Eine Frage der Macht. Hermann Brünjes

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Eine Frage der Macht - Hermann Brünjes Jens Jahnke Krimis

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      Am frühen Nachmittag kommt Elske zu mir nach Hause. Sie fährt einen VW T-Cross, weiß mit schwarzem Dach. Das schicke Auto passt zu ihr. Wir gönnen uns einen kurzen Kaffee und Schokoriegel. Maren ist noch in Lüneburg. Sie hat Spätschicht.

      Bevor wir den Termin bei unserem gemeinsamen Interviewpartner von der DZP haben, berichtet Elske mir von ihren bisherigen Recherchen.

      Sie hat mit Mehmet Özil, dem Spitzenkandidaten der Grünen gesprochen. »Macht« bedeutet für die Grünen vor allem die Möglichkeit, sich endlich konkret und praktisch für das Klima einzusetzen. Der Mann ist überzeugt davon, dass ihre Partei gerade deshalb im Trend liegt, weil die meisten Wähler und Wählerinnen ihr am ehestens zutrauen, die Pariser Klimaziele zu erreichen.

      »Hast du ihn nach seiner Haltung zum Wolf befragt?«

      Elske nickt.

      »Er hat auf ihr Wahlprogramm verwiesen. Da steht drin, dass die Arten geschützt werden sollen und der Wolf dauerhaft geschont werden muss.«

      »Also soll er nicht ins Jagdrecht aufgenommen werden?«

      »Das wohl, aber nur für zukünftige Überpopulationen. Sofort nach Aufnahme ins Jagdrecht soll der Wolf eine ganzjährige strikte Schonzeit bekommen. Nur Problemwölfe, also jene, die wiederholt Nutztiere reißen, soll man auf jeweils richterlichen Beschluss hin abschießen dürfen.«

      »Also fast so, wie es zurzeit geregelt ist?«

      »Genau. Die Grünen vertreten den Status Quo in dieser Sache. Anders die SPD. Deren Vertreter meinte, Problemwölfe müssten unkompliziert entnommen werden und bei Überpopulation der Wölfe müsse es außerhalb einer Schonzeit auch ohne richterliche Genehmigung kontrollierte Abschüsse geben.«

      »Okay. Das sind also schon spürbare Unterschiede. Und die Christdemokraten, was sagen die?«

      »Mit dem Kandidaten der CDU habe ich noch nicht gesprochen. Ihr Programm erwähnt die Wölfe ebenfalls und geht über den SPD-Ansatz hinaus. Sie wollen Wölfe prinzipiell zwar schützen, aber eben auch bejagen. Die Partei strebt eine Obergrenze an. Ist diese erreicht, wird der Bestand reduziert, egal ob Problemwolf oder nicht.«

      Ich fasse es nicht. Das kommt mir aus der Flüchtlingsdebatte irgendwie bekannt vor. Da war auch immer von »Obergrenze« die Rede.

      »Also, ich fasse mal zusammen: Die Grünen wollen keine Wölfe schießen. Die Sozis wollen Problemwölfe entnehmen, gestatten ihnen aber eine Schonzeit. Und die Christdemokraten schießen jenseits ihrer Obergrenze alles ab.«

      Elske lacht.

      »So ähnlich kann man es zusammenfassen.«

      »Und die rechts außen angesiedelte DZP, deren Spitzenkandidaten wir gleich besuchen?«

      »Oh Jens, das werden wir ja sicher gleich hören. Ich vermute, die knallen ab, was ihnen vor die Flinte kommt!«

      »Vielleicht können wir den Umgang mit der Macht ja sogar am Umgang mit dem Wolf ablesen! Das wäre interessant.« Ich denke gewissermaßen laut, während ich an meinem Kaffee nippe. Elske hat es jedoch gehört.

      »Das vermute ich auch. Für die einen wird Macht sanft, aber strikt definiert, für die andern gibt es ständig Ausnahmen und soziale Härtefälle. Die nächsten setzen klare Grenzen und Regeln, an die man sich bedingungslos zu halten hat – und die vierten entwickeln unser Land diktatorisch zurück in die Zukunft, also ganz ohne Wölfe.«

      Ich sag es ja, Elske ist klug. Ich bin gespannt, was wir gleich bei der Begegnung mit dem Spitzenkandidaten der Deutschen Zukunftspartei erleben. Oder sind die gar nicht so extrem, wie ich denke? Wir werden sehen.

      *

      Konstantin von Bering hat uns für 16.00 Uhr einbestellt. Pünktlich passieren wir die Einfahrt zum Gutshof. Auf kantigen Natursteinpfosten wacht auf jeder Seite ein steinerner Löwe. Die breite, mit Kopfsteinen gepflasterte Zufahrt führt direkt aufs Gutshaus zu. Links davon liegen Stallungen und Scheunen. Zwei Trecker und mehrere landwirtschaftliche Maschinen und Hänger warten unter einem ausladenden Vordach auf ihren Einsatz. Rechts schauen uns vier oder fünf Pferde auf einer mit weißem Zaun umgebenen Koppel neugierig entgegen. Sie wirken edel. Hinter der Koppel steht ein länglicher Pferdestall mit mindestens zehn Stellplätzen.

      Das dunkelrot geklinkerte Wohnhaus präsentiert sich mit seinen zwei Reihen hoher Fenster und dem stattlichen Eingangsportal über einer breiten Treppe sehr herrschaftlich. Das Gebäude ist bestens gepflegt. Die Sprossenfenster scheinen neu zu sein. Sorgfältig geschnittene Buchsbäume säumen die Treppe.

      Wir parken auf einem gepflasterten Stellplatz rechts neben dem Haus vor einer Garage mit drei Toren, alle geöffnet. Ein weißer Audi Q5 ist zu sehen. Daneben lehnt ein zum Audi passendes weißes Mountainbike an der Wand, ein schickes Gerät! Abgesehen von Ersatzreifen an den Wänden und mehreren älteren Fahrrädern an der Rückseite ist die Garage leer.

      Wir gehen die paar Schritte zur Treppe. Bevor wir die große Eichentür erreichen, öffnet sie sich. Unser Gastgeber, den wir von Wahlplakaten bereits kennen, strahlt uns entgegen.

      »Pünktlich wie die Feuerwehr! Schön, dass Sie Interesse an mir und unserem Programm zeigen. Kommen Sie doch herein!«

      Der Mann ist erst Mitte dreißig. Sein sportlicher Körper steckt in Jeans und lässig wirkendem hellen Hemd. Die blonden Haare trägt er kurz, ein gepflegter Dreitagebart rahmt seine vollen Lippen, das energische Kinn und eine gerade Nase ein. »Filmschauspielertyp«, denke ich und blinzle zu Elske hinüber.

      Sie lächelt, reicht Konstantin von Bering ihre schmale Hand und nennt ihren Namen. Fast erwarte ich einen altmodischen Handkuss. Es wird jedoch ein flüchtiger Händedruck. Allerdings begegnen sich ihre Blicke und scheinen sich kurz zu verbinden. Klar, beide haben strahlend blaue Augen.

      Nun reicht der politische Newcomer auch mir die Hand.

      »Sie sind sicher Jens Jahnke! Ich freue mich, Sie kennen zu lernen. Gelesen habe ich von Ihnen schon einiges!«

      Oh je. Dann kennt er meine Anti-Rechts-Haltung. Das Interview wird folglich nicht ganz einfach.

      Wir durchqueren eine kleine Halle. Die Wände sind halbhoch getäfelt, die Tapete fein gemustert und in hellem Grau gehalten. Ein prächtiger gekachelter Kamin nimmt die Mitte der Rückwand ein. Alte Eichenbüffets, wertvolle Stühle und ein runder Tisch wurden geschmackvoll arrangiert. Die antiken Möbel passen bestens zu dem »von« dieser vermutlich alten Landadelsfamilie. An einer Wand hängen eindrucksvolle Geweihe. Was mich eher abschreckt: Neben einem Mufflonkopf schaut eine präparierte Großkatze glasig in den Raum. Na, ob sich das mit dem Artenschutz verträgt? Ich sage nichts, unser Gastgeber hat jedoch meine Blicke bemerkt.

      »Ja, Sie haben recht. Jugendsünden. Früher war ich mehrfach auf Großwildjagd. Das ist ein Jaguar, den ich in Südamerika erlegt habe. Aber heute ist das vorbei. Die Jagd überlasse ich dem Personal und so etwas schießen wir sowieso nicht mehr! Es wäre das Ende unserer Akzeptanz bei den meisten Wählern – und vor allem den Wählerinnen.«

      Er schaut Elske kurz an, lächelt verbindlich und dirigiert uns zur Tür hinten rechts.

      »Kommen Sie, hier ist mein Arbeitszimmer.«

      Der Raum ist hell und funktional eingerichtet. Allerdings

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