Der dritte Versuch Magische Wesen. Norbert Wibben
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Читать онлайн книгу Der dritte Versuch Magische Wesen - Norbert Wibben страница 10
»Das sind gute Maßnahmen. Von mir möchtest du sicher, dass ich die Region um die alte Königsburg im Auge behalte. Da ich nicht mehr so wie früher als einer der oberen Drei zu unseren verschiedenen Völkern reise, auf der Suche nach talentierten Schülern, halte ich mich mittlerweile fast ständig in meinem Turm auf. Was wir sonst unternehmen könnten, wenn wir keinen offenen Kampf mit den Dubharan beginnen wollen, weiß ich nicht. Möglicherweise Späher in die bereits auffälligen Regionen schicken? Aber das hast du sicher schon veranlasst.«
»Es wäre fahrlässig von mir, das nicht anzuordnen. Trotzdem danke ich dir für deinen Rat. – Was gibt es bei dir für Neuigkeiten? Wir haben uns ja schon mehrere Jahre nicht mehr gesehen. Ich glaube, fast so lange, wie du dich zurückgezogen hast.«
»Das stimmt. Wir sahen uns bei den verschiedenen Zauberertreffen meist nur kurz, so dass das nicht zählt. Ich habe, was du daher nicht weißt, vor zwei Jahren wieder einen Schüler akzeptiert.« Auf eine Reaktion seiner Freundin wartend, schaut er sie an. Aber sie lächelt nur. »Was ist? Du äußerst dich nicht dazu? – Ja, ich weiß, ich bin nicht mehr der Jüngste, eigentlich bin ich zu alt dafür, aber wenn du diesen Jungen kennen würdest, könntest du mich vielleicht verstehen.«
»Ich stimme dir zu, dass du, genau wie ich, sehr alt bist. Ich finde aber nicht, dass das ein Grund ist, weshalb du keinen Schüler annehmen solltest. Du bist in meinen Augen der beste und geeignetste … Nein, unterbrich mich nicht. Ich will dir nicht schmeicheln, das ist die reine Wahrheit! Aber gut, dann lasse ich die Lobeshymnen. Jetzt sag mir schon, wer dich dazu überreden konnte. Ist es ein sehr talentierter Zauberer der Menschen oder einer der Elfen?«
»Es ist Finn, ein junger Elf aus der Mitte des Landes. Sein Onkel ist von mir ausgebildet worden, starb jedoch bei der letzten großen Auseinandersetzung mit den Dubharan.«
»Oh. Das freut mich. Du kennst also Finns Großeltern, konnten sie dich dazu überreden? Ach nein, die sind ja vor fast drei Jahren gestorben. Warum schaust du mich so erstaunt an, was ist los?«
»Der Junge hat mich eigentlich an mich selbst erinnert, als wir uns bei dem Zauberertreffen vor zwei Jahren begegneten. Außerdem schien er sehr traurig zu sein und stellte mir die Sinnfrage des Lebens. Ich glaube, diese Nachdenklichkeit hat mich verleitet, ihn anzunehmen. Obendrein hat er …, aber das ist nicht so wichtig. Den Namen seines Onkels oder der Großeltern nannte er nicht, auch nicht, dass diese ebenfalls gestorben sind. Es hörte sich so an, als ob sie ihn erzogen hätten. Wer waren sie? Du scheinst sie zu kennen.«
»Der Großvater war der letzte Obere der Elfen der Mitte. Er besaß große magische Kräfte, genau wie seine beiden Söhne. Der eine starb, wie du schon sagtest, vor etwa zwanzig Jahren, der andere heiratete eine sehr begabte Elfe aus dem Osten. Seit diesem Konflikt mit den Dubharan waren Finns Eltern ständig im Land unterwegs, stets auf der Suche nach Vergeltung an den dunklen Zauberern, während der junge Elf bei den Großeltern blieb. Seit etwa fünf Jahren sind seine Eltern verschwunden, niemand weiß, was ihnen möglicherweise zugestoßen ist. Sie wurden vermutlich bei einer Auseinandersetzung mit den bösen Magiern getötet. – Darum freut es mich sehr, dass du diesen jungen Elf ausbildest. Du kannst und wirst ihm ein guter Lehrmeister sein, davon bin ich überzeugt! Er wird später die Elfen in diesem Landesteil führen, ihr neuer Oberster sein.« Jetzt schweigen beide. Cian ist etwas verlegen, weil Kayleigh offenbar mehr von seinen Fähigkeiten hält, als er selbst. Er hüstelt verlegen.
»Es ist nur so, dass in Finn möglicherweise große Talente schlummern, diese aber noch nicht zu erkennen sind. Er ist von vielen Selbstzweifeln geplagt, weshalb er beim Ausüben eines Zauberspruchs von dessen Resultat nicht überzeugt ist. Es ist aber nicht so, dass er es nicht ernsthaft versucht. Er übt die Sprüche ununterbrochen, so, als ob er sich und mir sein Talent beweisen müsse.«
Der Drache
Die Unterhaltung zwischen Kayleigh und Cian ruht nach dem Informationsaustausch über Finn. Beide sind in Gedanken versunken.
»Es könnte sein«, unterbricht die Elfe die Stille, »dass der Tod des Onkels die Ursache für Finns Unsicherheit ist. Daraus resultierten die häufige Abwesenheit der Eltern und die Trauer der Großeltern. Alles zusammen wird die Entwicklung eines gesunden Selbstbewusstseins beeinträchtigt haben. Sobald er aber positive Erfahrungen seines Könnens erfährt, egal ob magisches oder nicht, wird sich das schnell geben. Die Anlagen eines Führers und große Zauberfähigkeiten schlummern nur in ihm, davon bist du doch auch überzeugt, stimmt’s?«
»Hast du mir das angemerkt? Du kennst mich wirklich gut. Ja, das denke ich. Aber lediglich mehrere Zaubersprüche perfekt zu beherrschen, wird das nicht bewirken. Obwohl ihm die Anwendung fast aller Zauber schwerfällt, übt er ununterbrochen und trotzdem misslingen sie sehr oft. Finn vergisst darüber sogar, dass er sich auch Zeit für die Nahrungsaufnahme nehmen muss. Ich habe ihn deshalb zu den Elfen der Mitte geschickt, damit er eine Unterbrechung in den permanenten Übungen hat. Ich dachte, es würde ihm guttun, einmal die Heimat wiederzusehen. Er ist seit Beginn seiner Ausbildung immer bei mir gewesen, darum ist eine Pause angebracht.«
Kayleigh nickt zustimmend, entgegnet aber nichts. Cian grübelt und murmelt nach einiger Zeit:
»Irgendetwas wollte ich noch. Was war das nur?«
»Kannst du bitte lauter reden? Mein Gehör ist nicht mehr so gut wie früher.«
»Ich wollte etwas klären, dich um Rat fragen«, erwidert der alte Elf mit kräftigerer Stimme. »Es ist zum Verrücktwerden. Warum fällt mir das nicht ein?« Er haut mit geballten Fäusten auf die Armlehnen des hohen Sessels. »Alt werden hat so seine Tücken. Mein Gedächtnis ist immer häufiger lückenhaft, besonders dann, wenn es um jüngere Ereignisse geht. Weit zurückliegende sind dagegen bis ins kleinste Detail präsent. Es war … Ja was?«
»Mein lieber Freund. Manchmal ist es besser, einen Gedanken, der sich widerspenstig verhält, nicht zu angestrengt aufrufen zu wollen. Dann wird er plötzlich von selbst nach oben drängen. Lass uns etwas anderes machen. Wie wäre es mit einem Spaziergang um die Festung herum. Es gibt dort eine sonnige Wiese, auf der eine große Linde steht. Ich habe in ihren Ästen schon öfters einen Kolkraben bemerkt. Vielleicht besitzt er dort ein Nest, obwohl die Brutzeit längst vorüber ist.«
»Warte mal. Ein Rabenvogel und ein Nest, die sagen mir etwas. Ha, genau. Da war doch eine Elster«, grübelt er. Aufgeregt suchen die Finger in den verschieden Taschen der Kleidung, dann blickt er auf seine linke Hand. Am Ringfinger blitzt es bläulich im flackernden Schein des Kaminfeuers.
»Ich werde wirklich senil!«, stellt er traurig fest. »Ich habe diesen Ring im Versteck einer Elster gefunden.« Mit der rechten Hand dreht er ein paarmal an dem Ring und zieht ihn schließlich von seinem kleinen Finger. Erneut blitzt das Bild eines kleinen, blauen Drachen in seinem Kopf auf. »Das ist doch vorhin, beim Aufstecken auch passiert. Es muss etwas bedeuten!« Er reicht den Ring zu Kayleigh hinüber, die ihn fragend anschaut.
»Was ist vorhin auch geschehen?« Während Cian ihr von der Erscheinung berichtet, betrachtet sie aufmerksam den Ring. Sie dreht ihn hin und her, lässt im Feuerschein die kleinen Augen aufleuchten und legt das Artefakt schließlich auf ein Tischchen, das zwischen ihnen steht.
»Ich denke, der Ring stellt einen Drachen dar, was auch zu dem Bild passt, dass du gesehen hast. Eine magische Kraft steckt in ihm, das steht für mich fest. Ich habe aber noch nie