Eine Frage der Macht. Hermann Brünjes
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Читать онлайн книгу Eine Frage der Macht - Hermann Brünjes страница 10
Hm, da könnte man schon neidisch werden...
Neben einer Anrichte, auf der ein frischer Strauß prächtiger roter Pfingstrosen steht und einige Bilderrahmen, lassen wir uns in bequemen Sesseln nieder. Auf dem Tisch stehen Kaffee, Tee und Kekse. Ob es hier Personal gibt? Ganz sicher.
Als wir sitzen und er uns Kaffee, beziehungsweise Elske Tee eingeschenkt hat, eröffnet der junge Mann das Gespräch.
»Ich bin gespannt auf Ihre Fragen. Sie haben gesagt, Sie wollen mit mir darüber reden, worauf es der DZP ankommt und was wir unter Macht verstehen.«
Elske nickt und ich lasse ihr den Vortritt.
»Das stimmt. Und wir möchten Sie ein bisschen kennenlernen. Sie sind ja nicht gerade der typische Vertreter rechter Politik!«
Konstantin lacht. Sein Lachen wirkt weder arrogant noch verächtlich. Es ist einfach nur gewinnend. Ich kann verstehen, dass dieser Mann bei vielen Leuten gut ankommt, besonders bei Frauen.
»Danke. Wie stellt man sich denn einen typischen Vertreter der DZP vor? Und was verstehen Sie unter rechter Politik?«
»Sagen Sie es uns.«
Elske macht das richtig geschickt.
»Nun, ich finde, man sollte die Leute nicht in Schubladen stecken. Es gibt doch in jeder Partei Sympathieträger und, ich sag’s mal volksnah, Kotzbrocken.«
»Da haben Sie natürlich recht.«
»Nun, und die Aufteilung in rechts und links ist in einer modernen Gesellschaft doch wohl überholt. Sehen Sie sich doch nur die CDU an. Unter Merkel hat sie sich grüne und soziale Themen einverleibt, hat Wehrpflicht und Atomkraft abgeschafft, ist dem Euro beigetreten und ist doch wohl kaum mehr klar als rechts, links oder mittig zu definieren!«
»So kann man das sehen. Lassen wir also den Stempel ›rechts‹ und Sie erzählen uns inhaltlich, was Sie wichtig finden. Ihr Wahlprogramm haben wir natürlich schon gelesen.«
Gut, dass Elske nicht weiter in die ideologische Diskussion einsteigt, sondern unseren Gastgeber motiviert, seine Haltung zu beschreiben. Er lacht.
»Okay. Dann also unsere Schwerpunkte und wie wir Macht ausüben wollen. Wenn ich zu viel rede, unterbrechen Sie mich gerne.«
Der Mann weiß, was sich gehört.
Was er uns nun allerdings erzählt, ist exakt das, was heutzutage als »rechts« eingeordnet wird. Wir haken mehrmals nach, erfragen Beispiele, verzichten aber darauf, kontrovers zu diskutieren. Weit über eine Stunde geht es um das Programm der DZP und wie Konstantin von Bering es interpretiert.
Die Eckpunkte kann man einfach und kurz beschreiben: Keine Zuwanderung und sofortige Abschiebung derer, die kein Asyl bekommen. Grenzen dicht. Raus aus der Europäischen Union. Volksabstimmungen, z.B. über den Verbleib im Euro. Globalisierung ja, aber nur, wenn Deutschland daran verdient. Also: Germany first! Recht und Ordnung. Mehr Kompetenzen für Polizei und Exekutive. Härtere Strafen. Verwaltungsabbau. Wehrpflicht wieder einführen. Hartz IV abschaffen, dafür niedrige Grundsicherung. Kinderreiche Familien fördern. Diskriminierung von Vollzeitmüttern stoppen. Prämie für Geburten (er nennt es »Willkommenskultur für Neu- und Ungeborene«). Deutsche Leitkultur statt Multikulti. Der Islam gehört nicht zu Deutschland und muss sich eingliedern. Bezahlfernsehen statt öffentlich-rechtlichem Rundfunk. Schluss mit Gender und Gleichmacherei. Ein dreigliedriges Schulsystem mit klarer Leistungsorientierung. Staatliche Subventionen abbauen. Natur- und Trinkwasserschutz, aber Klimalüge beenden. Laufzeitverlängerung Atomkraft, Alternative Energien erforschen... Um es auf den Punkt zu bringen: Früher war alles besser. Folglich zurück in die Zukunft.
Während von Bering Junior mit leuchtenden Augen von seinen Überzeugungen schwärmt und Elske sich Notizen macht, schaue ich mir die Fotos auf der Anrichte an. Ein Familienbild mit dem Patriarchen in Jagdkleidung, daneben dessen Frau und im Gras vor ihnen Sohn und Tochter. Das Foto muss vor etwa fünfzehn Jahren aufgenommen worden sein. Ein anderes ist jünger und zeigt den Junior inmitten einer fröhlichen Riege von fünf jungen Leuten in schwarzen Poloshirts mit einem Wappen, das ich nicht erkenne. Steht ganz rechts der Sohn von Schäfer Bauer? Möglich.
Nach etwa einer Stunde werden wir plötzlich unterbrochen. Eine junge Frau in Reitkleidung stürmt herein.
»Konstantin, wo steckt eigentlich Claas? Der wollte für mich... oh, du hast Besuch?«
Ich vermute, die hübsche Brünette mit Sommersprossen, sportlicher Figur und sichtlich sprühendem Temperament ist Konstantins Schwester. Die beiden ähneln sich. Verheiratet ist er jedenfalls nicht.
Plötzlich stutzt die junge Frau.
»Elske? Was machst du denn hier?«
Nun sind Konstantin und ich gleichermaßen erstaunt. Die beiden Frauen kennen sich.
»Sophia? Jetzt bin ich aber baff. Dasselbe frage ich dich auch.« Elske ist genauso überrascht wie die Reiterin.
»Na so was«, meint Konstantin. »Herr Jahnke, dann darf ich Ihnen meine jüngere Schwester Sophia vorstellen. Die Damen kennen sich ja schon, woher auch immer.«
Sophia und Elske werfen sich einen kurzen Blick zu, einen mit integrierter Schweigevereinbarung, vermute ich.
»Ja, wir kennen uns. Zufällig gewissermaßen.«
Mehr verrät Sophia uns nicht. Stattdessen blafft sie ihren Bruder ungeduldig an.
»Aber egal. Konstantin, weißt du nun, wo Claas ist oder nicht?«
»Keine Ahnung. Auf der Jagd oder am Computer?«
»Quatsch. Er wollte die braune Stute fertigmachen, damit ich loskann. Ich will den neu angepflanzten Mischwald noch einmal checken.«
»Dann musst du dein Pferd wohl selbst satteln, meine liebes Schwesterchen! Deine exotischen Bäumchen gehören sowieso nicht in unseren Wald.«
Sophia zeigt ihrem Bruder den Stinkefinger, faucht ihn an und verschwindet so geräuschvoll, wie sie gekommen ist.
»Entschuldigen Sie. Meine Schwester will unseren Nutzwald auf plus zwei Grad Klimaerwärmung vorbereiten. Als ob ein paar neue Baumsorten die Welt retten...«
Elske rümpft die Nase.
»Die Welt retten mag tatsächlich etwas zu dick aufgetragen sein – aber ein bisschen besser wird sie dadurch vielleicht schon.«
Das erste Mal während der Begegnung verlässt meine Kollegin ihre neutrale Haltung. Dass sie sich für das Klima engagiert oder für zukunftsfähige Aufforstungen, habe ich nicht gewusst. Aber so sind die Ostfriesen, immer für eine Überraschung gut.
Konstantins sonst verbindlicher und offener Blick wirkt für einen kurzen Moment kühl und abweisend. Dann jedoch lächelt er wieder freundlich.
»Sie haben sicher recht damit.«