Eine Frage der Macht. Hermann Brünjes

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Eine Frage der Macht - Hermann Brünjes страница 6

Eine Frage der Macht - Hermann Brünjes Jens Jahnke Krimis

Скачать книгу

Sie herein«, meint der gemütlich wirkende Mittsechziger und platziert seinen zwar nicht dicken, aber gut genährten Körper in den gepolsterten Stuhl hinter seinem Schreibtisch. Er trägt ein helles Hemd unter einer braunen Strickjacke. »Sie können die Maske auch gerne abnehmen. Ich bin geimpft und bei Ihnen vermute ich das auch.«

      Da hat er recht. Im letzten Jahr wurden alle, die es wollten, geimpft. Polizisten und auch Journalisten waren sogar schon recht früh dran. Im Sommer hat man dann das Virus halbwegs unter Kontrolle bekommen. Trotzdem werden Masken noch empfohlen und sind in manchen Bereichen weiterhin Vorschrift. Ich bin jedoch froh, dass ich meine jetzt wegstecken kann. Begegnungen Gesicht zu Gesicht sind mir wesentlich lieber als lediglich Hi in Auge.

      Inspektor Hansen schenkt mir, ohne zu fragen, ein Glas Mineralwasser ein. Er wirkt auf mich sofort wie ein ehrlicher Beamter, der viel Erfahrung hat, aber sich selbst als Auslaufmodel einordnet. Neugierig schaut er mich an.

      »Sorry«, meint er, »unser Kaffeeautomat streikt. Ich hoffe, ein Wasser tut es auch.«

      Brav wie ich bin, bedanke ich mich.

      »Was führt Sie zu mir? Mich wundert, dass nun auch unser Nachbarkreis an den Wölfen Interesse findet.«

      »Immerhin wurden sie auf dem Gebiet unseres Landkreises gefunden und erschossen – oder?«

      »Ja, stimmt schon. Aber wir haben den Fall übernommen, weil die ersten Meldungen hier eingingen und die Kollegen bei euch keine Kapazitäten frei hatten.« Er grinst, ohne überheblich zu wirken. »Verkehrsüberwachung, Vandalismus und Ordnungsdelikte scheinen alle ihre Kräfte zu binden.«

      »Und Sie bearbeiten die Tötungen aller vier Wölfe?«

      »Richtig. Ich bin für Wilderei genauso zuständig wie für Vergehen gegen den Naturschutz, also ist es mein Fall.«

      »Ich habe gelesen, dass alle vier Wölfe mit derselben Waffe erschossen wurden. Stimmt das?«

      Hansen lehnt sich zurück und nickt.

      »Das stimmt. Welche Waffe genau benutzt wurde, wissen wir allerdings noch nicht. Es war ein Jagdgewehr mit Kaliber 9,3x62, ein Kaliber, das viele Modelle benutzen, aber es war immer dieselbe Waffe.«

      »Also haben Sie die Kugeln untersucht?«

      »Klar. Die Hülsen haben wir leider nicht gefunden. Der Schütze muss sie mitgenommen haben. Er ist jedenfalls clever. Auch andere Spuren gab es keine.«

      Oder ihr habt sie nicht gefunden, denke ich.

      »Hat er die Wölfe dann irgendwie angerührt, sich Trophäen abgeschnitten oder so etwas?«

      Mein Gegenüber lacht.

      »Sie sehen zu viel fern! Nein, hat er nicht. Die Tiere waren intakt, wenn auch teilweise bereits von Nagern, Vögeln oder Wildschweinen angefressen.« Sein Lachen ist sympathisch. »So ist das in der Natur. Fressen und gefressen werden! Der Stärkere siegt. Da dürfen auch die Wölfe für sich keine Ausnahme beanspruchen!«

      »Allerdings war hier nicht der Wolf, sondern der Mensch der Stärkere!«

      Wieder schmunzelt der Inspektor.

      »Möglicherweise steckt in jedem von uns ja auch ein Wolf.«

      »Haben Sie rekonstruieren können, von wo aus geschossen wurde?«

      »Das war schwierig. In nur zwei von den vier Fällen haben wir es herausgekriegt. Der Jäger, äh der Wilderer, hat dort einen Hochsitz benutzt.«

      »Er kannte also die Wege der Wölfe. Es war ein Jäger?«

      »Guter Gedanke. Den hatten wir auch schon. Zumal in unserem Land nur Jäger ein geeignetes Gewehr führen dürfen.«

      Das bezweifle ich und widerspreche deshalb.

      »Wirklich? Darf nicht jeder mit einem entsprechenden Waffenschein auch ein Gewehr besitzen? Also auch Sportschützen, Soldaten und... Polizisten?«

      Hansen stutzt und fummelt an seiner Lesebrille herum.

      »Sie denken echt mit. Stimmt. Trotzdem gehen wir davon aus, dass die Wilderer zugleich auch Jäger sind.«

      »Und Jäger, die außerdem die Gegend kennen, also Jäger aus der Region. Dann müssten Sie diese doch befragt haben, oder?«

      Der Inspektor lacht.

      »Natürlich – schön wär’s! Es sind ja auch nur ein paar hundert Personen, die theoretisch in Frage kommen! Der Süsing und umliegende Waldgebiete sind riesig. Da gibt es Unmengen an Jagdrevieren. Teilweise handelt es sich um Staatsforst, teilweise um Privatbesitz. Wir haben die Wölfe an sehr verschiedenen Orten gefunden.«

      Also wurden die Jäger nicht befragt.

      »Wir? Die Polizei hat die Wölfe gefunden?«

      »Nein, natürlich nicht. Zweimal haben Forstarbeiter, einmal ein Förster und einmal ein Wanderer die Tiere entdeckt.«

      »Und die Kadaver lagen offen da? Oder haben die Wilderer versucht, sie zu verbergen? Oder sind die Wölfe angeschossen worden und irgendwo im Wald verendet?«

      »Wo sie’s sagen. Nein, die toten Wölfe lagen alle offen da, zwei sogar mittig auf einem Weg. Herr Jahnke, wieder eine kluge Frage! Vielleicht sollten wir Sie als Profiler engagieren, wie in den amerikanischen Filmen...!«

      Hansen lacht. Er hat ein echt gutmütiges Gemüt, für einen Polizisten allerdings vielleicht etwas zu schlicht gestrickt.

      »Sie haben also keine Verdächtigen?«

      Er setzt sich die Brille auf die knollige Nase und blättert in einer der Akten.

      »Herr Jahnke, und wenn, dürfte ich Ihnen das doch nicht sagen! Aber nein. Wir haben keine Verdächtigen außer jenen, die für so etwas sowieso in Frage kommen.«

      »Wen meinen Sie da?«

      »Ist doch klar: Die Weidetierhalter und Aktivisten von ›Wolfsfreie Dörfer‹ und solchen Initiativen. Die wollen die Wölfe jedenfalls loswerden. Und das versteht man ja auch.«

      Sein letzter Satz kommt sichtbar von Herzen.

      Am Ende des Gesprächs zeigt mir der Inspektor auf einer Karte die Fundorte und diverse Fotos, die nicht in der Zeitung waren. Ich darf die Karten fotografieren.

      Wir stehen schon und haben uns verabschiedet, da fällt mir noch eine Frage ein.

      »Inspektor, wie kommt es eigentlich, dass die Lüneburger Presse so schnell informiert war? Hätte der Pressesprecher Ihrer Dienststelle die Sache wie üblich weitergegeben, hätten doch auch wir sofort davon erfahren. Hören Ihre Medien etwa den Polizeifunk ab?«

      Mir scheint fast, mein Gegenüber errötet. Er druckst ein bisschen herum, bleibt aber der ehrliche, harmlose Polizist.

      »Tja, da bitte ich um Entschuldigung. Als im Januar die Meldung vom ersten toten Wolf hereinkam, war mein Schwager zufällig zu Besuch. Er ist Ihr Kollege beim Lüneburger Kreisblatt.«

      So

Скачать книгу