Friedrich Gerstecker: Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten von Amerika 1837-43. Friedrich Gerstecker

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Friedrich Gerstecker: Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten von Amerika 1837-43 - Friedrich Gerstecker maritime gelbe Buchreihe

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behielt, während er unaufhörlich „Mörder, Mörder!“ brüllte. – Ich gestehe, dass ich einige Genugtuung fühlte, als ich den Burschen, mit Striemen bedeckt, im Schmutze liegen sah.

      Den Abend wanderte ich durch Versailles, wo ich mir einen anderen Ladestock machen ließ. Aber, du lieber Gott, welche Ironie, ein solches Nest Versailles zu nennen; doch ist es eine Angewohnheit der Amerikaner, allen ihren kleinen neu angelegten Ansiedelungen hochtrabende Namen zu geben. Schon im Staate New-York war ich durch Syrakus, Babylon, Rom, Venedig, Alexandria, London und Paris gekommen, lauter kleine Flecken, aus nur sieben bis acht Häusern bestehend.

       Den 11. Dezember mittags kam ich zu der Farm eines Deutschen, namens Friedmann, der sich in Indiana recht wohl befand, ein sehr fruchtbares, wenn auch nicht zu großes Stück Land und ganz herrliches Vieh hatte. Es ist dies der einzige angesiedelte Deutsche, den ich auf meinem Marsche durch Indiana getroffen habe, obgleich im Staate selbst noch sehr viele wohnen, und doppelt wohl taten dem Ohre, das die Muttersprache so lange hatte entbehren müssen, die deutschen Klänge.

      Ich blieb bis zum Mittagessen da und wanderte nachher auf dem jetzt ausgezeichnet gut werdenden Wege munter meinem nächsten Ziele, „Vincennes“ am Wabasch-Fluss, zu.

      Den 12. Dezember gegen Abend trat ich in ein reinliches großes Haus ein, um zu fragen, ob ich ein Nachtlager bekommen könnte, und fand da zwei deutsche Handelsjuden, die schon ganz behaglich am Kamin saßen und mich verwundert und, wie es mir wenigstens vorkam, mit nicht ganz freundlichen Augen betrachteten.

      Der Hausvater, ein sehr alter Mann, dessen Großeltern von Deutschland herüber gekommen waren, und der ziemlich gut deutsch sprach, war ungemein freundlich, und wir verplauderten einen recht vergnügten Abend. Die beiden Israeliten hatten während der Zeit sehr viel zusammen geflüstert; der eine rückte jetzt ein wenig näher zu mir und richtete mehrere Fragen an mich, die ich ihm gern und artig beantwortete. Doch das Fragen hörte nicht auf, denn nach jeder Kleinigkeit erkundigte er sich. Unter anderem fragte er mich, wann ich morgen früh aufbrechen und welchen Weg ich einschlagen würde, und warum ich eine Flinte und einen Hirschfänger bei mir habe. Ich merkte jetzt wohl, dass er nicht zu den Herzhaftesten gehöre und beschloss, mir einen Spaß mit ihm zu machen.

      Jetzt fing ich an zu fragen: was er für Geschäfte mache, welche Art von Waren er führe – jeder von ihnen hatte ein großes Paket bei sich –, ob er mit Goldwaren handle, wann er morgen früh aufbrechen und welchen Weg er nehmen werde, ob er lange im Walde zu gehen habe, ehe er an eine Farm käme usw. Alle diese Fragen beantwortete er ausweichend und ängstlich, ohne dass der andere darein redete. Als ich ihn aber fragte, ob er viel Geld verdient habe, fuhren beide zugleich heraus: „Mer haben gar kein Geld“, so dass ich kaum das Lachen verbeißen konnte.

       Wir gingen endlich zu Bett. In der Nacht erwachte ich mehrmals durch das Gezänk der beiden Söhne Israels, die sich um den besten Platz in ihrem gemeinschaftlichen Bett stritten, und wurde nicht wenig durch die stets wiederkehrenden Namen „elender Mensch, erbärmlicher Mensch!“ mit denen sie sich titulierten, im Schlafe gestört.

      Als der Tag graute, wachte ich auf und sah das Bett der beiden leer; ich blieb noch ein wenig liegen, bis es hell wurde, und ging dann zum Wirt hinunter.

      Die beiden großen Warenpakete und die tapferen Israeliten waren verschwunden, und auf meine Erkundigung nach ihnen gab mir der Wirt zur Antwort, dass sie sich schon lange vor Tagesanbruch auf die Socken gemacht hätten. Ich musste laut auflachen und erzählte nun dem Alten den ganzen Spaß, der ihn sehr ergötzte.

      Der Weg war jetzt größtenteils gut, aber ich hatte so schlechtes Wetter, dass, besonders als ich in das flache Land in der Umgegend von Vincennes kam, die Straßen ganz mit Wasser gefüllt lagen.

      Ungefähr eine Meile von Vincennes, wo die Prärien anfangen, verlor sich der Weg in eine Wasserfläche, die spiegelglatt vor mir lag, und unmöglich würde es nach einbrechender Dunkelheit für mich gewesen sein, die Bahn da hindurch zu finden, hätten mir nicht die Lichter von Vincennes die Richtung angegeben. So aber schritt ich, oft bis über die Knie im Wasser watend, dem Lichtschimmer entgegen und erreichte ungefähr um sieben Uhr das Städtchen, das sich ebenfalls keiner großen Trockenheit rühmen konnte.

       Es war Nacht, rabenschwarze Nacht, als ich mich in den von kleinen Laternen beleuchteten Gassen nach einem Nachtquartier umschaute. Ein paar einsame Ochsen standen am Wege und schienen mich, als ich dicht bei ihnen vorüberging, sehr wehmütig zu betrachten. „Seid mir gegrüßt, ihr Herren!“ rief ich ihnen mit Mephistopheles zu, und beide beantworteten meinen Gruß mit einem gemeinschaftlichen Brüllen. In geringer Entfernung von ihnen fand ich endlich ein Haus, wie ich es suchte. Es war ein Pennsylvanisch-Deutscher, der hier Wirtshaus hielt, und ich fand ein warmes, erquickendes Feuer, ein Hauptbedürfnis bei meinem damaligen Zustande.

      Erst als ich mich erwärmt hatte, fing ich an, meine Umgebung ein wenig genauer zu betrachten. Lauter nüchterne Gesichter, amerikanische Gleichgültigkeit in den Physiognomien der Anwesenden, die sich auf ihren Stühlen schaukelten und nach eben beendeter Mahlzeit in ihren Zähnen stocherten. Nur ein einziges echt deutsches Gesicht strahlte mir unter ihnen entgegen und schien mich ebenfalls aufmerksam zu betrachten. Ich redete den Mann an und hatte mich nicht geirrt; es war ein deutscher Schmied und Maurermeister.

      Wir blieben am Fenster sitzen und erzählten uns bis tief in die Nacht hinein. In der Hitze des Gesprächs deklamierte er auch einige selbstgemachte Gedichte. Ich hörte sie geduldig an, ich konnte nicht verlangen, dass er mich allein amüsierte. Er hatte schon lange in Amerika gelebt, daher viel erfahren und gelitten; es schien eine von den guten Seelen, die nicht imstande sind, irgendjemand zu betrügen, aber dafür von der ganzen Welt betrogen werden. Nicht uninteressante Skizzen gab er mir dabei von dem Lande selber, das nur erst halb und halb in die Zivilisation hineinzuragen schien. Darunter machte mir besonders eine Anekdote Spaß, zu der die katholische Kirche in Vincennes die Veranlassung gegeben hatte. Dieselbe hat nämlich von einem deutschen Emigranten eine gewöhnliche Drehorgel gekauft und spielte der andächtigen christlichen Gemeinde sonntags die Melodien: „Mein Schiff streicht durch die Wellen, Fridolin, Fridolin!“ oder „Heinrich schlief bei seiner Neuvermählten“, oder „Es ritten drei Reiter“ usw. vor, wonach nun die geduldigen Christen ihre Gebete absangen, obgleich ziemlich viele Deutsche dort waren, die alle diese Lieder kannten.

      Die Nacht waren wieder alle Schleusen des Himmels offen, doch klärte es sich gegen Morgen auf und fing an zu frieren.

       Als ich an den Fluss hinunterkam, begegneten mir einige Reiter, die von der anderen Seite desselben zurückkamen und erklärten, es sei ihnen nicht möglich gewesen, durchzukommen. Nicht allein sei das Wasser tief, sondern es liege auch noch eine dünne Eisrinde darauf, welche die Pferde, ohne sich zu verletzen, gar nicht mit der Brust durchbrechen könnten.

      Einen Augenblick stand ich unschlüssig über das, was ich tun sollte, doch die Not ist eine gute Ratgeberin. In Vincennes konnte ich nicht bleiben; meine außerordentlich geringen Geldmittel erlaubten mir in keinem Falle große Ausgaben zu machen, da ich noch eine gewaltige Länderstrecke zu durchwandern hatte. Ich ging deshalb auch rasch entschlossen zur Fähre hinab, mich übersetzen zu lassen, darauf hoffend, dass solche Sachen meist übertrieben würden. An der Fähre rieten mir die Leute übrigens ebenfalls, lieber noch ein paar Tage in Vincennes zu bleiben und das Ablaufen der Wasser zu erwarten. Das konnte aber bei diesem nassen Wetter noch lange dauern, hätte es mir meine Kasse wirklich erlaubt. Ich ließ mich also unverzagt übersetzen, meinem guten Glück das weitere vertrauend.

      Drüben angelangt, fand ich das Land dicht am Fluss ziemlich trocken; kaum zweihundert Schritt vom Ufer begann aber ein wirklicher See, durch den weder Bahn noch Steg zu finden war, und umsonst mühte ich mich bis gegen Mittag, eine nur halbwegs seichte Furt zu finden. Aus Sparsamkeit hatte ich dabei die letzten vierundzwanzig Stunden entsetzlich wenig zu mir genommen, immer hoffend, etwas Schiessbares am Weg zu finden; es wollte sich indes

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