Schatten der Anderwelt. Thomas Hoffmann

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Schatten der Anderwelt - Thomas Hoffmann

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war der Regen. Den dunklen Flecken auf seiner Ledermontur war nicht anzusehen, ob sie vom Regen stammten, oder ob es Blutflecken waren aus einem durchgestandenen Kampf auf Leben und Tod.

      Kriegsknechte und Stadtvolk in seiner Nähe hielten ihn für einen fahrenden Abenteurer, einen Gesetzlosen. Sie vermieden es, ihm nahe zu kommen. Den Ausdruck bitterer Entschlossenheit, den seine Gesichtszüge annahmen, sah niemand. Der Junge umschloss den Schwertgriff mit der Faust, als blickte er einem Feind entgegen. Niemand hörte die gemurmelte Zauberformel, die über seine Lippen kam. Erst als er langsam, Schritt für Schritt die vor ihm liegende, von glühenden Schlacken und rauchenden Trümmern verschüttete Gasse entlang in die Brandzone hineinstieg, richteten sich alle Blicke in der Umgegend auf ihn.

      Mit einem Mal wollten einzelne ihn erkannt haben.

      „Das ist der Schüler des Hexenmeisters!“

      „Er ist Norbert Lederer!“ riefen Stimmen durcheinander.

      „Was tut er da?“

      „Heilige Mutter, beschütze uns!“

      Er schritt durch das Trümmerfeld der Turmruine entgegen, aus der loderndes blaues Feuer schlug. Dort, wo er ging, erloschen die Flammen.

      Durch Rauchschwaden hindurch sahen Markgrafenknechte und Stadtvolk ihn mit gezogenem Schwert vor der Turmruine stehen. Einige behaupteten, er kämpfe mit einem unsichtbaren Gegner. Andere glaubten, er schwanke in der Gluthitze, die dort herrschen musste. Eine Alte, die wohl besonders gute Augen hatte, schrie, seine Haare stünden in Flammen, jeden Augenblick müsse er verbrennen.

      „Da, das blaue Feuer,“ brüllte ein Kriegsknecht. „Es versiegt! Das blaue Feuer im Turm erlischt!“

      Als die blauen Flammen erloschen, erstarb auch die Feuersglut in der Brandzone. Die stumm gewordene Menge starrte über das rauchende Trümmerfeld. Die Abenddämmerung tauchte die Ruinen rings um die rußgeschwärzten Mauerreste des Zaubererturms in Dunkelheit. Der Junge, von dem einige meinten, er sei der Schüler des in den Flammen umgekommenen Dämonologen Anton Dreyfuß, kniete lange auf sein Schwert gestützt vor der Turmruine. Vor Erschöpfung, meinten einige. Andere glaubten, er bete – zur heiligen Jungfrau oder auch zu irgendeinem Teufel, der ihm geholfen hatte. Später wurde gesehen, wie er aus der Brandzone heraus und längs der Klostermauer in Richtung Armenviertel davonging.

      Ein paar erschöpfte Tagelöhner, die seit der vergangenen Nacht bei den Löschketten geholfen hatten, sahen ihn am späten Abend im Durchgang zu einem Hinterhof stehen und zu dem schiefen Fachwerkhaus auf der gegenüberliegenden Hofseite hinüberschauen. Sie wussten, dass das Haus einer Alten gehörte, von der gemunkelt wurde, sie sei eine Hexe, um deren Haus des Nachts Totengeister schlichen. Die Schwarzalben, die in den Hofecken lauerten, waren für die Tagelöhner nicht sichtbar. Der Junge sah sie. Er blickte zu einem kleinen Fenster im oberen Stockwerk hinauf. In dem Fenster brannte kein Licht. Einen Moment überlegte er, ob er trotz der dämonischen Geister zur Hintertür hinübergehen sollte. Aber er verwarf den Gedanken gleich wieder. Noch einmal blickte er zum oberen Stockwerk hinauf, aber als kein Licht sich in dem kleinen Fenster zeigte, wandte er sich um und ging.

      ***

      Die Schänke Zum schwarzen Raben, ein Jahrhunderte alter, zweistöckiger Fachwerkbau mit kleinen Fenstern, lag zwischen sich schief aneinanderdrängenden Holzhäusern in einer Mauergasse des Armenviertels hinter dem Burgfelsen. In dem von wenigen Kienspänen spärlich erhellten Schankraum, unter dessen niedriger Balkendecke der Rauch der Feuerstelle sich sammelte, hatte sich bei Einbruch der Nacht ein halbes Dutzend Reisender eingefunden, die sich zufällig in Altenweil aufhielten, als in der vergangenen Nacht die Feuersbrunst ausbrach. Die Frauen und Männer hatten rußgeschwärzte Gesichter. Reisekleider und Ledermonturen rochen nach Rauch. Die letzte Nacht und den Tag über hatten sie gemeinsam mit Kriegsknechten und Städtern das Feuer bekämpft, über die Brandschneisen herüberspringende Brände gelöscht, Verletzte, Verbrannte und vom Rauch Vergiftete geheilt, Verzweifelten Mut zugesprochen und Plünderer aus den Hinterhöfen bei den Brandschneisen verjagt. Aber was sie auch taten, es war nur ein Tropfen auf den heißen Stein vor dem Ausmaß der Katastrophe.

      Jetzt saßen sie schweigend um einen Tisch beim offenen Fenster, wo es weniger rauchig war und schlürften Fleischsuppe, zu müde, um darüber zu sprechen, was sie erlebt hatten. Eine sehr schlanke, in weiches Leder gekleidete Frau, der das blonde Haar in schmutzigen Strähnen um den Kopf hing, hatte ihren Stuhl abgerückt. Auf der Reiseharfe auf ihrem Schoß spielte sie leise, melancholische Töne und sang dazu mit gedämpfter Stimme in fremder Sprache. Wie Tränen über ein verlorenes Glück perlten die Harfenklänge herab.

      Das Klacken der Holzschuhe der Küchenmagd Sarah, einer hochaufgeschossenen Sechzehnjährigen mit trotzigem, selbstsicherem Gesichtsausdruck, hob sich misstönend von den sanften Harfentönen ab, als Sarah Bier und Brot an den Tisch brachte. Ein breitschultriger Mann mit einer Augenklappe und riesigen Fäusten nickte ihr schweigend mit auf die Tischplatte gestützten Armen zu. Dass dieser Mann der Wirt des Schwarzen Raben war, hätte niemand erraten, der das nicht wusste. Sarah warf sich das braune, zum Pferdeschwanz zusammengebundene Haar in den Nacken und verschwand klackend im Flur zur Küche.

      Ein Nachtfalter verirrte sich durch das offene Fenster in den Schankraum und verbrannte in der Flamme des Kienspans auf dem Tisch. Es war wie ein Zeichen des Grauens, welches der Markgrafenstadt widerfahren war.

      Nur Gordon, der Wirt, schaute auf, als die Eingangstür geöffnet wurde.

      Erst, als jemand erstaunt rief: „Das ist er!“ blickten alle auf den Jungen mit dem verrußten Gesicht in der Ledermontur voller alter, dunkler Blutflecken. Die Harfenmusik verstummte.

      Norbert sah die Frauen und Männer am Tisch. Sie schauten ihm entgegen. Er bemerkte den festen, ruhigen Blick aus Gordons gesundem Auge. Er roch den Essensgeruch, sah die Bierkrüge auf dem Tisch und sah die Abenteurer auseinanderrücken, um ihm einen Stuhl an den Tisch zu stellen. Erst in diesem Moment spürte er die abgrundtiefe Mattigkeit seines Körpers. Jeder einzelne seiner Muskeln schmerzte. Der Schädel hämmerte ihm von den Nachwirkungen der Magie, die er im Kampf in der Brandzone freigesetzt hatte. Er machte ein paar Schritte in den Raum hinein. Der Schankraum begann, sich um ihn zu drehen. Ihm wurde schwarz vor Augen.

      ***

       Gluthitze. Ein brüllender Feuersturm blauer Flammen jagte Norbert aus den verbrannten Turmmauerresten entgegen. Mit aller Macht stemmte er sich gegen den Sog in den Abgrund der Anderwelt. Das bleckende Gebiss mit den dolchartigen Zähnen. Es zuckte vor Norberts hell aufstrahlender Schwertklinge zurück. Hohles Kreischen drang aus dem geifernden Rachen...

      Norbert riss die Augen auf. Er fand sich in einem mit Decken ausgeschlagenen Lehnstuhl am offenen Fenster des Schankraums wieder. Das ernste Gesicht der Bardin beugte sich über ihm. Ihre schmale Hand hielt ihm ein Tonfläschchen entgegen.

      „Nimm noch einen Schluck. Dein Körper kann es gebrauchen.“

      Gehorsam trank er den Schluck Heilwasser. Die dumpfen Schmerzen im Bauchraum nahmen ab. Milde Wärme breitete sich vom Magen her in Norberts Körper aus. Kopfweh und Übelkeit verschwanden. Erleichtert atmete er auf. Er hatte befürchtet, die inneren Verletzungen wären wieder aufgebrochen, die er vor drei Tagen im Kampf mit dem untoten Wächterschädel während der Flucht aus dem Haus des Schwarzhexers erlitten hatte. Noch immer konnte er kaum begreifen, dass es ihm gelungen war, aus jener Hölle zu entkommen.

      Er blickte in die rußverschmierten Gesichter rings umher.

      „Was ist geschehen?“

      „Das

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