Der dritte Versuch Magische Wesen. Norbert Wibben

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Der dritte Versuch Magische Wesen - Norbert Wibben Der dritte Versuch

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steht etwa 100 Meter entfernt auf einem der Steinhaufen. Von hier hat er einen guten Überblick. Befindet sich irgendwo ein feindlicher Magier? Sein Blick schweift forschend umher. Er schaut zum Schwarm Dohlen hinauf, den er mit seinem Erscheinen aufgeschreckt hat. Erneut ändert er den Aufenthaltsort. Von dem anderen Steinhügel aus kann er genau die Stelle sehen, wo er sich aufhielt, als er einen Blitz entdeckt zu haben glaubte. Nein. Ein Feind ist nirgends zu sehen! Aber was wird es gewesen sein, wenn es nicht das Ergebnis eines Zauberspruchs war? Cian wechselt abermals den Standort, doch auch von hier ist kein Gegner zu entdecken.

      Die Königsburg stand ursprünglich auf einem großen Hügelplateau. Jetzt sucht er die Grenzen der Hochebene ab. Trotz des hohen Alters ist die Sehstärke seiner Augen seit der Jugend unverändert. Das ist nicht erstaunlich, sondern bei Elfen immer so. Selbst wenn Elfenaugen verletzt werden, etwa in einem Kampf, sind sie durch eine entsprechende Wundbehandlung oder mittels Zauber schnell wieder geheilt. Jetzt erblickt der alte Ausbilder einen, nein zwei Wölfe, die langsam den Rand des Plateaus entlang trotten. Sollten das feindliche Magier sein, die ihre Gestalt gewechselt haben, um harmlos zu erscheinen? Aber was wollen sie hier? Eines der beiden Raubtiere wittert in seine Richtung, scheint ihn direkt anzublicken, dann folgt es dem anderen. Cian zweifelt. Diesen Aufenthaltsort kennt bisher niemand, oder doch? Hm. Finn ist er bekannt und auch Kayleigh, aber beiden vertraut er. Der Elf erstarrt. Etwas blitzt kurz in seinem Kopf auf. Finn? Ja, sein Traum hatte mit seinem Schüler zu tun. Doch die Sequenz lässt sich nicht aufrufen. Der Herzschlag des alten Elfen beschleunigt sich. Ist Finn in Gefahr? Ein Schauer überläuft seinen Rücken. Er fühlt sich unbehaglich, so, als ob er beobachtet werden würde. Feine Nackenhaare richten sich auf und er wendet sich schnell um. Aber dort ist niemand! Lediglich eine Elster hüpft zwischen den Trümmern umher. Sollte sie den Blitz …? Das könnte sein!

      Dieser Vogel aus der Rabenfamilie ist möglicherweise der Verursacher der Lichterscheinung. Im nächsten Moment steht Cian wieder dort, wo er etwas aufblitzen zu sehen meinte. Doch die Elster wird er nicht versehentlich als strahlende Erscheinung bemerkt haben. Selbst wenn sie fliegt und die großen, weißen Stellen ihres Körpers oder die Enden ihrer Schwingen kurz in seinem Sichtfeld waren, wird er sie nicht mit einem Blitz verwechselt haben. Da ist er sich sicher. Aber etwas anderes ist möglich. Elstern lieben alles, was glänzt. Rundliche, silbrig glänzende Gegenstände wecken ihr Interesse besonders stark. Falls sie derartige Schmuckstücke entdecken, können sie nicht widerstehen. Sie sind schlau und schaffen es oft, sie in einem unbewachten Moment mitzunehmen und zu verstecken. Cian schaut sich um. Diese Vögel sind standorttreu, überwachen als Brutpaare ihr Revier ganzjährig und bleiben ein Leben lang zusammen. Ein Paar hat er in den letzten Jahren immer wieder hier gesehen, deshalb sucht er nach dem zweiten Tier. Cian sieht, wie es dorthin fliegt, wo er vorhin einen Blitz zu sehen meinte. Langsam bewegt sich der Elf auf den Vogel zu, um ihn nicht zu erschrecken. Hüpfend bringt sich dieser etwas außer Reichweite und schaut mit schräg gehaltenem Kopf zu, was der große Mann dort vorhat. Das Tier klappert mehrfach mit den Augendeckeln. Sollte sein Versteck entdeckt worden sein? Cian bückt sich und stochert vorsichtig in dem kleinen Laubhaufen herum. Verblüfft zieht der Elf die Luft ein. Was er sieht, will er fast nicht wahrhaben. Vor ihm liegt ein Ring, ein sehr alter Silberring. Er hebt ihn auf und betrachtet ihn, wobei sich das Sonnenlicht in zwei geschliffenen, blauen Steinen spiegelt. Sie leuchten und glitzern hell, als er den Ring bewegt. Könnte der Blitz dadurch verursacht worden sein? Möglich wäre das schon. Er wendet sich in Richtung der Elster und deutet eine Verbeugung an.

      »Ich danke dir, mein kleiner Freund. Dieses Artefakt scheint mir etwas Besonderes zu sein. Ich werde es in Ehren halten.« Er steckt das Schmuckstück in eine Tasche und zaubert stattdessen ein Stück Fleischwurst herbei, das er mit Laub und einigen Grashalmen zudeckt. Langsam bewegt er sich zurück in Richtung der Steintreppe, die zu seinem Turm hinaufführt. Hier dreht er sich um und blickt zurück. Der schwarz-weiße Vogel hopst zu dem Versteck. Das Tier scheint es zu begutachten. Wurde hier etwas geändert? Vorsichtig senkt es den Kopf und zerrt mit dem Schnabel die Abdeckung beiseite. Im nächsten Moment hackt die Elster in die Wurst und schnappt sich einen Teil davon. Der Handel ist offenbar akzeptiert worden.

      Cian läuft an der Treppe vorbei. Schon bald kommt er zu einem optimal in einem Steinhaufen versteckten und gegen Feuchtigkeit geschützten Verschlag, in dem er Holzscheite lagert. Er nimmt einen Arm voll auf und schließt das Gatter. Sofort flirrt die Luft und er steht in seinem Wohnraum. Zwei der Holzstücke legt er auf die restliche Glut im Kamin, die anderen stapelt der Elf neben der Feuerstelle. Das mittlerweile heftige Verlangen des Magens nach Nahrung missachtend, tritt er an die Bücherregale. Er ist voller Wissbegierde, was es mit dem Ring auf sich hat, der eine Schlange oder einen Drachen darstellt. Wem wird er gehören, und wo hat die Elster ihn entwendet?

      Cian versucht zu klären, was der silberne Ring mit den zwei blauen Steinchen auf sich hat, der wie eine Schlange oder ein Drache wirkt. Nach dem Durchblättern des dritten Buches stellt er fest, dass er nicht voll konzentriert bei der Suche ist. Sein Traum lenkt ihn immer wieder ab. Also entschließt er sich, nun doch etwas zu essen, nimmt sich ein großes Stück Käse und verzehrt es. Dazu trinkt er einen Fencheltee und isst anschließend einen Apfel.

      Cian läuft trotz des beruhigend wirkenden Tees erneut ruhelos in seiner Wohnung hin und her. Er weiß, er hat in der Nacht etwas gesehen, was ihn sehr aufgewühlt haben muss. Deshalb ist er auch schweißgebadet aufgewacht. Was es ist, will ihm aber partout nicht einfallen. Er legt sich erneut hin, schließt die Augen und versucht einzuschlafen. Doch er kann seine sich im Kreis drehenden Gedanken nicht stoppen. Schon nach kurzer Zeit springt er ungeduldig auf, stopft sich eine Pfeife, entzündet sie und pafft aufgeregt. Anders als sonst gelingt es ihm nicht, sich dadurch zu entspannen. Innerhalb kurzer Zeit ist die Pfeife aufgeraucht, wofür er in anderer Verfassung eine, manchmal sogar eineinhalb Stunden benötigt haben würde, wäre er eben nicht so aufgewühlt. Er springt zum Fenster, öffnet es und lässt frische Luft hinein. Der süßliche Duft des Tabakrauchs ist ihm mit einem Mal unangenehm. Nach draußen blickend lenkt das Krächzen einer Elster seinen Blick zuerst auf sie und dann seine Gedanken in eine andere Richtung.

      »Da war doch etwas mit einer Elster«, grübelt er. »Irgendetwas, was ich entdeckte. – Das ist doch nicht zu fassen! Es ist zum Verrücktwerden. Warum fällt mir auch das nicht … Ha, der Ring. Genau. Den habe ich heute Mittag gefunden und in meine Tasche gesteckt.« Aufgeregt suchen seine Finger nach diesem Schmuckstück. »Wo habe ich den denn … Ich könnte ihn in meiner Leseecke liegengelassen haben, als ich in den Büchern nach Hinweisen suchte. Genau.« Er läuft dorthin und hält das silberne Artefakt innerlich jubelnd kurz darauf zwischen Zeigefinger und Daumen. Er weiß nicht so recht, warum ihn der Anblick derart mit Stolz erfüllt. Weil er den Ring nicht vergessen und schnell gefunden hat? Vermutlich deshalb, weil er sich genau erinnert hat, wo er ihn zuletzt betrachtete und er also nicht senil ist! »Das war jetzt einfacher, als das Geschehen aus meiner Traumsequenz aufzurufen! – Hm. Was habe ich nur im Traum gesehen, und wer kam darin vor?« Der alte Elf weiß, dass seine hellseherischen Fähigkeiten nicht besonders ausgeprägt sind. Trotzdem hat er hin und wieder Sequenzen gesehen, die sich letztendlich als wahr herausgestellt haben. Ist er darum so verzweifelt bemüht, Klarheit über seinen Traum zu bekommen? Erst wenn er dessen Ereignisse kennt, wird er sie bewerten können. Er atmet tief ein und aus, hebt die Schultern und versucht, sich erneut auf den Ring zu konzentrieren.

      »Wem mag der gehören und wo hat die Elster ihn entwendet? Es ist ein alter, sehr alter Silberring. Das Metall ist schwarz angelaufen, da es offenbar lange Zeit nicht geputzt worden ist. Nur die blauen Steine haben draußen das Sonnenlicht reflektiert. Hm. Schlange oder Drache, was stellst du dar? Ich habe doch …« Er tritt erneut zu den Bücherregalen und sucht ein bestimmtes Buch. Zwischendurch murmelt er vor sich hin, was natürlich niemanden stört. Cian lächelt. »Ich bin allein hier. Finn besucht mich ja manchmal und sollte eigentlich in den nächsten Ta... Finn? Hatte mein Traum mit ihm zu tun?« Der alte Elf schüttelt den Kopf. Seine langen, silbergrauen Haare wehen umher. Die Furchen

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