Wir hatten mal ein Kind. Ханс Фаллада

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Wir hatten mal ein Kind - Ханс Фаллада

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Kind im Boote gelegen und sie hatte ihn an Land gebracht. Sie hatte ihn in Haus und Bett gepackt, er war ihre Sorge, ihre Verantwortung. Schon war sie fest entschlossen, ihn nicht allein gehen zu lassen, so wie sie war, würde sie mit ihm gehen. Irgendwann würde er ja doch umfallen, weit kam er so nicht, und dann würde sie ihn wieder in ein Haus bringen und diesmal würde sie ihn fester halten.

      Er ging langsam und taumelnd die Dorfstraße voraus, vor sich hin murmelnd. Ganz von selbst hatte er die Richtung zur See eingeschlagen, als röche er sie. Sie zottelte hinterher.

      Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Zuerst verwarf sie ihn als ganz unmöglich, aber er kehrte hartnäckig immer wieder. Sie lief hinter dem Kranken her, der Gedanke nistete sich fester ein, schon erschien er ihr nicht mehr so unmöglich. Sie lief vor, berührte seinen Arm und sagte: Du!

      Er blieb stehen, trotz des Dunkels konnte sie fühlen, daß er sie gespannt ansah.

      Ich will dir die Silberkuh zeigen, sagte sie.

      Sie hörte einen Laut von ihm. Sie hatte solchen Laut noch nie im Leben gehört, sie hatte nie gedacht, daß man so großes Glück empfinden und so rein in einem Laut äußern könnte – manchmal jauchzten Kinder ähnlich, aber dies war es denn doch nicht.

      Mach rasch, zeig, sagte er atemlos und faßte sie so fest am Arm, daß sie leise aufschrie. Komm doch!

      Sie gingen hastig zurück. Nun taumelte er nicht mehr, er ging rasch, mit langen Schritten, wie ein strahlend frischer junger Mann. Er fragte nichts mehr, er sagte nichts mehr, aber sie fühlte, wie er ganz Spannung war.

      Doch ihr Herz zitterte und bebte, es wollte, daß sie sagte: Ich habe dich belogen. Und sie ging weiter. Sie hoffte: vielleicht gelingt es. Und sie verzweifelte: das Fieber macht ihn nur hellsichtiger.

      Es waren die schlimmsten dreihundert Schritte, die jetzt zum Hof, die die junge Justine je in ihrem Leben gegangen war, und sie wünschte während des ganzen Weges, sie wären ihr erspart geblieben.

      Dann kamen sie wieder auf den Hof, der Tyras schlug an und winselte dann zur Begrüßung. Sie hatte die Stallaterne anzuzünden, und das ging nur schwer und langsam mit ihren zitternden Händen. Dann hatten sie in die kleine Box neben dem Pferdestall zu gehen. Er hatte bei alledem ruhig und unendlich geduldig gestanden, aber sie fühlte wohl seine unerträgliche Spannung. Sie hatte keine Furcht davor, daß er sie etwa schlagen würde, wenn er den Betrug entdeckte, aber sie hatte Angst darum, was dann wohl aus ihm werden würde. Denn dann würde er nicht einmal mehr erlauben, daß sie ihm weiter nachging. So stieß sie zitternd die Lattentür zu der Boxe auf, blieb stehen, hielt die Lampe möglichst zurück und sagte: Das ist die Silberkuh.

      Er trat rasch in die Boxe.

       Mit dem Tier aber, das in dieser Boxe stand, hatte es eine ganz einfache Bewandtnis. Auf dem Hof zog länger schon, als Justine lebte, ein Schimmel, ein großes knochiges Tier, Pflug, Egge und Wagen. Je älter er wurde – und er mußte längst Mitte der zwanziger Jahre sein, was für Arbeitspferde ein Methusalemalter ist –, um so schlohweißer und knochiger wurde er. Er hatte sich immer bemüht, fleißig seine Arbeit zu tun, aber bei der letzten Herbstbestellung konnte er einfach nicht mehr: drei- oder viermal fiel er um vor dem Pflug und kam nur noch mit Mühe heim in den Stall. Da erbettelte es sich Justine von Onkel Walli, daß der alte Schimmel nicht dem Pferdeschlächter oder Schinder anheimfiel, sondern in der dunklen Box hinter dem Pferdestall seinen Gnadenhafer fressen durfte. Auf diesen alten Schimmel war sie nun verfallen, als ihr gar kein anderes Mittel einfiel, den kranken Mann zu halten, und sie hoffte, im Dunkel des nächtlichen Stalls werde ihr die Unterschiebung glücken.

      Der Mann stand zuerst bewegungslos in der Stalltür und starrte auf den großen, bleich schimmernden Fleck. Silberweiß, sagte er selig. Er drehte sich zu Justine um und sagte geheimnisvoll freundlich: Es hat alles seine Richtigkeit. Silberweiß ist sie. Sie schämte sich sehr.

      Er trat über das Stroh näher, er streckte die Hand aus, ihr Herz erzitterte, er nickte und murmelte. Der Schimmel hatte seinen müde hängenden Kopf gegen das Licht gedreht und sah trübe hinein. Der Mann faßte nach den Ohren des Schimmels, der fühlte es wohl kaum mehr, er war nicht mehr von dieser Welt, er lebte nur noch auf den Fohlenweiden seiner Jugend. Der Mann sagte kopfnickend: Silberhörner, fest und gerade. Wieder richtig.

      Er strich über die Brust. Er lobte: Tief gebaut und breit.

      Er befühlte den armen durchhängenden, vom Geschirr mit wunden Druckstellen entstellten Rücken. Gerade wie ein Eschenstamm, sagte er.

      Einen Augenblick stand er mit hängenden Armen vor dem Tier. Sicher war es seine Silberkuh, das Tier, um das er ausgezogen, nach dem er sich gesehnt, von dem er geträumt hatte. Dann richtete er sich stramm auf. Er sagte strenge zu dem Mädchen: Hol einen Melkschemel und Eimer. Ich will die Silberkuh melken.

       Das arme Mädchen erschrak schlimm, dann besann es sich. Silberkuh steht trocken, flüsterte es. Silberkuh bekommt ein Kalb.

      Der Mann stand da. Er sah Justine voll an. Und bekomme ich das Kalb von Silberkuh? fragte er.

      Wenn du jetzt mitgehst und dich gleich hinlegst, sollst du das Kalb von Silberkuh haben.

      Du versprichst es mir, daß du mich gleich weckst, wenn es so weit ist mit dem Kalben? Ich will mein Kalb selber holen, keiner soll es anfassen. – Keiner soll es anfassen! schrie er noch einmal.

      Du erschreckst ja Silberkuh, sagte sie. Komm jetzt, sie muß ihre Ruhe haben.

      Er kam mit, folgsam wie ein Kind.

      An des Schlafenden, Fiebernden Bett saß sie und weinte bitterlich. Es wollte ihr noch nicht eingehen, daß es gut sei, mit solchen Lügen anzufangen.

      Aber es brauchte dann ja nicht mit Lügen weiter zu gehen. Es lag keine Notwendigkeit mehr dazu vor, als der junge Bauer nach vielen Tagen wieder erwachte. Warum er auf diese Fahrt gegangen, was ihm auf ihr geschehen, das war vergangen, wie das Fieber vergangen war. Nicht vergangen war die Erinnerung an eine helle mutige Stimme, die bei ihm geblieben war in der Nacht höchster Qual.

      Und als sie nachher auf Fiddichow jene gewaltige Hochzeit feierten, bei der keine Kehle auf der ganzen Halbinsel trocken blieb, bei der in allen Straßengräben tags wie nachts heimkehrende Gäste vorübergehendes Quartier nahmen, bei der sie vier Zimmerwände aus dem Haus schlugen, weil kein Raum groß genug war für die Tanzenden – als sie also diese Hochzeit feierten und die Großbauern den jungen Malte ein wenig hecheln wollten und nach seiner Silberkuh fragten, da sagte er lachend und ganz unbeschwert: seine Schwarzbunten seien auch ganz schön und jedenfalls besser als die braunen Ziegen, die er bisher gehabt. Und im übrigen habe er ja seine Silberkuh ...

      Da tanzte sie, strahlend und jung, und sie, die Justine, die Silberkuh, ohne Tadel, ohne Fehl vom Scheitel bis zur Sohle, sie war und blieb die einzige, die da wußte, daß ihr Malte manchmal grübelnd saß, was es wohl für eine Bewandtnis damit haben mochte, daß sein Urahn Gunnar durch einen Schimmel ums Leben, er aber ins neue Leben gekommen sei. Nun, darüber konnte man lange grübeln, namentlich wenn man aus einem Nebellande ist, und erst recht, als die Justine im vierten Kindbett aus seinem Leben ging. Man konnte grübeln und grübeln und darüber aus einem jungen unbekümmerten Mann ein tiefsinniger Alter werden, voller Bissigkeit, der im Menschenhaß eine Tafel an der Straße aufstellte und voll Weiberverachtung seiner neuen Wirtschafterin über das gemeinsame Schlafen Bescheid sagte.

      Diese Hochzeit aber, diese Ehe bringt uns auf den Stinkteich, ja sie ist die eigentliche Ursache zu seiner späteren Anlage.

      Es ist viele

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