Der dritte Versuch Magische Wesen. Norbert Wibben
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Читать онлайн книгу Der dritte Versuch Magische Wesen - Norbert Wibben страница 5
»Das ist schon einmal gut. Aber warum hat mich diese Frau gefangen und was will sie mit mir? Ist sie auf der Suche nach magischen Wesen, die sie für alchemistische Zwecke nutzen will?«
»Hallo Mom«, vernimmt er jetzt eine junge, angenehme Mädchenstimme. »Was gibt es denn so Wichtiges?«
»Jetzt schau dir das mal an.« Finn spürt, wie er hin und her geschaukelt wird, bevor es über ihm wieder hell wird. Er überlegt, welchen Zauber er anwenden soll und richtet sein Schnäuzchen nach oben. Eine seiner Pfoten ist bereits dorthin gerichtet, als er erstaunt innehält.
»Oh, wie niedlich. Eine kleine Haselmaus. Warum hast du die denn …? Ähem, warum hast du sie im Wald gefangen und hergebracht? Wir sollten sie wieder zurückbringen. Vermutlich ist sie starr vor Angst. Schau nur, wie ihre Knopfaugen nach oben blicken!«
»Ach, Quatsch. Das ist doch keine einfache Maus. Ich habe sie mitgenommen, weil sie magische Kräfte besitzt. Hörst du, sie beherrscht Magie.«
Der junge Elf weiß nicht, woher die Frau das wissen kann, doch er zögert noch, sie anzuwenden, weil ihm das Gesicht gefällt, das er erkennen kann.
Helle, große, blaue Augen mit kleinen, grauen Einsprenkelungen blicken ihn an. Auf und um die gerade Nase des Mädchens sind vereinzelt schwache Sommersprossen sichtbar. Ihr Alter zu schätzen fällt Finn schwer. Wenn sie eine Elfe ist, könnte sie etwa so alt wie er selbst sein. Als Menschenkind wäre sie vermutlich so um die 16 Jahre. Als sie jetzt den Kopf etwas zurückzieht und zur Seite blickt, kann er ihr mittelblondes, nicht ganz schulterlanges, glattes Haar sehen, das in der Mitte gescheitelt ist. Ihre Stirn ist sichtbar, da sie die vorderen Haare eines längeren Ponys hinter die Ohren gestrichen hat, von denen sich einzelne Strähnen lösen und ihr ins Gesicht fallen.
»Hör mir bitte erst zu, bevor wir entscheiden, was zu tun ist. Du weißt, dass ich es mir zur Aufgabe gemacht habe unseren Brüdern und Schwestern, also allen Elfen und ihren verbündeten Menschen, im Kampf gegen die bösen Zauberer des Mondes zu helfen. Bisher habe ich noch keinen Weg gefunden, was ich in meinem Alter noch beitragen könnte. Ich weiß, dass es überall in unserem Land magische Wesen gibt. Das sind nicht nur Menschen und wir Elfen, auch Kolkraben können zaubern. Bei einer Versammlung der Zauberer, zu der ich ausnahmsweise einmal gegangen bin, waren einige dieser großen, schwarzen Vögel anwesend. Es gibt aber noch andere magische Wesen, Faune, Kobolde, einen Feuervogel und … Nein, unterbrich mich nicht. Ich fantasiere keineswegs. Ich suche schon viele Jahre nach Verbündeten, die uns im Kampf gegen die Dubharan wirkungsvoll helfen können. Ich besitze einige Bücher aus der ehemaligen Bibliothek der Elfen im Süden, die darauf hindeuten, dass es unzählige derartige Kreaturen gibt. Den Hinweis, wo und wie man sie finden kann, hatte ich jedoch nicht. Am liebsten hätte ich einen der auch erwähnten kleinen Drachen erwischt. Das wäre natürlich kein richtiger Drache, sondern ein Drachengeist, sozusagen die Spur von einem Wesen, das einmal wirklich hier lebte. Diese Gedankenwesen sollen sehr mächtig, aber auch schwierig zu fangen sein. Ob sie überhaupt eine Leuchtspur hinterlassen, noch dazu in der Luft?« Juna unterbricht sich kurz und blickt grübelnd ihre Tochter an, aber ohne eine Antwort zu erwarten. »Mit viel Geduld kann so ein Drachengeist an einen Zauberer gewöhnt werden, man muss nur zuerst sein Vertrauen gewinnen, vermute ich. Dann ist er ein mächtiger Verbündeter! Die von mir in unserem Haus angelegte Büchersammlung ist zwar längst nicht so umfangreich, wie es die ehemalige Bibliothek in Deasgard gewesen ist, aber es befindet sich ein sehr altes und unscheinbares Buch darunter. Ich bekam es von einem Ausbilder vor vielen Jahren geschenkt, als ich die Lehrjahre bei ihm beendete. Das war kurz, nachdem meine Eltern zu Tode gekommen waren, weshalb ich es wohl einfach zu den anderen Büchern stellte. Viele Jahre hat es unbeachtet dort gestanden, bis es mir durch Zufall in die Hände fiel. Es war hinter die anderen gerutscht und nahm mich sofort gefangen, als mein Blick darauf ruhte. Darin habe ich über verschiedene Kreaturen gelesen und auch, wie man sie entdecken kann. Ich glaube fast, mein Ausbilder hat es mir nur aus dem Grund geschenkt, damit ich die magischen Kreaturen finden kann. Ich weiß noch, wie er mich dabei bedeutungsvoll anblickte. – Du kennst es, sein Titel lautet »Magische Wesen und ihre Macht«. Ich bin den Anweisungen, wie man sie entdecken kann, gestern und heute gefolgt.«
»Du willst mir jetzt aber nicht erzählen …«, beginnt das Mädchen, als es von seiner Mutter unterbrochen wird.
»Cloe, einen Moment noch. Bei meiner Suche folgte ich der Anleitung aus dem Buch und konnte es zuerst selbst nicht glauben, als ich diese silberne Spur auf dem Weg nach Munegard sah. Diese Festungsanlage wurde vor über zweihundert Jahren von den Zauberern des Mondes, den Dubharan, erbaut. Ich hoffte, in ihrer Umgebung magische Wesen zu entdecken, die möglicherweise für ihre dunklen Zwecke missbraucht werden. Diese wollte ich dann für uns nutzen, musste aber erst einmal eines finden. Zuerst vermutete ich, die Spur könne von einem der Magier hinterlassen worden sein und wollte bereits an einer anderen Stelle weitersuchen. Dann fiel mir auf, dass sie kaum mehr als ein dünner Silberfaden war, so ähnlich wie ein einzelnes Feenhaar. Dies konnte nicht von einem der Dubharan stammen, falls die überhaupt eine Spur hinterlassen sollten. Jemand, der Magie beherrscht, ist nicht unbedingt ein magisches Wesen, oder? Das sagte ich mir jedenfalls und folgte der Spur, die von der Festungsanlage weglief. Sie führte mich bald in den Wald, der dort rechts und links des Weges, dunkel und drohend wächst. Mein Eindringen in den Wald scheuchte schon bald kleinere Tiere auf, die vor mir davonstürmten. Einige Vögel und sogar eine große Schleiereule waren darunter. Dort, wo die Eule fortflog, erblickte ich nur einen kurzen Teil der Spur. Sie führte von einem umgestürzten Baum ein Stück weg und dann wieder dorthin zurück. Sollte die Eule das magische Wesen, was immer es auch war, gefangen und gefressen haben? Gerade in dem Moment krabbelte diese Haselmaus unter dem Stamm hervor, blickte sich suchend um und richtete sich auf. Sie musste das magische Wesen sein, das die Spur hinterlassen hatte. Also öffnete ich diesen Spezialbeutel, der mit silbernen Fäden durchwirkt ist und stülpte ihn über das kleine Tier. Nun sag mir bitte, was du über die magischen Fähigkeiten einer Haselmaus weißt.«
Jetzt herrscht Stille. Die Frau wartet auf eine Antwort und das Mädchen sucht nach einer.
»Bist du sicher, dass diese Maus Magie beherrscht?«
»Ich habe die Spur deutlich gesehen. Sie kam eindeutig von ihr.«
»Ich kann dir leider nicht sagen, welche besonderen Kräfte Haselmäuse haben könnten. Ich schlage vor, du bringst sie sofort zurück und lässt sie dort frei, wo du sie gefangen hast.«
Finn versucht währenddessen aus dem Beutel, der immer noch geöffnet ist, herauszukommen. Jetzt erscheinen seine kleine Schnauze und dann der Kopf mit den blitzenden Knopfaugen. Seine Barthaare zittern vor Aufregung. Sollte er in wenigen Augenblicken frei sein? Doch er fällt in den Behälter zurück.
»Mutter! Schau dir nur an, was du dem kleinen Kerl zumutest!« Dem Elf in Mausgestalt ist zwar nichts passiert, doch er muss sich erst ausruhen, bevor er einen neuen Versuch starten will. Erstaunt blickt er nach oben, als es um ihn herum dunkler wird. Er sieht, wie eine Hand auf ihn zukommt. Sie wird größer und größer, kommt bedrohlich nahe. Gleich hat sie ihn erreicht. Wie kann er sich wehren? Soll er mit seinen spitzen Zähnen zubeißen? Das wird für die Frau oder das Mädchen eine gute Lehre sein, sich nicht derart … Jetzt stutzt Finn und vergisst zuzubeißen. Die Finger streichen ihm zuerst sanft über den Rücken und die Stimme Cloes fordert:
»Scht, scht. Habe keine Angst. Ich werde dir nichts tun.« Der Elf erstarrt, als sich die Finger, zwar vorsichtig, aber unaufhaltsam unter seinen kleinen Körper schieben. Hätte er doch besser zugeschnappt? Jetzt wird er langsam und behutsam aus dem Beutel gehoben. Das Mädchen schaut ihn besorgt an und streichelt sein Fell.
»Ich tue dir nichts. Und vor Juna, meiner Mom, musst du auch keine Angst haben. Sie ist eigentlich eine ganz Liebe!«
»Bist