Gregors Pläne. Hans Durrer

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Gregors Pläne - Hans Durrer

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worden und sollte nun, so der Professors Wunsch, in neuem Gewand noch einmal präsentiert werden.

      In dieser Zeit bin ich vom Journalismus angefressen. Angefangen hatte dies in Jugendjahren mit der amerikanischen Fernsehserie Lou Grant, die auf einer Zeitungsredaktion spielte, wo die Helden der Wahrheit verpflichtete Journalisten waren. Reporter wollte ich damals werden. So einer wie Jack Nicholson in Michelangelo Antonionis Profession Reporter, obwohl, ich erinnere mich bei diesem Film nur noch an Bilder von der Wüste, und vor allem an Maria Schneider. Als ich auf Wikipedia lese, dass sie sich aufgrund von Alkohol- und Drogenproblemen in psychiatrische Behandlung begeben musste und mit 58 an Krebs gestorben sei, macht mich das betroffen. Schon eigenartig, meine Empfindungen für diese Frau, die ich nur von Filmen und Fotos kenne, und die mir in diesem Moment gefühlsmässig gerade näher steht als eine frühere Freundin, nach der ich einmal süchtig war (sexuell natürlich, was denn sonst?) und von der ich eben eine Email gelesen habe.

      Ich frage den Korrespondenten einer Deutschschweizer Tageszeitung in Lausanne an, ob er sich vorstellen könne, ausgewählte Artikel von ihm zu einem Buch mit dem Titel Notizen aus der Westschweiz zu machen. Die Antwort erfolgt prompt: Ja, das würde ihm gefallen und übrigens verstehe er seine Arbeit genau so wie es der von mir vorgeschlagene Titel ausdrücke, als Notizen. Er schickt mir seine gesammelten Arbeiten, ich treffe eine Auswahl, gliedere sie und lege sie ihm vor, in der Hoffnung, er sei davon genauso angetan wie ich. So bin ich auch bei anderen Journalisten, drei von ihnen Frauen, vorgegangen. Zwölf solche Bücher habe ich herausgegeben, die ich sowohl als Zeitdokumente wie auch Autorenporträts verstand.

      Er habe schon mit vielen Verlegern zu tun gehabt, sagt der Mann aus Lausanne eines Tages, doch einen idealeren als mich habe er noch nie erlebt. Mir ist klar, woran das liegt: An meiner Begeisterung für meine Arbeit. Es tut mir gut, mich für jemanden einzusetzen, jemanden fördern zu können.

      Da ich auch in Lausanne wohne, besuche ich ihn und seine Frau von Zeit zu Zeit. Er habe letzthin seine fiche einsehen können, erzählt er mir eines Tages (Der Schweizer Geheimdienst führte während Jahren Dossiers über Personen, die umstürzlerischer Ideen verdächtigt wurden, sogenannte fiches). Man hätte meinen können, bei seiner Frau habe es sich um eine veritable Mata Hari gehandelt, lacht er. Als ich mich bei meinem nächsten Besuch nach ihr erkundige, erwidert er, Mata Hari sei gerade in der Migros beim Einkaufen.

      Auch von anderen Autoren erhalte ich viel Lob. Nein, nicht von allen, von den meisten höre ich gar nichts. Ich hätte seine Texte nicht einfach zusammengestellt, sondern komponiert, schrieb ein Chefredakteur im Vorwort; ein anderer, der sich als Politiker-Porträtist einen Namen gemacht hatte, behauptete, er habe sich durch mein Porträt von ihm besser kennengelernt. Ich schwebte auf Wolke sieben.

      Sie finden das eitel, dass ich das erwähne? So richtig wohl ist mir selber nicht dabei. Doch wieso gilt es eigentlich als vornehm, zu schweigen, wenn man sich darüber freut, dass die eigene Arbeit geschätzt wird, Anerkennung findet?

      Mein Lieblingsautor war übrigens der Junior. Ein von mir hoch geschätzter Redakteur der Süddeutschen Zeitung, den ich als Autor zu gewinnen hoffte (was mir auch gelang), hat uns zusammen geführt. Zwei Bücher habe ich von ihm herausgegeben; bis zu seinem Tod im Alter von 96 Jahren sind wir miteinander freundschaftlich verbunden gewesen. Ein bis zweimal die Woche liessen wir „den Draht spielen“, wie er das Telefonieren bezeichnete, das er oft mit „Wollte mich nur erkundigen, was mein lieber Privatgelehrter so treibt“ einleitete. Seine launigen Bemerkungen begleiten mich heute noch. Beglückwünschten ihn Bekannte auf der Strasse dazu, wie geistig und körperlich rüstig er noch sei, erwiderte er wahlweise mit „Ich simuliere nur“ oder „Ja was soll ich denn, vielleicht zum Probe-Liegen auf den Waldfriedhof?“ Als er einmal beim Einkaufen lange warten musste und dabei ausgiebig Gelegenheit hatte, den Unterhaltungen der Leute im Laden zuzuhören, kommentierte er. „Mir scheint, der Mensch ist tagaus tagein allein damit beschäftigt, sich selber zu rechtfertigen.“

       ***

      Meine Begeisterung für den Journalismus hat sich gelegt. Mittlerweile nehme ich die Medien fast ausschliesslich als profitgetriebene Unterhaltungsindustrie wahr. Natürlich gibt es Journalisten, die gute, notwendige und spannende Aufklärung betreiben, doch die meisten der Themen, die in den Medien Platz finden, halte ich für einfaltslos. Sie lenken meine Aufmerksamkeit auf für mich Unwesentliches, bestenfalls Interessantes. Doch interessant ist vieles, auch das Liebesleben der Bienen, hörte ich einmal Ajahn Sumedho, einen amerikanischen Theravada-Mönch bei einem Meditationsnachmittag in Bangkok sagen, doch darum gehe es nicht. Es gehe darum, ob etwas hilfreich sei. Hilfreich, um ein qualitativ gutes Leben zu führen, nicht um davon abzulenken, dass wir die Langeweile nicht aushalten.

      ***

      Nach fünf Jahren als Verlagsleiter hatte ich das Gefühl, bewiesen zu haben, was ich geglaubt hatte, beweisen zu müssen. Erst viele Jahre später habe ich realisiert, dass das Mich-Beweisen-Müssen eines meiner Muster ist, das man nicht mit Universitätsabschlüssen und einem angesehenen Job hinter sich lassen kann. Ich denke übrigens generell nicht, dass man irgendetwas überwindet, bewältigt oder hinter sich lässt. Sicher, vorstellen kann ich es mir schon. Schliesslich ist das unsere gewohnte Art zu denken. Doch meine Erfahrung ist anders. Schaue ich etwa ein Foto meiner vor Jahren verstorbenen Eltern an, so sind sie immer noch da, in meinen Träumen sowieso. Zunehmend kommt es mir vor, es geschehe alles gleichzeitig, Vorher und Nachher seien Illusionen. Ziemlich beständige, zugegeben.

      Eine private Universität in China zeigt Interesse an meiner Bewerbung als Dozent für Medien und Kommunikation. Ob ich bereit sei, das erste Semester 'Spoken English' zu unterrichten?, fragt der Vertreter der Universität, der mich am Flughafen vom Xiamen abholte, sie hätten da nämlich gerade einen Engpass (einer der Dozenten war offenbar Hals über Kopf abgereist, wie ich später erfahre).

      „'Spoken English'? Was ist denn das? Englisch lernen ohne Lesen und Schreiben?“ Also die Studenten hätten gute Englisch-Kenntnisse, allerdings nur passiv, bei 'Spoken English' gehe es darum, sie zum Sprechen zu bringen, was aus kulturellen Gründen (die Chinesen seien scheu), nicht so einfach sei. Nun ja, kulturelle Gründe müssen meist dann herhalten, wenn man den Tatsachen nicht ins Gesicht sehen will – meine Studenten jedenfalls können mehrheitlich kein Englisch, auch nicht passiv. Und scheu sind sie definitiv nicht, eher stur und hartnäckig.

      C aus Vancouver ist chinesischer Abstammung, spricht jedoch kein Mandarin, was ihm von den lokalen Chinesen den Vorwurf der Arroganz einträgt. Wir würden ständig überwacht, sagt C. Die anderen Dozenten finden ihn leicht paranoid, ich nicht. „Denk daran, einer in der Klasse versteht dich und wird dem Vizepräsidenten rapportieren, wie du dich verhältst und was du sagst.“ Es wimmle hier von agents provocateurs, genau wie während der Kulturrevolution. Ich habe zwar wenig Ahnung von chinesischer Geschichte, doch ich nehme mir Cs Rat zu Herzen.

      Montagabend müssen wir uns jeweils für zwei Stunden 'English Corner' zur Verfügung stellen. Dabei werden wir von Studenten aller Studienrichtungen umlagert, die uns Fragen stellen. 'English Torture' trifft es besser, denn die Fragen sind von einer derart stereotypen Einfaltslosigkeit (Where do you come from? How do you like China? ....), dass selbst ausgeglichene Seelen rasch an ihre Grenzen stossen. Wie üblich werden wir kontrolliert. Als ich einen Mann, der gut Englisch spricht, frage, was er denn studiere, antwortet er 'Chemie', ein Fach, das an dieser Business-Universität gar nicht unterrichtet wird. C hat eindeutig recht mit seinen agents provocateurs, denkt es so in mir.

      Sie habe gehört, sagt eine chinesische Dozentin, ich fände meine Studenten blöd. Sie will mich offenbar provozieren. Und so provoziere ich zurück: Einige seien in der Tat in Sachen Englisch eher suboptimal unterwegs, aber nicht alle, natürlich nicht.

      Wie viele pro Klasse dürfen durchfallen? Gibt es da

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