Ricarda Huch: Deutsche Geschichte 2 Zeitalter der Glauben-Spaltung - Band 2 - bei Jürgen Ruszkowski. Ricarda Huch
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Der Bischof von Worms, Johann von Dalberg, in humanistischen Kreisen hochgeehrt als guter Lateiner, Dichter, Kenner des Altertums und Büchersammler, lebte in Streit mit seiner Stadt Worms, die er seiner Herrschaft unterwerfen wollte und der er durch brutales Geltendmachen seines militärischen Übergewichts einen Huldigungseid abzwang, zu dem sie als freie Stadt ihrer Meinung nach nicht verpflichtet war. Beide wandten sich an den Kaiser als an den höchsten Richter. Maximilian hielt es, wenn immer möglich, mit den Reichsstädten, die seine Interessen vertraten und ihm zahlten, wollte es aber auch mit dem berühmten Dalberg nicht verderben; er half sich damit, dass er erst der Stadt und dann dem Bischof recht gab, so dass die von beiden Seiten an ihn abgeschickten Gesandtschaften befriedigt heimkehrten, um sich bald darauf in erneuter Ungewissheit zu finden. Auf diese Weise fertigte er die ihm geduldig Nachreisenden viermal hintereinander ab; dann beraumte er eine Tagung an, auf welcher er zwischen den Streitenden zu vermitteln versprach, verschob aber jeweils den Termin, weil irgendetwas dazwischenkam. Mit so naiven Listen brachte er es dahin, dass, als der Bischof starb, die Rechtsfrage noch nicht entschieden und durch eine neue Konstellation zunächst aus der Welt geschafft war. Es ist begreiflich, dass der Vorschlag gemacht wurde, das Hofgericht möge von der Person des Kaisers getrennt werden und einen festen Sitz in einer zentral gelegenen Stadt erhalten. Im Laufe des 15. Jahrhunderts war neben dem Hofgericht das sogenannte Kammergericht entstanden, das, ursprünglich für gewisse, meist fiskalische Zwecke zusammenberufen, allmählich das Hofgericht verdrängte. So kam es, dass das neu zu gründende Reichsgericht nicht Hofgericht, sondern Kammergericht genannt wurde. Begreiflicherweise sah der Kaiser die Abtrennung des höchsten Gerichtes von seiner Person nicht gern; gab ihm doch das Amt des höchsten Richters seinen wesentlichen Charakter und die Möglichkeit, seinen Einfluss geltend zu machen. Günstig für den Kaiser wäre dagegen die Reichssteuer, der Gemeine Pfennig, gewesen, die jeden Reichsangehörigen treffen sollte; denn dadurch wäre die Masse des Volkes wieder in eine unmittelbare Beziehung zum Kaiser getreten. Aus eben diesem Grunde verletzte diese Steuer das Interesse der Fürsten und anderer Stände, die das Recht zu finanzieller Ausnützung ihrer Untertanen mit keinem anderen teilen wollten; ärgerlich genug waren ihnen die jeweiligen Beutezüge der Kirche. Überhaupt wurde das Recht, keinem Steuerzwang zu unterliegen, von allen, mit Ausnahme der Hörigen, die aber auch gegen willkürliche Erhöhung der Abgaben protestierten, in Anspruch genommen und ängstlich festgehalten. Steuerpflicht wurde als Abzeichen der Hörigkeit betrachtet und gerade in dieser Hinsicht die Lage der Franzosen, über deren Vermögen der König weitgehend verfügen konnte, als bestialisches Servitut bezeichnet. Wie die Stände der Prälaten, Ritter und Städte dem Landesherrn gegenüber das Recht der Steuerbewilligung als Grundlage der Freiheit hüteten, so die Reichsstände gegenüber dem Kaiser, nur dass die Landstände viel mehr Verständnis und guten Willen für die Erfordernisse des Landes aufbrachten als die Reichsstände für die des Reiches. Man sollte meinen, es habe sich jeder beeifert, das Seine zu tun, damit der andauernden Verwüstung des Landes durch Kriege und Fehden ein Ende gemacht würde, und tatsächlich waren alle von der Notwendigkeit der Reform überzeugt; sobald sie aber in Angriff genommen werden sollte, zeigte sich Widerstand auf allen Seiten. „Traue dem Landfrieden nicht“, ist eine noch heute gebrauchte Redewendung, die im Mittelalter dem berechtigten Misstrauen der Städte gegen eine scheinbar so wohltätige Einrichtung Ausdruck gab. Dass an der Spitze der zur Durchführung des Landfriedens gebildeten militärischen Organisation ein Fürst stand, machte diese in den Augen der Städte zu einer verdächtigen Interessenvertretung. Ein oder der andere Kaiser dachte daran, sich selbst zum Landfriedenshauptmann zu machen, vermochte es aber nicht durchzusetzen. Hätten nun wenigstens die Fürsten die Sache stramm gehandhabt! Aber nur selten wurde einmal ein Raubnest zerstört, ein Friedensbruch bestraft. Im Allgemeinen waren zu viel Berechnungen und Rücksichten im Spiel, als dass sie aus der in Reichsangelegenheiten grundsätzlichen Langsamkeit herausgetreten wären. Sahen es doch manche Fürsten nicht ungern, wenn die Ritter den Städten Ungelegenheiten machten, hetzten sie wohl gar heimlich auf.
Indessen selbst dann, wenn es sich um eine Stärkung der kaiserlichen Zentralgewalt handelte, wenn Siegmund und später Maximilian daran dachten, sich im Gegensatz zu den Fürsten auf die Städte und Ritter zu stützen, verhielten sich beide Stände ablehnend. Die Städte hatten ihre Macht und Unabhängigkeit auf den im Laufe der Jahrhunderte von den Kaisern erlangten Freiheiten und Privilegien aufgebaut, ihre Politik hatte immer darin bestanden, diese kostbaren Pergamente sich bestätigen zu lassen und durch neue zu vermehren. Dieselbe Politik des Beharrens auf erworbenen Rechten betrieb die Ritterschaft. Jede Stärkung der Zentralgewalt aber, mochte sie auch den Ständen wohlwollend geneigt sein und ihr Bestes im Auge haben, bedrohte doch zunächst ihre Selbständigkeit. Die von den Städten mit manchem Opfer erkaufte Unabhängigkeit hing bis zu einem gewissen Grade mit der Anarchie zusammen, deren Ausschreitungen bekämpft werden sollten. Konnte ihnen der Kaiser versprechen, dass bei einer Neuregelung ihre Stellung verbessert, wenigstens nicht verschlechtert würde? Ja, wenn er den Fürsten einen Bund der Städte, Ritter und Bauern hätte entgegenstellen können! Aber die Feindschaft zwischen Rittern und Städten und die Verachtung der Bauern war so eingefleischt, so mit allen Anschauungen und geschichtlichen Erinnerungen zusammenhängend, dass der genialste Mann sie nicht hätte überwinden können und dass, wäre ein solcher Bund zustande gekommen, das Ziel nicht ohne furchtbare Bürgerkriege hätte erreicht werden können.
Am ersten konnten die Fürsten bei der Reformation zu gewinnen hoffen, wenn nämlich sie bei der Besetzung der zu schaffenden Reichsinstitutionen den Hauptanteil bekamen, und so brachten sie denn auch im Laufe des 15. Jahrhunderts mehrere, meist von Martin Mayr erdachte, Reformpläne vor. Allein die Gegensätze zwischen den Fürsten waren zu groß, ihre Absicht, die eigene Macht zu vermehren, zu offenkundig, als dass sie Anklang hätten finden können. Die verfeindeten Häuser Brandenburg und Wittelsbach dachten die Reform als Kampfmittel gegeneinander zu gebrauchen, und alle Fürsten hofften, durch sie die in ihren Territorien gelegenen Städte und Ritterschaften sich unterwerfen zu können. Man gewöhnte sich daran, auf den Tod des Kaisers als auf den Zeitpunkt zu blicken, wo die schwierigste Hemmung wegfallen würde, umso mehr als sein Sohn Maximilian freudig sich der großen Angelegenheit widmen zu wollen versprach.
Im Jahr 1459 war dem ungleichen Paar, Friedrich von Österreich und Leonor von Portugal, der erste und einzige Sohn, Maximilian, geboren, der mit ebenso viel Ungestüm seiner Stunde zu großen Taten entgegensah, wie das Volk mit Ungeduld und Vertrauen seinen Regierungsantritt erwartete. Denn der Jugendliche war ganz und gar das Gegenteil seines Vaters, begierig, das noch schwankende Ostreich in feste Hand zu fassen, aber auch Vater und Mehrer des Heiligen Römischen Reichs zu werden.
Außer dem ersten königlichen Habsburger, Rudolf, ist Maximilian der erste Kaiser, von dessen äußerer Erscheinung wir uns ein überzeugendes Bild machen können; vielleicht ist es auch das, was ihn uns so besonders nahebringt.
Maximilian II. (* 31. Juli 1527 in Wien; † 12. Oktober 1576 in Regensburg), zeitgenössisch auch „Maximilian der Ander[e]“, war Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und Erzherzog zu Österreich von 1564 bis 1576.
Wir sehen ihn so, wie ihn Dürers Meisterhand kurz vor seinem Tode gezeichnet hat.
Das Bild zeigt Maximilian alt, ganz ausgereift, aber ohne ein Zeichen der Auflösung.
Die Züge sind scharf ausgeprägt, mit keinem anderen Gesicht vergleichbar, sehr vornehm, sehr hoheitsvoll und doch voll Güte. Maximilian wurde nicht verkannt, wenn er, wie er gern tat, in einem schäbigen alten Wams einherging; sein Gesicht verkündigte seine Würde. In den Falten um Augen und Mund liegt ein ganz leises Lächeln, die Spur eines Humors, der die Parade des Lebens mit leichtem Zweifel betrachtet, nicht wie ein religiöser Mensch, dem sie Schein ist, sondern wie einer, der weiß, dass er eine Rolle in einem Drama zu spielen hat. Den Hermelin, der ihm zugeteilt ist, trägt er mit Anstand und möchte ihn nicht lassen; aber es ist ihm bewusst, dass er dem