Dombey und Sohn. Charles Dickens

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Dombey und Sohn - Charles Dickens

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Blick auf Richards. »Aber wie wurde sie gefunden? Wer fand sie?«

      »Je nun, ich glaube, daß ich Miß Dombey gefunden habe, Sir«, versetzte Walter bescheiden. »Freilich weiß ich nicht, ob ich Anspruch auf das Verdienst erheben kann, sie wirklich gefunden zu haben, Sir, aber ich war das glückliche Werkzeug –«

      »Was meint Ihr damit, Sir«, unterbrach ihn Mr. Dombey, die Freude und den augenscheinlichen Stolz des Knaben auf seinen Anteil an dem Vorfall mit instinktartigem Widerwillen betrachtend, »wenn Ihr sagt, Ihr habet meine Tochter nicht gerade gefunden, sondern seiet nur ein glückliches Werkzeug gewesen? Faßt Euch einfach und zusammenhängend, wenn ich bitten darf.«

      Aber es war zuviel gefordert, wenn man von Walter verlangte, er solle zusammenhängend reden; er gab jedoch in seinem atemlosen Zustande die Aufklärung, so gut er konnte, und fügte hinzu, warum er allein gekommen sei.

      »Ihr habt es gehört, Mädchen«, sagte Mr. Dombey mit einem finsteren Blick auf die Schwarzäugige. »Nehmt das Nötige und begleitet augenblicklich diesen jungen Menschen, um Miß Florence nach Haus zu holen. Gay, Ihr werdet morgen belohnt werden.«

      »O, ich danke, Sir«, versetzte Walter. »Ihr seid sehr gütig. Aber ich habe nicht entfernt an eine Belohnung gedacht, Sir.«

      »Ihr seid ein Knabe«, sagte Mr. Dombey gereizt und fast in grimmigem Tone, »und was Ihr denkt oder zu denken meint, hat wenig zu bedeuten. Ihr habt Euch ordentlich benommen, Sir – macht es nicht wieder zunichte. Louisa, sei so gut, gib dem Knaben etwas Wein.«

      Als Walter Gay unter dem Geleite von Mrs. Chick das Zimmer verließ, folgte ihm Dombeys Blick mit großer Ungunst, und vielleicht sah ihm dessen geistiges Auge mit noch größerem Mißbehagen nach, als der Knabe mit Miß Susanna Nipper nach der Wohnung seines Onkels zurückfuhr.

      Dort fanden sie Florence sehr erfrischt von ihrem Schlafe. Sie hatte mittlerweile gespeist und in der Bekanntschaft mit Solomon Gills, gegen den sie sich ganz vertraulich benahm, große Fortschritte gemacht. Die Schwarzäugige, die inzwischen so viel geweint hatte, daß man sie jetzt wohl die Rotäugige hätte nennen können, benahm sich sehr kleinlaut und niedergeschlagen. Sie umschlang die Wiedergefundene ohne ein Wort des Tadels oder Vorwurfs mit ihren Armen, so daß sich der Anblick recht rührend ausnahm; dann wurde die Wohnstube für den Augenblick in ein Privat-Ankleidezimmer umgewandelt. Miß Nipper putzte ihren Pflegling unter großer Sorgfalt mit passenden Bekleidungsstücken heraus und führte sie bald so ganz als eine Dombey vor, wie das bei ihren natürlichen schlechten Qualifikationen dafür nur möglich war.

      »Gute Nacht!« sagte Florence, auf Solomon zueilend. »Ihr seid sehr gütig gegen mich gewesen.«

      Der alte Sol war hierüber ganz entzückt und küßte sie, als wäre er ihr Großvater.

      »Gute Nacht, Walter! Gott befohlen!« sagte Florence.

      »Gott befohlen!« entgegnete Walter, indem er ihr beide Hände hinhielt.

      »Ich werde Euch nie vergessen«, fuhr Florence fort. »Nein, gewiß nicht. Gott befohlen, Walter!«

      In der Unschuld ihres dankbaren Herzens hob die Kleine ihr Gesichtchen zu seinem empor. Walter beugte sich zu ihr nieder, erhob aber sein Antlitz glühend rot und brennend wieder, mit einem einfältigen Gesicht nach Onkel Sol hinsehend.

      »Wo ist Walter!« »Gute Nacht, Walter!« »Gott befohlen, Walter!« »Noch einmal Eure Hand, Walter!« So hörte man Florence noch rufen, als sie bereits mit ihrer kleinen Wärterin in der Kutsche saß. Und als die Kutsche endlich abfuhr, erwiderte Walter noch auf der Türschwelle das Schwenken ihres Taschentuches, während der hölzerne Midshipman hinter ihm gleichfalls nur auf diese eine Kutsche versessen zu sein und kein Auge für alle vorüberfahrenden Equipagen zu haben schien.

      Nach kurzer Zeit war Mr. Dombeys Wohnung erreicht, und aus der Bibliothek erscholl abermals der Zungenlärm. Auch die Kutsche erhielt wiederholt die Weisung, zu warten – »für Mrs. Richards«, flüsterte eine von Susannas Mitdienerinnen bedeutungsvoll, als diese mit Florence an ihr vorbeikam.

      Der Eintritt des verlorenen Kindes machte einiges Aufsehen, aber nicht viel. Mr. Dombey, der sie nie gefunden haben würde, küßte sie ein einziges Mal auf die Stirn und warnte sie, nicht wieder wegzulaufen oder mit treulosen Dienstboten umherzuziehen, Mrs. Chick hielt ein mit ihren Lamentationen über die Verderbnis der Menschennatur, selbst wenn sie durch einen barmherzigen Schleifer auf den Pfad der Tugend zurückgerufen würde, und bewillkommte Florence in einer Weise, beinahe so, als wäre sie eine vollkommene Dombey. Miß Tox regulierte ihre Gefühle nach den Vorbildern, die sie vor sich hatte, und empfing sie mit einem Willkomm, der jedenfalls nicht so war, wie ihn eine vollkommene Dombey verdient haben würde. Nur Richards, die schuldige Richards, ergoß ihr Herz in gebrochenen Worten herzlicher Begrüßung und beugte sich über die Kleine nieder, als ob sie dieselbe wirklich lieb habe.

      »Ach, Richards«, sagte Mrs. Chick mit einem Seufzer, »es wäre für Euch weit ziemender und für diejenigen, die von ihrem Nebenmenschen eine gute Meinung haben möchten, viel befriedigender gewesen, wenn Ihr zu rechter Zeit ein passendes Gefühl gezeigt hättet für das kleine Kind, das jetzt nur allzu früh seiner natürlichen Nahrung beraubt werden soll.«

      »Abgeschnitten«, fügte Miß Tox in bedauerndem Flüstern bei, »von einer gemeinsamen Quelle.«

      »Wenn ich mich eines solchen Falls von Undank schuldig gemacht hätte«, fuhr Mrs. Chick feierlich fort, »und ich an Eurer Stelle wäre, Richards, so wäre es mir immer, als ob die Tracht der barmherzigen Schleifer mein Kind verzehren und die Erziehung es ersticken müßte.«

      Was das betraf – aber freilich wußte Mrs. Chick nichts davon – war der Knabe um des Anzugs willen jedenfalls schon sehr zerzaust worden, und vielleicht übte mit der Zeit auch die Erziehung die eben erwähnte vergeltende Wirkung, da sie aus nichts anderem als aus einem Sturm von Schlägen und Schmerzrufen bestand.

      »Louisa!« sagte Mr. Dombey. »Es ist nicht nötig, dies Thema weiter zu verfolgen. Das Weib ist entlassen und bezahlt. Ihr verlaßt dieses Haus, Richards, weil Ihr meinen Sohn – meinen Sohn«, fügte Mr. Dombey mit erhöhtem Nachdruck der beiden letzten Worte hinzu – »in Spelunken und in eine Gesellschaft gebracht habt, an die man nicht ohne Schauder denken kann. Was den Unfall anbelangt, der heute morgen Miß Florence zustieß, so betrachte ich denselben in einem gewissen sehr bedeutungsvollen Sinn als einen glücklichen Umstand, insofern ich ohne denselben nie, und noch obendrein nicht von Euren eigenen Lippen erfahren haben würde, wessen Ihr Euch schuldig gemacht habt. Ich denke, Louisa, daß die andere Wärterin, die eine junge Person ist« – hier fing Miß Nipper an, laut zu schluchzen – »und sich deshalb natürlich von Pauls Amme verleiten ließ, im Hause bleiben kann. Sei so gut, dem Kutscher die Weisung zu erteilen, daß der Wagen für dieses Weib bezahlt ist nach –« Herr Dombey stockte und konnte das Wort fast nicht über die Lippen bringen – »nach den Staggs Gärten.«

      Polly wandte sich nach der Tür; aber Florence hielt sich weinend an ihren Kleidern fest und bat sie auf das flehendlichste, nicht fortzugehen. Es war ein Dolchstoß für das Herz des hochmütigen Vaters und ein Pfeil in sein Gehirn, daß er sehen mußte, wie das Fleisch und Blut, das er sein eigen nennen mußte, in seiner Gegenwart sich an diese niedrige Fremde anklammerte. Nicht, weil er sich darum kümmerte, wen seine Tochter liebte oder mied. Das Schmerzgefühl, das ihn durchzuckte, haftete an dem Gedanken, was möglicherweise sein Sohn tun könnte.

      Jedenfalls weinte sein Sohn die ganze Nacht hindurch mit Macht. In Wahrheit gesprochen, der arme Paul hatte einen weit besseren Grund für seine Tränen, als das bei Söhnen von ähnlichem Alter oft der Fall ist, denn ihm war seine zweite Mutter genommen worden – die erste, die er kannte – und zwar

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