Der dritte Versuch Magische Wesen. Norbert Wibben
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Читать онлайн книгу Der dritte Versuch Magische Wesen - Norbert Wibben страница 11
»Ich kenne das Buch in- und auswendig, darin steht nichts über diesen Ring geschrieben. Ich habe eine Idee, wie wir vielleicht etwas über seine Eigenschaften erfahren könnten. Wir sollten uns aber vorsorglich schützen, da ich die Reaktion auf den Versuch nicht vorhersagen kann. Sgiath. Protego.« Nachdem Cian seinerseits ebenso verfahren ist, erheben sie sich. Beide blicken sich kurz an, dann richtet Kayleigh beide Hände auf den Ring. »Aperio!«, fordert sie mit kraftvoller Stimme, dann erneut und schließlich ein drittes Mal.
Und wirklich, jetzt geschieht etwas Unvorstellbares. Die Ringform bewegt sich, der Kopf öffnet sein Maul und der Schwanz wird herausgezogen. Die Schwingen werden ausgebreitet und die Gestalt beginnt zu glänzen, wird heller und heller, bis sie schließlich in einem unerträglich strahlendem Blau leuchtet. Der Lindwurm erhebt sich in die Luft, dreht den Kopf mit böse blickenden Augen zu den Elfen und stößt urplötzlich seinen Feueratem in ihre Richtung. Hell leuchten die Schutzglocken auf und flackern bereits nach kurzer Zeit. Kayleigh und Cian stürzen zu Boden.
Es dauert lange, bis sich die Elfe regt. Benommen schüttelt sie den Kopf und blickt ungläubig zu Cian, der ausgestreckt neben ihr am Boden liegt. Sie muss zu ihm, will helfen, doch sobald sie sich aufzurichten versucht, wird ihr erneut schwarz vor Augen. Kayleigh atmet mehrmals langsam ein und aus und schiebt sich dann über den Boden auf ihren alten Gefährten zu.
»Cian, mein Freund. Wie kann ich …?« Sie richtet sich trotz der sofort wiedereinsetzenden Schwärze etwas auf und hält ihre Hände über den unbeweglich vor ihr liegenden Elf.
»Beatha! Beatha! BEATHA!«, ruft sie verzweifelt. Ihre Augen sind geschlossen, da sie von Dunkelheit umgeben zu sein scheint. Ihre Arme und Hände zittern, aber ein goldenes Gleißen fließt von ihnen zur ausgestreckten Gestalt. Schon nach wenigen Augenblicken erlischt es wieder, Kayleigh ist einfach zu schwach. Doch so gering die Übertragung von Lebensenergie auch war, sie reicht. Mit einem tiefen Atemzug, der an den eines fast Ertrunkenen erinnert, kommt Cian zu sich. Er schüttelt den Kopf, öffnet die Augen und blickt verwundert Richtung Decke. Der Blick klärt sich und fällt erstaunt auf die Elfe, deren Arme auf seinem Oberkörper ruhen.
»Kayleigh, meine Liebe. Was ist geschehen.« Er sieht ihre geschlossenen Lider, hinter denen die Augäpfel hin und her zucken. Jetzt richtet er vorsichtig den Oberkörper auf, breitet nun seinerseits die Hände über die Elfe und murmelt: »Beatha!« Sofort gleißt goldenes Licht hinüber. Er bemerkt, dass er das nicht lange schaffen wird und unterbricht es rechtzeitig, bevor er zusammenbricht.
»Ich … ich danke dir!«, murmelt Kayleigh so leise, dass er es kaum wahrnehmen kann. Ihre Augenlider sind noch immer geschlossen, aber die Bewegung der Augen hat aufgehört. Der Elf streckt sich neben ihr aus und entgegnet:
»Ich danke dir! Vermutlich hast du das Gleiche kurz vorher bei mir gemacht oder wieso solltest du sonst mit deinen Armen auf mir liegen?«
»Ich wollte dich nur bewegen, sehen, was mit dir ist, da wurde mir schwarz vor Augen.«
»Du hast auch schon besser geflunkert! Jetzt sollten wir uns etwas erholen. Was ist das für ein dämonisches Wesen? Es scheint mir nicht einfach nur ein magisches Artefakt zu sein. Es lebt irgendwie. Das ist zumindest mein Eindruck.«
Beide schweigen und lassen das soeben Erlebte auf sich wirken.
»Wir müssen feststellen, wo dieses Ungeheuer geblieben ist«, beginnt Kayleigh, dann zieht sie die Luft scharf ein und reißt die Augen auf. »Der Drache erinnert mich an das Wesen, das uns im Kampf um die Königsburg vor zwanzig Jahren so sehr in Bedrängnis brachte. Was meinst du?«
»Du könntest recht haben. Nur damals war das Wesen größer. Sollte dies eine kleine Ausgabe davon sein?« Cian schaut sie fragend an.
»Auch wenn das so ist, die magische Kraft scheint gleichwertig zu sein. Unsere Schutzglocken konnten ihm nur mit Mühe standhalten.«
Die beiden Elfen erheben sich langsam und vorsichtig, um dann außer Atem in die bequemen Sessel vor dem Kamin zu sinken. Ihre suchenden Blicke fallen auf den Ring, der scheinbar unverändert auf dem Tischchen liegt. Cians rechte Hand verharrt einen Moment darüber, bevor er ihn vorsichtig mit einem Finger berührt.
»Kalt wie zuvor!«, stellt er überrascht fest. »Ich hatte erwartet, dass er glüht oder zumindest noch etwas Wärme aufweist. Der Feueratem, den der Drache ausgestoßen hat, war garantiert sehr heiß.«
»Er könnte aber auch eiskalt gewesen sein. Das wäre passend zu dessen blauem Strahlen! Hm. – Was schlägst du vor, was wir mit dem Ding machen sollen. Es muss von einem begabten Zauberer geschaffen worden sein, in welcher Teufelswerkstatt auch immer.«
»Ich bin mir nicht sicher. Einerseits wäre es gut, ihn in einem geeigneten Versteck zu wissen, andererseits könnte er möglicherweise eine effektive Waffe gegen die Dubharan sein, wenn wir herausfinden, wie das Wesen gesteuert werden kann.«
»Die zweite Möglichkeit ist aber nur gegeben, wenn du den Drachen beherrschen könntest.«
»Ich habe dabei nicht an mich gedacht. Ich werde offenbar von Tag zu Tag zerstreuter. Selbst wenn wir herausbekommen, wie der Drache zu lenken ist, könnte ich das gerade dann vergessen haben, wenn es notwendig sein sollte. Nein, ich dachte an dich.«
»Das ist nicht dein Ernst. Ich werde dieses Wesen nicht beherrschen, sonst hätte es sich nicht so aggressiv gegen meinen Offenbarungsspruch verhalten. Nein, der Ring wird mir nie gehorchen, da bin ich sicher!«
Beide schweigen, in Gedanken versunken.
»Dann verberge ihn in deiner Bibliothek. Falls wir herausbekommen, wie der Drache zu beherrschen sein könnte, werden wir es erneut versuchen. Möglicherweise kann das auch ein jüngerer Magier?« Cian denkt dabei an Finn, doch das sagt er nicht.
»Einverstanden. Ich werde eine Buchattrappe anfertigen lassen, die innen mit Silber ausgekleidet ist. Dort hinein lege ich den Ring. Das ihn umgebende Silber verhindert, dass der Drache sich selbstständig aktivieren kann, wenn das möglich sein sollte. Die Buchnachbildung bekommt den Titel »Magische Wesen«. Dann weist du, wo du den Ring findest, falls ich nicht anwesend sein sollte, wenn er benötigt wird.«
Alarm in Munegard
Es ist um die Mittagszeit, am Tag nach Finns Entkommen. Durch die Küche der Festung Munegard zieht der Geruch von Essen. Ein riesiger Herd steht unter einem gewaltigen Abzug. Die Küchenmädchen laufen eilig hin und her, holen Zutaten und bereiten diese vor. Der Küchengehilfe legt Holz nach. Er schließt die Feuerklappe, nachdem er die letzten Scheite hineingesteckt hat.
»Beeilung, wir sind schon etwas in Verzug. Gleich wird der Beginn der Mahlzeit ausgerufen. Habt ihr eure Kleidung gerichtet? Wenn ihr das Essen auftragt, habt ihr ordentlich auszusehen. – Wie sieht die Suppe aus? Habt ihr schon Petersilie hineingegeben? Gut. Dann jetzt aber los!«
Das in einem schweren Topf blubbernde Gericht wird mit einer eisernen Kelle in mehrere Schüsseln verteilt, die schnell hinausgetragen werden. Ermahnend ruft die dicke Köchin, der die Schweißtropfen von der Stirn tropfen:
»Vergiss nicht, die Spießbraten weiterzudrehen. Soll das Fleisch etwa verbrennen? Lasst mich mal durch.« Sie nimmt eine lange Gabel, schiebt ihren massigen Körper durch die aufgescheuchte Schar der Küchenmädchen und sticht in zwei große Fleischstücke,