Dombey und Sohn. Charles Dickens
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Dombey und Sohn - Charles Dickens страница 31
Siebentes Kapitel. VOGELPERSPEKTIVE VON MIß TORS WOHNUNG UND IHRE LIEBHABEREIEN.
Miß Tor bewohnte ein dunkles Häuschen, das sich in einer früheren Periode der englischen Geschichte mitten hinein in eine fashionable Umgebung des Westendes von London gezwängt hatte, wo es wie eine arme Verwandte der um die Ecke herum liegenden großen Straße im Schatten stand und von den mächtigen Nachbarhäusern nur über die Achsel angesehen wurde. Es stand nicht gerade in einem Hof, wohl aber in einer der langweiligsten Sackgassen, die noch beängstigender und hagerer wurde durch die fernen Doppelschläge. Dieser abgeschiedene Ort, wo zwischen den Pflastersteinen das Gras in die Höhe schoß, hieß der Prinzessinnenplatz, und auf dem Prinzessinnenplatz befand sich eine Prinzessinnenkapelle mit einer gellenden Glocke, in der sich bisweilen ein paar Dutzend Personen zum Sonntagsgottesdienst versammelten. Ferner sah man hier ein Wappen der Prinzessinnen, das häufig von Dienern in funkelnden Livreen besucht wurde, und innerhalb des Geländers vor den Wappen der Prinzessinnen stand eine Sänfte, die aber seit Menschengedenken nie herausgekommen war. An schönen Morgen waren die Spitzen sämtlicher Geländerstangen (ihrer Zahl nach 48, wie sich Miß Tor oft aus eigener Zählung überzeugt hatte) mit Zinnkrügen verziert. Auf dem Prinzessinnenplatz stand neben der Wohnung Miß Tor noch ein anderes Privathaus, dessen ungeheures Flügeltor, mit ein paar ungeheuren löwenköpfigen Klopfern daran, gar nicht erwähnt zu werden braucht, da es nie geöffnet wurde und vermutlich ein außer Brauch gekommener Eingang zu jemands Ställen war. Überhaupt herrschte auf dem Prinzessinnenplatz ein gewisser unverkennbarer Stallgeruch, und das hinten hinausgehende Schlafgemach der Miß Tor beherrschte eine Aussicht auf Ställe, wo stets Pferdeknechte mit irgendeiner Art Arbeit beschäftigt waren und sich dabei mit gewaltigem Geschrei unterhielten. Auch sah man dort die häuslichsten und vertraulichsten Kleider der Kutscher, ihrer Weiber und Familien, die gewöhnlich wie Macbeths Banner an den äußeren Mauern aufgehängt waren.
In dem andern Privathaus des Prinzessinnenplatzes, das von einem in Ruhestand getretenen und mit einer Wirtschafterin verehelichten Hausmeister bewohnt wurde, waren Gemächer an einen Junggesellen vermietet – nämlich an einen holzköpfigen, blaugesichtigen Major mit großen hervorquellenden Augen, in denen Miß Tor, wie sie sich selbst ausdrückte, »etwas so wahrhaft Militärisches« erkannte. Zwischen diesem Herrn und ihr fand ein gelegentlicher Austausch von Zeitungen und Flugschriften statt – ein platonisches Spiel, das durch einen schwarzen Diener des Majors vermittelt wurde. Miß Tor begnügte sich vollkommen damit, letzteren als einen »Eingeborenen« zu klassifizieren, ohne ihn mit irgendeiner geographischen Idee in Verbindung zu bringen.
Vielleicht hat es nie einen engeren Eingang und eine schmälere Treppe gegeben, als den Eingang und die Treppe von dem Hause der Miß Tor. Vielleicht war es im ganzen von oben bis unten genommen das unbequemste und verkrümmteste kleine Haus in ganz England; aber Miß Tor pflegte es mit den Worten zu entschuldigen – »aber die Lage!« Im Winter hatte man nur kurze Zeit ein wenig Tageslicht, und auch in den besten Zeiten war nie Sonnenlicht zu bekommen. Von der Luft ist bereits die Rede gewesen, und vom Verkehr war man ganz abgeschnitten. Dennoch sagte Miß Tor – »bedenkt nur, welch eine Lage!« Der blaugesichtige Major mit seinen Glotzaugen war damit einverstanden und tat sich viel auf den Prinzessinnenplatz zugut, da er ihm Gelegenheit gab, in seinem Klub immer wieder das Gespräch auf die vornehmen Leute und die große Straße um die Ecke zu bringen, nur um sich den Hochgenuß zu bereiten, daß er sagen konnte, sie seien seine Nachbarn.
Das finstere Haus, das Miß Tor bewohnte, war ihr Eigentum und ihr von dem verstorbenen Besitzer des fischigen Auges in dem Schlosse vermacht worden; auch befand sich ein Miniaturporträt desselben mit gepuderten Haaren und Zopf als Gegenstück zu dem Kesselhalter auf der andern Seite des Kamins im Wohnstübchen. Der größere Teil des Möbelwerks stammte gleichfalls aus der Zeit des Puders und der Zöpfe; namentlich zeichnete sich darunter ein Tellerwärmer, der stets seine vier abgezehrten, gebogenen Beine jemand in den Weg streckte, und ein abgenutztes Klavier aus, um das sich der Name des Instrumentenmachers mit einer gewaltigen Erbsengirlande herumzog.
Obschon Major Bagstok bei dem großen Meridian des Lebens, wie man es in der feinen Literatur nennt, angelangt war und seine Wanderung abwärts mit kaum einem Halse, einem sehr starren Paar Backenknochen, langen, hängenden Elefantenohren und Augen in dem bereits erwähnten Zustande künstlicher Aufregung weiter verfolgte, so ließ er es sich doch gewaltig angelegen sein, in Miß Tor ein Interesse für sich zu wecken, und so kitzelte er denn seine Eitelkeit mit der Vorstellung, daß sie eine herrliche Frauensperson sei, die ihr Auge auf ihn geworfen habe. Er hatte das auch mehrere Male in seinem Klub angedeutet, und manche kleine Scherze damit in Verbindung gebracht, in denen der alte Joe Bagstok, der alte Joey Bagstok, der alte J. Bagstok, der alte Josh Bagstok usw. das ewige Thema bildeten; es gehörte nämlich sozusagen zu dem Bollwerk von des Majors heiterem Humor, stets mit seinem eigenen Namen auf dem vertraulichsten Fuß zu stehen.
»Joey B., Sir«, konnte der Major mit einer Schwenkung seines Spazierstocks sagen, »ist so viel wert, wie ein Dutzend von Euch. Wenn Ihr einige mehr von der Bagstokzucht unter Euch hättet, Sir, so würdet Ihr dadurch nicht schlechter fahren. Auch jetzt noch, Sir, braucht der alte Joe nicht lange nach einem Weibe suchen, wenn es ihm darum zu tun ist; aber der Joe ist hartherzig, Sir – er ist zäh, Sir, zäh und verteufelt schlau!«
Nach einer solchen Erklärung konnte man pfeifende Töne hören, und das blaue Gesicht des Majors vertiefte sich zum Purpur, während seine Augen in wahrhaft konvulsivischem Zustande hervorquollen.
Ungeachtet des sehr freigebigen Eigenlobes war übrigens der Major ein selbstsüchtiger Mann. Wir möchten bezweifeln, ob es je eine Person mit einem selbstsüchtigeren Herzen oder – um mich eines bessern Ausdrucks zu bedienen – mit einem selbstsüchtigeren Magen gab, zumal da man zugeben muß, daß er mit letzterem Organ entschieden reichlicher bedacht worden war, als mit dem ersteren. Es fiel ihm nicht entfernt ein, daß er übersehen oder gering geschätzt werden könnte, am wenigsten aber ließ er sich träumen, daß etwas Derartiges gar von Miß Tor ausgehen könnte.
Und doch gewann es den Anschein, als ob Miß Tor ihn vergessen habe – allmählich vergessen habe. Sie machte damit den Anfang bald nach dem Auffinden der Toodle-Familie, fuhr dann fort bis zu der Zeit der Kindstaufe, und nachher hatte ihr Interesse für ihn ganz und gar aufgehört. Ihre Teilnahme mußte durch irgend etwas oder irgend jemanden verdrängt worden sein.
»Guten Morgen, Ma›am«, sagte der Major, als er ihr einige Wochen nach den im vorigen Kapitel erwähnten Veränderungen auf dem Prinzessinnenplatze begegnete.
»Guten Morgen, Sir«, versetzte Miß Tor mit großer Kälte.
»Es ist schon geraume Zeit her, Ma›am«, bemerkte der Major mit seiner gewohnten Galanterie, »daß Joe Bagstok nicht das Glück hatte, Euch an Eurem Fenster sein Kompliment zu machen. Joe fühlt sich hart behandelt, Ma›am. Seine Sonne hat sich hinter einer Wolke versteckt.«
Miß Tor neigte ihr Haupt, aber in der Tat nur sehr kühl.
»Joes Sonne ist vielleicht über Land gewesen, Ma'am?« inquirierte der Major.
»Ich – über Land? o nein; ich bin nicht aus der Stadt gekommen«, versetzte Miß Tor. »Ich war in letzter Zeit viel in Anspruch genommen und muß fast jeden freien Augenblick einigen sehr vertrauten Freunden widmen. Ich fürchte, daß ich sogar jetzt mit meiner Zeit geizen muß. Guten Morgen, Sir!«
Miß Tor verschwand mit ihrer höchst bezaubernden Haltung von dem Prinzessinnenplatz, und der Major sah ihr mit einem Gesichte nach, das blauer war als je; dabei murmelte und brummte er etwas vor sich hin, was durchaus nicht wie ein Kompliment klang.
»Ei,