Kriminalhauptkommissar Ronny Mittler. Axel Schade

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Kriminalhauptkommissar Ronny Mittler - Axel Schade Kriminalhauptkommissar Ronny Mittler

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Dann schaue ich die DVD an. Sonst noch was?“

      „Wer befragt die Patienten der Station, ob sie in der betreffenden Nacht etwas hörten oder sahen? Vielleicht bekam jemand was mit? Merle, übernimmst du das?“, fragt Mittler. „Geht klar. Ich lege gleich damit los, während Lena die kranke Schwester befragt.“, albert sie.

      In der Mitte der Privatstation treffen zwei Gänge aufeinander. Einer führt zu den Aufzügen, der andere zum Treppenhaus. An dieser Schnittstelle befindet sich das Dienstzimmer, aus dessen Fenster man beide Flure überblickt. Lena sieht Oberschwester Kill und Schwester Friederike darin sitzen. Sie sind in ein Gespräch vertieft und bemerken nicht, wie sie zur Eingangstür geht. Daran klebt ein Schild:

       PRIVATSTATION

       Professor Dr. H. HARR

       ZUTRITT NUR FÜR PERSONAL!

       Besucher am Fenster rechts um die Ecke melden.

      Oberkommissarin Schösteen ignoriert die Aufforderung, klopft an und tritt ohne „Herein“ abzuwarten ein. Die Frauen drehen sich zu ihr um. Oberschwester Kill zeigt genervtes Augenrollen. Wie von der Tarantel gestochen springt sie auf, faucht feindselig: „Kein Zutritt! Melden sie sich am Fenster!“

      Lena grüßt betont liebenswürdig: „Moin Frau Kill. Entschuldigen sie bitte die Störung! Ich bin Oberkommissarin Schösteen. Kriminalpolizei.“ Sie hält der Stationsleiterin den Dienstausweis vor die Nase.

      „Ja und? Was für andere gilt, ist auch gut genug für sie. Melden sie sich am Fenster!“ Perle weist mit ausgestrecktem Zeigefinger darauf. „Frau Kill. Sie verstehen sicher, es muss nicht die ganze Station mitbekommen, was ich besprechen möchte.“

      Oberschwester Ulrike zeigt sich dickfellig. Wild entschlossen, ihr Revier zu verteidigen, steht sie breitbeinig vor Lena. Verankert in einem Fundament aus Birkenstocksandalen ragen ihre speckigen Beine wie griechische Marmorsäulen aus dem Schwesternkittel. Es erweckt den Anschein, ihre Füße bilden in diesem Augenblick im Linoleumbelag des Fußbodens Wurzeln, um festen Stand zu garantieren. Mit verschränkten Armen verweigert Perle sich der Obrigkeit. Wie ein Türsteher vor dem Nachtclub schreit ihre ganze Erscheinung: „Du kommst hier nicht rein!“

      „Ich möchte Schwester Friederike sprechen.“ „Das geht nicht!“ „Wie bitte?“ „Kommt nicht in Frage!“, keift Ulrike in einer Lautstärke, die selbst einem Patienten mit Knalltrauma zu laut wäre. „Weshalb nicht?“, erkundigt sich Lena liebenswürdig. „Die hat gleich Dienstbeginn.“ „Es dauert nicht lang.“ „Nein hab ich gesagt!“

      Lenas Geduldsfaden spannt sich allmählich. Ihre Satzmelodie erhält eine aggressivere Färbung. „Nochmal zum Mitschreiben! Ich möchte ihre Kollegin sprechen!“ „Wir sind bei der Übergabe.“ „Ich warte.“ „Das können sie sich abschminken! Gehen sie.“ „Ich bin im Zuge einer Mordermittlung hier!“, erklärt Lena. „Mord?“ Perle lacht hysterisch. „Soll das ein Witz sein?“ „Zum Scherzen bin ich nicht aufgelegt, Frau Kill. Leider ist es die bittere Wahrheit!“ „Das wird ja immer doller!“ „Mord. So ein Quatsch! Das wüsste ich aber!“ Penetranzia stellt sich stur.

      „Schwester Kill, ich fürchte, sie missverstehen die Situation.“ „Und sie verstehen nicht, dass wir Dienst am Menschen leisten und keine Zeit zum Polizeispielen haben! Also gehen sie endlich!“ Wiederholt zeigt sie gebieterisch zur Zimmertür. „Es reicht, Frau Kill! Sie behindern mich bei der Amtsausübung. Wollen sie ernste Schwierigkeiten? Die bereite ich ihnen schneller, wie sie ihren Namen aussprechen.“

      Könnten Blicke töten! Lena läge längst auf dem Fußboden. Die kleinen Äugelein der Oberschwester gleichen glühenden Kohlen. Der Ausdruck im mittlerweile hochroten Mondgesicht spricht Bände. Hausdrache Kill ist kurz davor Feuer zu spucken. Vor Wut schäumend drängt sie sich an Oberkommissarin Schösteen vorbei. Sie räumt das Feld. Bevor die Tür ins Schloss knallt, zischt sie: „Du weißt, was du zu tun hast, Friederike!“

      „Darf ich mich setzten?“, fragt Lena. Schwester Friederike rollt wortlos einen Bürostuhl zu ihr. Die Oberkommissarin zieht ein MP3-Aufnahmegerät aus der Jackentasche. „Ich stelle ihnen Fragen, Schwester Friederike. Sind sie einverstanden, dass ich das Gespräch aufnehme?“ „Muss das sein?“, wispert sie im Flüsterton. „Ich lade sie gerne aufs Revier vor, wo wir die Unterredung protokollieren. Was ist ihnen lieber?“ „Besser hier.“, haucht sie. „Gut. Beginnen wir.“

      Lena schaltet das Aufnahmegerät an und leitet die Befragung mit einer scheinbar banalen Feststellung ein. Sie zeigt zum Fenster: „Ein hervorragender Ausblick. Beide Flure sehen sie ungehindert ein!“ „Ja.“

      Nickend bestätigt Friederike das Gesagte und schaut hinaus. In diesem Moment tritt Merle aus einem Zimmer im Gang zu den Aufzügen. Sie winkt Lena zu. Daraufhin klopft sie an die gegenüberliegende Zimmertür, um nach kurzem Warten einzutreten.

      „Was macht ihre Kollegin da?“, erkundigt sich Friederike. „Sie besucht Patienten. Stellt ihnen Fragen.“ „Darf sie das? Ich meine ..., wer hat das erlaubt?“ „Polizeiarbeit. Das geht in Ordnung. Machen sie sich darum keinen Kopf.“ Friederike wirkt verunsichert.

      „Erklären sie, wieso sie trotz dieser exzellenten Aussicht nicht mitbekamen, wie Thilo van der Leuwen sein Zimmer verließ, um im Treppenhaus Suizid zu begehen?“ „Ich, ... ich, ... ich habe null Ahnung!“ „Das wundert mich! Wo sie doch im Nachtdienst die Verantwortung tragen.“ „Ich gucke ja nicht ständig aus dem Fenster.“, reagiert sie aufgewühlt und sucht eine Erklärung. „Womöglich war ich auf der Toilette? Oder in der Teeküche? Vielleicht bei einem Patienten im Zimmer?“ Sie schaut unter sich.

      „Das protokollieren sie? Es lässt sich nachprüfen?“ „Was? Ob ich auf dem Klo war? Nein, das schreibe ich nicht auf.“ „Sie halten aber schriftlich fest, wann und warum sie, bei welchem Kranken im Zimmer waren?“ „Bei einem gesundheitlichen Vorfall notiere ich es in der Patientenakte. Wünscht jemand zum Beispiel ein Getränk, verzeichne ich es nicht.“ Die Krankenschwester spricht sanft. Sie knetet ihre Hände. Es fällt ihr schwer, der Kommissarin ins Gesicht zu sehen.

      „Sind sie im Nachtdienst alleine auf der Station?“ „Ja. Bis auf den diensthabenden Arzt.“ „Wo hält er sich auf? Hier im Dienstzimmer?“ „Nein. Im Arztzimmer.“ Sie zeigt die Richtung. „Vorne bei den Aufzügen. Der erste Raum links. Da steht ein Bett. Geweckt wird der Doktor nur bei Notfällen.“

      „Wer hatte Nachtdienst, wo Thilo van der Leuwen zu Tode kam?“ „Dr. Lütkehuus. Hanne. Sie hatte Rufbereitschaft.“ „Wo sie den Toten entdeckten, riefen sie die Ärztin?“ „Nein. Ich ging zu Herrn Mittler.“ „Warum?“ „Der ist doch Polizist.“ Nervlich angespannt nestelt sie an ihrem Namenschild.

      „In erster Linie ist Herr Mittler Patient und wurde erst Stunden zuvor am Blinddarm operiert.“ „Darüber dachte ich nicht nach. Der Schock, wissen sie? Außerdem war es der kürzere Weg.“ „Wie meinen sie das?“ „Sein Zimmer ist nahe zur Treppe. Das Arztzimmer ist ganz am entgegengesetzten Ende bei den Aufzügen. Das sagte ich doch schon.“

      „Wieso hielten sie sich überhaupt beim Treppenhaus auf Friederike?“ „Ich war am Süßwarenautomaten. Um eine Tüte Gummibärchen zu holen. Da sah ich durch die Glastür das Seil am Geländer. Ich wunderte mich und hab nachgesehen. Da fand ich den Toten.“

      Lena wechselt abrupt das Thema. Diese Gesprächstaktik, schaute sie bei Mittler ab.

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