Im Bann von covid-19. Peter Wolff
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Beide Studien zeigen im Zeitablauf eine nachlassende Bereitschaft, sich einzuschränken, gleichbedeutend mit einer größeren Neigung dazu, gegen die Vorschriften zu verstoßen.
Während der Anteil derjenigen, die eine Gesichtsmaske tragen, noch ansteigt, werden Maßnahmen wie die Einhaltung eines Abstands von 1,5 Metern, der Verzicht auf private Feiern und das Meiden von Orten in der Öffentlichkeit tendenziell von weniger Menschen eingehalten. Die Bereitschaft zu konsequentem Social Distancing sinkt. Der Anteil derjenigen, die sich trotz Kontaktsperren treffen, steigt, die Tendenz geht klar in Richtung häufigere Treffen.
Auch die Zahl derjenigen, die überhaupt keine Maßnahmen wollen, wächst - sie liegt bereits im Mai 2020 bei 20 Prozent. Das bedeutet, dass die Demonstranten, die gegen die Maßnahmen protestieren, nicht mehr nur für eine kleine Minderheit sprechen.
Die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen sinkt vor allem, weil sich die Risikowahrnehmung verändert hat.
Beide Studien fördern zu Tage, dass die Wahrnehmung des Virus als Bedrohung deutlich nachgelassen hat, der Anteil der Befragten, die eine Infektion für wahrscheinlich halten, geringer geworden ist.
Absurderweise führt also möglicherweise gerade der anfängliche Erfolg der Maßnahmen dazu, dass viele Menschen das Gefühl haben, der Krankheitserreger wäre gar nicht so gefährlich, wie ständig behauptet wird. Und somit dazu, dass die Bereitschaft, gegen die Maßnahmen zu verstoßen, steigt (79).
Die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen hat also nachgelassen, die Bereitschaft, gegen die Regeln zu verstoßen, nimmt zu.
Werden die Corona-Maßnahmen deswegen regelmäßig kontrolliert und bei Verstößen mit Bußgeldern sanktioniert?
Die Grundlage für Bußgelder oder Strafen bei Verstößen gegen die Corona-Auflagen bildet in erster Linie das Infektionsschutzgesetz (IfSG).
Es regelt in seinen Bußgeld- und Strafbestimmungen, welche Sanktionen im Falle von Corona-Verstößen möglich sind.
In den §§ 73 bis 76 finden sich die Bußgeld- und Strafvorschriften, anhand derer die Bundesländer gemäß der jeweiligen Landesverordnungen ihren jeweiligen Corona-Bußgeldkatalog erstellen.
Daher können sich die Sanktionen bei Verstößen im Zusammenhang mit Corona durchaus unterscheiden.
Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) hält zahlreiche Bußgeld- und sogar Straftatbestände bereit. Beispielsweise handelt ordnungswidrig, wer sich Versammlungsverboten widersetzt, Quarantäneanordnungen zuwiderhandelt, Auskunftspflichten nicht nachkommt oder sich nicht an Anordnungen zur Schließung von Einrichtungen hält (80).
Grundsätzlich gelten diese Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz erst einmal als Ordnungswidrigkeit und werden entsprechend geahndet. Als Beispiel ein Ausschnitt aus dem Bußgeldkatalog des Landes NRW (Stand 06.09.2020).
Verstoß | Bußgeld |
Nichtanzeige oder verspätete Anzeige von Zusammenkünften mit mehr als 10 Teilnehmenden | 500 € |
Zusammentreffen im öffentlichen Raum in nicht zulässigen Gruppen | 250 € |
Nichttragen einer medizinischen Maske bei der Nutzung von Beförderungsleistungen des Personenverkehrs und seiner Einrichtungen | 150 € (ohne Maske)50 € (Alltagsmaske) |
Nichttragen einer Atemschutzmaske, medizinischen Maske bzw. Alltagsmaske trotz bestehender Verpflichtung | 50 € |
Durchführung eines Angebotes unter Verwendung eines fremden oder gefälschten Tests | 1.000 € |
Nutzung eines Angebotes unter Verwendung eines fremden oder gefälschten Tests | 1.000 € |
Angabe unrichtiger Kontaktdaten (Name, Adresse, Telefonnummer) als anwesende Person (Gast, Mieter, Teilnehmer, Besucher, Kunde, Nutzer und so weiter) | 250 € |
https://www.land.nrw/sites/default/files/asset/document/210302_bkat_zur_coronaschvo.pdf
Zusätzlich zum Infektionsschutzgesetz haben alle Bundesländer gemäß § 23 und § 32 IfSG Rechtsverordnungen erlassen, die das Verhalten festlegen und bestimmen, was im Zusammenhang mit der Corona-Krise erlaubt und was verboten ist. Diese Landesverordnungen heißen zum Beispiel Corona-Schutz-Verordnung (NRW) oder Eindämmungsverordnung (Berlin) (81).
Bußgeldkatalog und Strafmaßnahmen – das klingt erst einmal vielversprechend.
Die drastisch angestiegenen Infektionszahlen zu bremsen, kann, da sind wir uns alle einig, nur gelingen, wenn sich die Bevölkerung an die verschärften Verordnungen hält.
Leider nur stellt sich die Frage: Wer soll das kontrollieren?
Die Einhaltung der Corona-Regeln wird beispielsweise mancherorts in Mecklenburg-Vorpommern kaum kontrolliert. Mehrere Ordnungsamtsmitarbeiter geben an, dass sie nicht das Personal dafür hätten, um flächendeckend zu kontrollieren (82).
Auch Berlins Ordnungsämter können infolge des
Personalmangels kaum Corona-Verstöße ahnden (83).
Aus Baden-Württemberg wird ähnliches berichtet: Kommunen und Polizei kommen bei der Kontrolle der Corona-Regeln kaum hinterher.
Die CDU will deshalb sogar Ehrenamtliche einsetzen, um der Ausbreitung des Virus Herr zu werden. Dies jedoch stößt bei der politischen Konkurrenz und den Landesvätern auf wenig Gegenliebe.
So halten die Grünen nichts von der Idee, "Hilfssheriffs" im Kampf gegen Corona verstärkt einzusetzen. "Die Kontrollen erfordern Fingerspitzengefühl, besondere Schulung und Qualifikation, sowie auch Befugnisse, insbesondere was das Verhängen von Bußgeldern betrifft", sagte Uli Sckerl, der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion. "Insofern glauben wir, dass bei Kontrollen der Einsatz von breit ausgebildeten, hauptberuflichen Polizeibeamten und -beamtinnen vorzuziehen ist."
Auch Hans-Jürgen Kirstein, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), ist gegen den Einsatz der Ehrenämtler zur Einhaltung der Corona-Regeln. Das sei Sache des kommunalen Ordnungsdienstes. "Ich möchte nicht, dass irgendwelche Leute das machen", sagte er. Bei Kontrollen könne die Anwendung unmittelbaren Zwangs nötig sein. "Das kann kein Hobbypolizist machen" (84).
Dieser Argumentation kann man durchaus folgen. Allerdings sind häufigere, zielgerichtete Kontrollen das wohl wichtigste Instrument, um eine möglichst flächendeckende Umsetzung der Corona-Auflagen zu erreichen. Weil sie schlicht und ergreifend davor abschrecken, die Maßnahmen zu missachten.
Wenn ich am schönen Rhein regelmäßig mit meinem Hund spazieren gehe, die dort geltende Anleinpflicht jedoch nicht einmal kontrolliert wird, ist die Versuchung groß, meinem Vierbeiner den Gefallen zu tun, ihn frei herumstreunen zu lassen.
Wenn ich regelmäßig im Königsforst Pilze sammeln gehe und niemand kontrolliert, ob ich abseits der vorgeschriebenen Wanderwege nach Steinpilz, Rot-, Braunkappe und Maronenpilz suche und mehr als die erlaubten 200g Pilzlinge mitnehme, muss sich niemand wundern, wenn ich beim nächsten Mal stolze 1,5kg Fungi aus dem Wald schleppe.
Wenn ich mehrmals beim Eintritt ins Fußballstadion meines Herzensvereins nicht nach mitgebrachten Getränken kontrolliert werde, komme ich schon in Versuchung, beim nächsten Spiel 1,2 Dosen Kölsch reinzuschmuggeln, weil mir das Pils in der Pfalz nicht schmeckt.
Wenn ich an Karneval sehe, wie ganze Kolonnen von Männern in verborgenen Ecken ihr kleines Geschäft verrichten, und niemand stört sich daran, erscheint es durchaus als reizvoll,