hochzeit. Ellas Partnerin wollte sich jedoch nicht binden, denn sie hatte jeden Tag Angst, dass Ella im Dienst erschossen wurde. Die ständigen Diskussionen, die meist in einem Krach endeten, trugen täglich dazu bei, dass Ella oft schlechte Laune hatte.

      Ferdinand Waldhöft dagegen war ein einsamer Wolf, der seit einer Ewigkeit allein lebte. Er hielt eine Beziehung und Familie für nicht kompatibel mit seinem Beruf. Meistens ging er still und besonnen seiner Arbeit nach. Vor kurzem hatte er noch in einem kleinen Revier bei Gießen gearbeitet. Als er versetzt wurde, ahnte er nicht, dass er ein schweres Erbe antreten würde. Seine Vorgänger waren beliebt und geachtet gewesen, überall wurde getrauert und die große Leere war fast greifbar. Erst langsam kamen alle wieder in der Realität an und es stimmte tatsächlich: Das Leben geht weiter. Die großen und kleinen Verbrecher nahmen keine Rücksicht und binnen kurzer Zeit hatte der Alltag sie im Griff.

      Er war sehr zufrieden, dass er eine Kollegin zur Seite gestellt bekam, die sich nur für Frauen interessierte, also musste er sich nicht mit persönlichen Gefühlen herumschlagen. Von Bianca Verskoff hatte er viel gehört, aber sie bisher nie getroffen. Man sagte ihr ein besonderes Gespür für Menschen nach und das wäre etwas gewesen, was Ferdinand und sie verbunden hätte, aber Bianca vermied jeden Kontakt mit dem alten Präsidium. Er war neugierig auf sie, aber das wollte er niemandem verraten.

      „Das ist ja noch ein halbes Kind“, sagte er leise, als der Gerichtsmediziner das weiße Tuch anhob. „Wie lange liegt sie schon hier?“

      „Seit letzter Nacht“, erklärte Herrmann Pfriehl, der für Olaf Brzsick ins Team gekommen war.

      Olaf hatte eine Stelle an der Universität bekommen und zugesagt, denn er hielt es für wichtig, sich immer wieder neuen Aufgaben zustellen. Außerdem hatte ihm das Unglück ebenfalls stark zu gesetzt.

      „Wurde sie vergewaltigt?“

      „Ja, leider auch das. Sie wurde erst getötet und dann vergewaltigt. Jetzt nehme ich sie mit in die Gerichtsmedizin und alles Weitere erfahrt ihr in meinem Obduktionsbericht.“

      „Danke. Ella, wo fangen wir an?“

      Die Kommissarin sah sich um und fragte: „Wo ist die Joggerin, die sie gefunden hat? Warum rennt die denn um diese Zeit durch die Weinberge?“

      „Das kannst du sie selbst fragen, aber sie ist schon weg, weil der Ehemann zur Arbeit muss und dann nicht mehr auf das Kind aufpassen kann“, sagte Falk, der wusste, wie die Kinderbetreuung ablief. „Sie geht immer in aller Frühe joggen, weil sie so auch mal eine Stunde nur für sich hat. Das ist bei uns ähnlich, aber meine Frau nimmt ihre Auszeit am Abend, wenn sie zum Chor geht.“

      Ferdinand grinste, aber schnell wurde er wieder ernst. Jetzt trat Tine zu ihnen und beschrieb noch einmal den riesigen Fußabdruck. Die Kommissare verabschiedeten sich. Auf dem Weg warf Ferdinand Ella den Autoschlüssel zu.

      „Oh, danke. Was für eine Ehre, dass ich fahren darf. Aber so kommen wir wenigstens heute noch an.“

      Dina Quornick öffnete im Jogginganzug die Tür. Auf dem Arm hielt sie ein kleines Mädchen von etwa vier Jahren. Sie hatte dunkelblonde Zöpfe mit roten Schleifen und schaute die Besucher neugierig an.

      „Kommen Sie herein“, bat die junge Frau, die Ende zwanzig sein mochte, „bitte entschuldigen Sie die Unordnung.“

      „Keine Sorge“, sagte Ella trocken, „wir sind nicht zum Aufräumen hier. Sie haben die Tote gefunden?“

      Ferdinand hatte den Frauen das Gespräch überlassen und saß mit dem kleinen Mädchen auf dem Spielteppich. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich ihn. Würde er auch irgendwann mal eine Familie und Kinder haben? Oder wollte er für den Rest seines Lebens Single sein? Der Gedanke daran war jetzt noch verlockend, weil er einen unbeschreiblich großen Freiraum hatte, aber konnte er, wenn er alt war und keine Aufgabe mehr hatte, wirklich ganz allein bleiben?

      „Das ist meine Puppe Lisa“, erklärte das Mädchen. „Die heißt so wie ich.“

      „Das ist eine schöne Puppe, Lisa.“

      „Hast du auch eine

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